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ter zu sein. „Deutsch ist eine der direktesten Sprachen der Welt“, stellt<br />
die ehemalige UNO-Dolmetscherin Susanne Kilian (2011) fest. Sie<br />
vergleicht Unterschiede in der Kommunikationsweise zwischen dem<br />
deutschen und angelsächsischen Sprach- bzw. Kulturraum und kommt<br />
zu dem Ergebnis, dass Deutsche – unabhängig vom Niveau ihrer Englischkenntnisse<br />
– schnell als hölzern und unfreundlich empfunden<br />
werden (Kilian, 2011).<br />
Eng verbunden mit dieser in der Tat sehr direkten Ausdrucksweise im<br />
Deutschen ist unsere Sachlichkeit und unser offenkundiges Unvermögen<br />
oder gar Unwillen, sich auf netten und höflichen Small Talk einzulassen.<br />
Der aus Australien stammende, in Cambridge lehrende Historiker<br />
Christopher Clark berichtet am Rande eines Interviews im<br />
„Stern“-Magazin (Ausgabe Nr. 51/2011, S. 110), wie er anlässlich einer<br />
Recherche in einem Archiv in Karlsruhe gegenüber dem ihn unterstützenden<br />
Ostpreußen die Maschine lobte, die die Akten nach oben<br />
transportierte. Dieser erwiderte: „Sparen Sie sich die Emotionsaufwallungen,<br />
bleiben wir bei der Sache.“ Christopher Clark ist nun jemand,<br />
dem Deutschland und die deutsche Sprache sehr vertraut sind und der<br />
diese Sachbezogenheit mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis<br />
nimmt. Bei Personen, die weniger vertraut mit den deutschen Eigenarten<br />
sind, wirkt ein solches Verhalten aber zumindest sehr unhöflich,<br />
wenn nicht gar abweisend.<br />
Ein weiteres Bespiel in diesem Zusammenhang stammt aus eigenem<br />
Erleben: Ein befreundeter und langjährig in Deutschland stationierter<br />
US-amerikanischer Soldat erzählte im Jahr 2010 von seinen ersten<br />
Eindrücken in Deutschland. In seiner damaligen Stelle sei „The-<br />
German-No“ zum festen Ausdruck geworden, wenn man sich eine<br />
schnelle Abfuhr eingeholt habe. Dahinter steckte die Erfahrung, dass<br />
man in der Zusammenarbeit mit deutschen Stellen oft – nach viel Arbeit<br />
und reiflicher Überlegung – Vorschläge unterbreitet habe, die dort<br />
in gefühlten dreißig Sekunden auf ihre Machbarkeit geprüft wurden<br />
und dann mit einem direkten NEIN beschieden wurden. Er führte aus,<br />
dass eine solche Erklärung im Englischen extrem unhöflich sei und eigentlich<br />
ein starker Ausdruck von Nicht-Wollen (statt Nicht-Können<br />
oder Nicht-Dürfen) darstelle. Im Englischen würde man nicht so direkt<br />
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