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dem Schmuckstück steckt, wurde scheinbar nicht berücksichtigt. Es<br />
wird deutlich, dass hier offenbar ein anderer Wertmaßstab gilt.<br />
In der Tat ist das monochrone Zeitverständnis eher traditionell ausgerichteten<br />
Gesellschaften fremd. In Agrargesellschaften ist eine rigide<br />
Zeitplanung auch überflüssig, da man sich nach Sonnenauf- und Sonnenuntergang,<br />
Wetter sowie Saat- und Erntezeiten richtet. Edward T.<br />
Hall bezeichnet Gesellschaften mit diesem Zeitverständnis als „polychrone<br />
Kulturen“ (1984, S. 44 ff.). Hier werden üblicherweise mehrere<br />
Dinge parallel erledigt. Natürlich existiert auch ein Zeitplan, dieser<br />
ist jedoch eher ein grober Leitfaden, ein „kann“, aber kein „muss“.<br />
Die Termingestaltung ist flexibel. Die Priorität wird auf persönliche<br />
Beziehungen gelegt, somit wird die Erledigung einer Aufgabe nachrangig,<br />
wenn es zu spontanen persönlichen/freundschaftlichen Begegnungen<br />
kommt (Hall, 1984). Dies hat zur Folge, dass lange Wartezeiten<br />
entstehen, die innerhalb der Kultur aber auch nicht besonders<br />
problematisch sind, da Verzögerungen und Unterbrechungen als<br />
„normal“ akzeptiert sind.<br />
Dieses Unterschiedsmerkmal korrespondiert offensichtlich mit Sozialorientierung<br />
und Kollektivismus. Denn wenn Eingebundenheit in soziale<br />
Netzwerke zur Grundprägung gehört und daraus resultierend auf<br />
intakte zwischenmenschliche Beziehungen und ein harmonisches Arbeitsumfeld<br />
Wert gelegt wird, werden Aspekte der Produktivität unter<br />
Umständen nicht mit erster Priorität bewertet.<br />
Treffen also nun Angehörige aus monochronen und polychronen Kulturen<br />
aufeinander, kommt es zwangsläufig zu Konflikten. Auch im<br />
Umgang mit Personen aus dem arabisch-muslimischen Raum stellt<br />
man als Mitteleuropäer schnell deren anderes Verhältnis im Umgang<br />
mit der Zeit fest (Hottinger, 2002). Dies wird von Europäern gerne als<br />
„Unzuverlässigkeit“ oder „mangelndes Pflichtbewusstsein“ interpretiert.<br />
Damit wird deutlich, wie sehr das Verständnis von Zeit und der<br />
Umgang mit ihr prägend für unsere Sichtweise sind. Wenn die<br />
polychrone Seite unter dem Termin: „Wir treffen uns um 10 Uhr.“ nur<br />
irgendeine Zeit zwischen 9:30 und 12 Uhr versteht, die monochrone<br />
Seite darunter aber „Punkt 10 Uhr“, besser 9:55 Uhr, dann wird dies in<br />
interkulturellen Teams zwangsläufig den Arbeitsablauf stören und zur<br />
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