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Bildung im Gesundheitswesen 2011. - Schaffler Verlag

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A. di Positas<br />

Health in all Policies<br />

schlägt Health Policy<br />

Einer einzigen ÖKZ entnehme ich: „Die Kaiserschnittrate<br />

ist mit 30 Prozent in Österreich besonders hoch.“ Auf einer<br />

anderen Wiese der Medienlandschaft erfahre ich: Der<br />

Gesundheitsminister freut sich über die hohe Qualität des österreichischen<br />

<strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

Und lese die ÖKZ weiter:<br />

„Der OECD-Bericht aus 2009 stellt Österreichs Kinder- und Jugendgesundheit<br />

ein schlechtes Zeugnis aus. Die vom Minister 2011<br />

präsentierte Kindergesundheitsstrategie ist in weiten Teilen eine<br />

zahnlose Bestandsaufnahme.“ Der Gesundheitsminister freut sich<br />

über die hohe Qualität des österreichischen <strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

„Die derzeitigen Finanzierungsströme in der Eltern-Kind-Vorsorge<br />

steuern die Leistungsinanspruchnahme in eine Richtung, die den<br />

Ergebnissen bezüglich der gegenwärtigen Gesundheitsbedrohungen<br />

diametral entgegen läuft.“ Der Gesundheitsminister freut sich<br />

über die hohe Qualität des österreichischen <strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

„Rückzahlungsforderungen an einzelne Ärzte von dreißig- bis siebzigtausend<br />

Euro sind in der OÖGKK keine Seltenheit.“ Der Gesundheitsminister<br />

freut sich über die hohe Qualität des österreichischen<br />

<strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

„Der sehr zähe Fortschritt bei der E-Medikation, einem Schlüsselprojekt,<br />

gehört hoffentlich bald der Vergangenheit an.“ Der<br />

Gesundheitsminister freut sich über die hohe Qualität des österreichischen<br />

<strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

„Österreichs Krankenhäuser brauchen besseres Fehlermanagement.“<br />

Der Gesundheitsminister freut sich über die hohe Qualität<br />

des österreichischen <strong>Gesundheitswesen</strong>s.<br />

Für diese Themenauswahl ist kein anderes Ministerium als jenes<br />

des Alois Stöger „verantwortlich“. Der geniale PR-Schachzug des<br />

Gesundheitsministers, statt seine Hausaufgaben zu erledigen bei<br />

jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die Gesundheit der<br />

Österreicher nur durch „Health in all Policies“, sprich durch die<br />

Mitwirkung aller Ministerien, gewährleistet werden kann, verliert<br />

dadurch seinen logischen Glanz. Auch die allgegenwärtige Freude<br />

des Ministers über seine vermeintlichen Erfolge.<br />

Der Landwirtschaftsminister könnte auch darauf verweisen, dass<br />

die österreichische Finanz- und Sozialpolitik, natürlich auch die<br />

Umwelt- und Energiepolitik, ganz zu schweigen von der Gesundheitspolitik<br />

(Veterinärwesen, Tierschutz, Lebensmittelaufsicht, …)<br />

das Gedeihen der österreichischen Agrarier best<strong>im</strong>mt – und er für<br />

nix was dafür kann …<br />

Also was läuft hier falsch? Zuerst wird das Leben der Österreicher<br />

in einzelne Bereiche zerstückelt und auf die Ministerien verteilt.<br />

60 Das österreichische <strong>Gesundheitswesen</strong> – ÖKZ<br />

Dann erklärt jedes einzelne der Ministerien, dass es keine Verantwortung<br />

für seine Österreicher-Schnitten übernehmen kann,<br />

wenn nicht die Ministerkollegen mittun. Entweder war die Idee<br />

mehrerer Ministerien in einem Staat eine historische Fehlentwicklung<br />

oder es steht das falsche Etikett auf den Österreicher-<br />

Stücken in ministerieller Verwaltung!? Gedankenexper<strong>im</strong>ent: Ist<br />

der Gesundheitsminister verantwortlich für die Gesundheit der<br />

Österreicher (also auch für meine)? Wofür ist er verantwortlich?<br />

Die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass …? Dafür zu sorgen,<br />

dass …? Was? Ich wieder gesund werde, ich gesund bleibe? Oder<br />

dass ich alles bekomme, was ich brauche? Und wie wird das definiert?<br />

Ist er gar für die Priorisierung der staatlichen Aktivitäten<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>im</strong>mer begrenzter Mittel und deren Durchführung zur<br />

Unterstützung meiner Gesundheit verantwortlich? Warum zeigt<br />

er sich dafür nicht verantwortlich, sondern verweist mit „Health<br />

in all Policies“ auf die Verantwortung seiner Kollegen <strong>im</strong> Ministerrat?<br />

Auch die verzweifelte Überrepräsentanz der Prävention in<br />

Sonntagsreden ist der Versuch einer Rückdelegation der Verantwortung<br />

an die Österreicher, die gar nie auf die Idee gekommen<br />

sind, einen Gesundheitsminister für ihren Bluthochdruck verantwortlich<br />

zu machen.<br />

Das ist nicht einmal mehr Etikettenschwindel, das ist Etikettenlegasthenie.<br />

Was steht denn wirklich auf den Österreicher-Stücken<br />

des Gesundheitsministers drauf? „Verantwortlich für …“? Sind Minister<br />

einer Reflexion ihres eigenen Handelns völlig ohnmächtig? …<br />

Entweder ein Minister zeigt sich verantwortlich und definiert und<br />

tut das, was er darf, soll und muss, oder er verweist wiederkehrend<br />

auf seine Unzuständigkeit, die Komplexität des Systems, die<br />

Bedeutung des breiten Konsenses, redet sich auf EU, WHO, den<br />

Hauptverband und die Länder aus und repetiert „Health in all Policies“.<br />

Für Zweiteres brauch ich persönlich ihn nicht. Ich plädiere<br />

also dafür, dass er ein Achtmillionstel weniger Monatsgehalt<br />

bezieht. Das wären mit den eingesparten Gehaltsabgaben ca.<br />

dreieinhalb Cent <strong>im</strong> Jahr mehr für mich. Die vielen Menschen, die<br />

der Herr Minister in seinem Ministerium, in Beratungsfirmen und<br />

in den ausgegliederten Verwaltungs-GmbHs mit seiner Verantwortungsverweigerung<br />

beschäftigt, noch gar nicht eingerechnet.<br />

Dafür bekäme ich dann schon locker zwei bis drei Liter Diesel an<br />

meiner Tankstelle.<br />

Irgendwie sind ja österreichische Gesundheitsminister wie österreichische<br />

Teamtrainer: Sie werden wirklich anständig bezahlt,<br />

erzählen <strong>im</strong> ersten Jahr, was sie alles tun werden, erkennen <strong>im</strong><br />

zweiten Jahr, dass sie davon 99 Prozent nicht derheben, machen<br />

<strong>im</strong> dritten Jahr PR auf Reg<strong>im</strong>entskosten und werden <strong>im</strong> vierten Jahr<br />

ausgetauscht. Constantini war wenigstens unterhaltsam und ist<br />

schon weg. Stöger ist derzeit <strong>im</strong> dritten Jahr.<br />

Mit enttäuschtem Handkuss<br />

Ihr A. di Positas<br />

52. Jg. (2011), 11 | www.schaffler-verlag.com

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