Bildung im Gesundheitswesen 2011. - Schaffler Verlag
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Schlusspunkt<br />
In einem Land vor unserer Zeit<br />
Neulich war ich <strong>im</strong> Naturhistorischen<br />
Museum. Dinosaurier-<br />
Ausstellung. Anschließend<br />
habe ich unsere auf dem Platz davor <strong>im</strong><br />
Sauriermaßstab überd<strong>im</strong>ensionierte,<br />
bekanntlich recht kriegerische <strong>Bildung</strong>skaiserin<br />
eines flüchtigen Blickes gewürdigt<br />
und mich gefragt, wie oft sie sich,<br />
angesichts der Zustände des <strong>Bildung</strong>swesens<br />
in diesem Land, wohl schon in<br />
ihrem Grab umgedreht hat; mutet die herrschende Winterstarre in<br />
dieser Frage doch regelrecht eiszeitlich an. Dabei ist es weder in Österreich<br />
noch zwischen Pisa und Bologna verboten oder hochgradig<br />
kompliziert, <strong>Bildung</strong> nachhaltig und dynamisch zu gestalten.<br />
Vorbilder gäbe es jedenfalls reichlich. Man muss dazu nicht mal in<br />
die Ferne schweifen. Man könnte sich z.B. Inspiration in einzelnen<br />
Bereichen des österreichischen <strong>Gesundheitswesen</strong>s holen. Ohne<br />
diesen, nicht weniger prominenten Schauplatz subopt<strong>im</strong>aler, „typisch<br />
österreichischer Lösungen“ beschönigen zu wollen, gibt es<br />
doch, wie überall, auch fortschrittliche Modelle. Zum Beispiel die<br />
jüngst verabschiedete MTD-Fortbildungsrichtlinie, in der, in Anlehnung<br />
an europäische Standards, die <strong>im</strong> MTD-Gesetz verankerte Verpflichtung<br />
zur kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung die längst<br />
fällige Veredelung erfährt. Alle MTD-Berufsangehörigen* können<br />
damit ein gemeinsam von MTD-Austria und dem jeweiligen Berufsverband<br />
ausgestelltes Zertifikat erwerben, in dem das persönliche<br />
<strong>Bildung</strong>sengagement dokumentiert und zugleich die hohe Qualität<br />
der Fortbildung von kompetenter Stelle bescheinigt wird. Nach<br />
der erfolgreichen Akademisierung der MTD durch <strong>Verlag</strong>erung der<br />
Ausbildung an Fachhochschulen ist dies für die gehobenen MTD<br />
ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn<br />
andere Rechnungen vorerst offen bleiben: z.B. die Forderung nach<br />
bundesfinanzierten Master-Studiengängen. Nach wie vor müssen<br />
sich MTD-Studentinnen und -studenten ein Masterstudium selbst<br />
finanzieren. Warum eigentlich? Dass die in diesen Disziplinen so<br />
wichtige Forschung damit zum teuren Privatvergnügen verkommt,<br />
ist nur eine weitere Facette österreichischen <strong>Bildung</strong>sversagens.<br />
Schutz vor Wildwuchs<br />
Sprechen wir lieber von Qualität! Und von Patientensicherheit.<br />
Also – zur Abwechslung mal – von dem, was die Kundin, der Klient,<br />
die Patientin, ach ja und: der Wähler will. MTD-Austria hat<br />
dazu <strong>im</strong> Juni dieses Jahres eine Gallup-Umfrage in Auftrag gegeben,<br />
um zu diesen Fragen ein schlüssiges Bild aus dem Bevölkerungsdurchschnitt<br />
abzuleiten. In unserer Pressekonferenz<br />
am 30. Juni und in zahlreichen Presseaussendungen haben wir<br />
ausführlich berichtet. Der Tenor: Patienten wünschen sich sehr<br />
wohl top-qualifizierte Gesundheitsdiensteanbieter, individuelle<br />
Betreuung und kompetente Beratung, transparente gesetzliche<br />
Regelungen und vor allem (!) – wozu sonst sollten diese auch<br />
gut sein – verlässlichen Schutz vor einem <strong>im</strong>mer unübersichtlicheren<br />
und längst ausufernden Wildwuchs an Scheinexperten.<br />
Klingt logisch, ist aber nicht so. Dabei sind die damit verbunde-<br />
Patientensicherheit <strong>im</strong> Bereich der Gesundheitsdiensteanbieter?<br />
Fehlanzeige. die Patienten wissen bei all den<br />
Scheinexperten, die sich <strong>im</strong> <strong>Gesundheitswesen</strong> tummeln,<br />
oft nicht einmal, wer sie da betreut. Einen zuständigen Bundesminister<br />
dürfte so etwas eigentlich nicht kalt lassen.<br />
Gabriele Jaksch<br />
62 Das österreichische <strong>Gesundheitswesen</strong> – ÖKZ<br />
nen Gefahren für die Patienten und den „Gesundheitsstandort“<br />
Österreich offensichtlich. Einen zuständigen Bundesminister<br />
dürfte so etwas eigentlich nicht kalt lassen. Er weiß, dass er auf<br />
die Berufsgruppen der gehobenen MTD in Sachen Opt<strong>im</strong>ierung<br />
von Patientensicherheit und Versorgungsqualität <strong>im</strong>mer zählen<br />
kann. Und wohl auch auf alle anderen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe.<br />
Jene Gesundheitsberufe eben, die sich bereits<br />
<strong>im</strong> Zuge der Grundausbildung höchste Standards auferlegen und<br />
die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung auf höchstem Niveau<br />
institutionalisiert haben; und zwar nicht aus ökonomischem Kalkül,<br />
sondern aufgrund eines entsprechenden Berufsethos.<br />
Keinerlei Kontrolle<br />
Allerdings lassen sich Berufsethos oder Verantwortung so schlecht<br />
verrechnen. Zumindest fehlen sie in den Leistungskatalogen der<br />
Krankenkassen. Zwar könnte man argumentieren, dies sei gerade<br />
bei „solchen“ Berufen mehr als selbstverständlich. Ist es auch. Aber<br />
anders als z.B. Ärzte haben MTD sowieso nach wie vor keinen einheitlichen<br />
Zugang zu Kassenverträgen und konkurrieren folglich am<br />
Markt mit zahllosen, oft leicht verwechselbaren Berufen, die nicht<br />
annähernd diese hohen Qualitätsstandards bieten (können) und in<br />
vielen Fällen gar nicht anbieten dürften. Der Kunde bemerkt die mit<br />
einem vermeintlichen Preisvorteil verbundene Gefahr freilich erst zu<br />
spät. Wird sie schlagend, kommt es am Ende deutlich teurer.<br />
Nun ist es ja nicht so, dass es keine Schutzregelungen gäbe. Aber<br />
was nützen die, wenn es keine konsequente Kontrolle gibt? Hier<br />
schwächelt die Exekutive. Maria Theresia hätte vermutlich nicht<br />
lange gefackelt. Aber es ist auch demokratischen Strukturen nicht<br />
völlig unmöglich, zeitnah und – möchte man zumindest meinen –<br />
volksnah zu re(a)gieren; auch wenn dies, angesichts der aktuellen<br />
Trägheit unserer Politik, irgendwie futuristisch anmutet.<br />
Dinosaurier sind übrigens ausgestorben. Sie konnten sich den veränderten<br />
Umweltbedingungen nicht schnell genug anpassen. Für<br />
sie war dann Schluss. Punkt. ::<br />
Foto: MTD-Austria, Eva Feik<br />
1 Zu den gehobenen medizinisch-technischen Diensten<br />
gehören die Berufsgruppen der Biomedizinischen Analytiker,<br />
Diätologen, Ergotherapeuten, Logopäden, Orthoptisten,<br />
Physiotherapeuten und Radiologietechnologen.<br />
Mag. Gabriele Jaksch,<br />
Präsidentin MTd-Austria<br />
g.jaksch@mtd-austria.at<br />
52. Jg. (2011), 11 | www.schaffler-verlag.com