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BODENSEE-INTERNATIONAL 12 / 2007 – 01 ... - Seehas Magazin

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INTERVIEW<br />

<strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

Herr Hald, über die Spuren der Vergangenheit ist sprichwörtlich oftmals viel Gras<br />

gewachsen. Wie stoßen Sie auf die Reste unserer Vorfahren?<br />

Jürgen Hald<br />

Hier gibt es verschiedene Wege. Viele Fundstellen kennen wir bereits aus den<br />

Forschungen der letzten Jahrzehnte. In unseren Akten haben wir Informationen<br />

über etwa 1500 archäologische Fundstellen im Landkreis Konstanz zusammen<br />

getragen und können daher bei Bauvorhaben oft schon vorab eine Einschätzung<br />

der Situation geben. Hierzu gehören auch Luftbilder auf denen archäologische<br />

Strukturen zu erkennen sind, seltener geophysikalische Prospektionsmethoden.<br />

Andere Fundstellen entdecken wir erst bei der Überwachung von Erdarbeiten in<br />

Erschließungsgebieten oder auf Baustellen. In diesem Fall müssen wir dann sehr<br />

rasch eine Rettungsgrabung durchführen. Liegen bereits Hinweise auf mögliche<br />

Funde vor, so versuchen wir natürlich schon vor Baubeginn die Ausgrabungen<br />

durchzuführen, um Verzögerungen vollständig zu vermeiden.<br />

<strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

In jüngster Vergangenheit haben Sie in Welschingen bei Engen Siedlungsreste<br />

freigelegt. Was haben Sie entdeckt?<br />

Jürgen Hald<br />

Welschingen hat sich als wahres archäologisches Schatzkästlein erwiesen. Vor<br />

etwa 18 Monaten kannten wir nur ein Luftbild, auf dem ein Teil eines Grabens<br />

zu sehen war. Alter und Funktion dieses Bauwerks waren noch unbekannt.<br />

Durch die Voruntersuchungen in dem betroffen Baugebiet wissen wir inzwischen,<br />

dass an diesem Platz bereits vor 6000 Jahren Menschen gelebt haben.<br />

Sie haben dort Gräber angelegt, die bislang in Hegau völlig unbekannt waren.<br />

Die nächsten Siedlungsspuren stammen vom Ende der Jungsteinzeit um 2400 v.<br />

Chr. Hier konnten wir Abfallschichten mit überaus seltenen botanischen Resten<br />

freilegen. Im Lehm hatten sich wunderbar Getreidekörner, Himbeerkerne,<br />

Holunderbeeren und anderes erhalten. Solch einen Einblick in den Speisezettel<br />

dieser Menschen hatten wir in Südwestdeutschland noch nie. In Mitteleuropa<br />

ist nur noch eine vergleichbare Fundstelle aus der Schweiz bekannt. Hinzu<br />

kommen Funde einer bronzezeitlichen Siedlung, die etwa um 1700 v. Chr. in<br />

Welschingen errichtet wurde sowie zwei keltische Siedlungen, die zwischen 500<br />

und 100 v. Chr. bewohnt waren. Zur jüngsten Siedlung gehört eine etwa 800<br />

m lange Holzmauer, die ein riesiges Siedlungsgebiet von etwa 16 ha abgrenzte.<br />

Siedlungen dieser Art sind bisher nahezu unbekannt, so dass auch diese Funde<br />

überregionale Bedeutung haben.<br />

<strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

Was ist bislang Ihr spektakulärster Fund?<br />

Jürgen Hald<br />

Das ist eine schwierige Frage, da jeder Fund seine Bedeutung hat und ich in<br />

den letzten sieben Jahren viele Neufunde im Hegau machen durfte, die Forschungslücken<br />

schlossen. Zu den schönsten Funden gehören aber sicherlich die<br />

Jürgen Hald<br />

Kreisarchäologe im Landkreis Konstanz.<br />

Das <strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong> führte ein Gespräch über die<br />

Archäologie im Bodenseeraum.<br />

Bronzezeitgräber von Hilzingen mit ihren Bernsteincolliers aus der Zeit um 1500<br />

v. Chr. sowie die dieses Jahr entdeckten jungsteinzeitlichen Gräber bei Singen.<br />

Dort konnten wir 4400 Jahre alte Gräber mit wunderschöner Keramik der sogenannten<br />

Glockenbecherkultur vor der Zerstörung retten.<br />

<strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

Wie alt sind denn die ältesten Suren der Menschheit in der Bodenseeregion und<br />

wo wurden sie entdeckt?<br />

Jürgen Hald<br />

Die ältesten Funde stammen aus den Felshöhlen, die im Säntis aus den Gletschern<br />

der letzten Eiszeit herausragten. Beispielsweise konnten am „Wildkirchli“<br />

Feuersteinwerkzeuge entdeckt werden, die Neandertal-Menschen vor etwa<br />

40 000 bis 30 000 Jahren hergestellt haben. Wichtiger sind aber die Funde der<br />

letzten Rentierjäger vom Petersfels bei Engen. Sie haben vor etwa 15 000 Jahren<br />

dort gejagt und die ältesten Kunstwerke in unserer Region zurückgelassen. Es<br />

handelt sich um kleine Gagatfiguren, die wohl Frauen darstellen. Sehr bekannt<br />

ist ja die „Venus von Engen“, die aus der Petersfelshöhle stammt.<br />

<strong>Seehas</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

Die Bodenseeregion ist klein, aber dennoch international. Gibt es grenzübergreifende<br />

Projekte mit unseren schweizerischen und österreichischen Nachbarn und<br />

auch archäologische Erkenntnisse?<br />

Jürgen Hald<br />

Neben Buchprojekten mit den schweizerischen und österreichischen Kollegen<br />

aus der archäologischen Denkmalpflege, werden auch gemeinsame Ausstellungen<br />

entworfen und an verschiedenen Museen gezeigt. Hier ist das Archäologische<br />

Landesmuseum in Konstanz ein wichtiger Partner, das solche Projekte<br />

gemeinsam mit anderen Museen in der Schweiz und Österreich konzipiert und<br />

realisiert. Für nächstes Jahr ist beispielsweise eine Ausstellung über die späten<br />

Kelten in der Bodenseeregion geplant. Sie wird dann an verschiedenen Standorten<br />

in den folgenden Jahren zu sehen sein.<br />

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin<br />

viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und uns spannende Berichte davon.<br />

Interessanter Buchtipp:<br />

„Zeitreisen am Bodensee – von den Rentierjägern zu den Alemannen“<br />

Herausgeber sind der Kreisarchäologe Jürgen Hald für die Fachbeiträge aus der<br />

internationalen Bodenseeregion und Anneros Troll für die Landschaftsfotografie.<br />

Das Buch gibt es im Buchhandel. Culturis Verlag Steißlingen,<br />

ISBN 3-00-<strong>01</strong>3117-5, (D-29,90 Euro, A-30,80 Euro, CH-49,90 CHF)<br />

SEEHAS-MAGAZIN 05

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