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STEGLITZER HEIMAT - Heimatverein Steglitz

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Selbstmorde - in die Tat umzusetzen. Sie schreiben Abschiedsbriefe, so<br />

u.a.: "Die Zeit rollt weiter und weiter, was kümmert sie mein bißchen Leben."<br />

Am Morgen - Hilde ist schon aufgestanden - schöpfte Günther Verdacht,<br />

dass sich Hans im Schlafzimmer aufhält und sein Ex-Liebhaber auch die<br />

Nacht dort mit seiner Schwester verbracht hat. Hans versteckte sich hinter<br />

einem Bademantel oder Bettlaken, als er Günther hört, der wie von<br />

Sinnen durch die Wohnung tobt. Der betritt das Schlafzimmer, entdeckt<br />

Hans und schießt sofort. Dann richtete er die Waffe gegen sich selbst.<br />

Anschließend wollte sich Paul auch erschießen, aber Hilde und eine zufällig<br />

anwesende Freundin (Elli) nahmen ihm die Waffe ab. Beim Entreffen<br />

des von Hilde gerufenen Arztes Dr. Freund (Halskestraße 7) um sieben Uhr<br />

morgens ist Hans bereits tot. Der Schuss war in das Gehirn an der rechten<br />

Seite eingedrungen und hatte auch die Schlagader verletzt. Günther<br />

traf sich in die rechte Schläfengegend und "röchelte noch".<br />

Die beiden Toten wurden zunächst in die Leichenhalle des Friedhofes<br />

<strong>Steglitz</strong> (Bergstraße) gebracht, wo sie obduziert wurden. Dafür schickte<br />

die Friedhofsverwaltung am 9. Juli 1927 eine Rechnung an das Gericht und<br />

am 4. November 1927 nochmals eine Mahnung. Die Beerdigungsscheine<br />

waren schon am 29. Juni 1927 ausgestellt worden. Leider ist auf ihnen<br />

nicht vermerkt, wo Günther und Hans bestattet wurden. (Sollte ein Leser<br />

dies wissen, bittet der <strong>Heimatverein</strong> sehr herzlich um Nachricht).<br />

Der Prozess<br />

Paul Krantz wurde am 1. Juli 1927, also drei Tage später unter dem Verdacht<br />

verhaftet, Hans Stephan aus Eifersucht erschossen zu haben. Dass<br />

Günther sich selbst erschossen hatte, war kriminaltechnisch geklärt worden.<br />

Zunächst war angenommen worden, Paul hätte beide umgebracht.<br />

Aus der Untersuchungshaft heraus schrieb Paul am 15. November 1927 an<br />

seinen Freund Heinz:<br />

"... Ich bin schon fünf Monate in Haft, ... ich glaube Dir nicht erst versichern<br />

zu brauchen, daß ich unschuldig bin. Mein Zustand ist furchtbar, doch darf<br />

ich mich nicht der Verzweiflung überlassen. ... Es ist schrecklich ... Ich kann<br />

jeden Trost gebrauchen ... Es grüßt Dich vielmals herzlich Dein unglücklicher<br />

Freund Paul."<br />

Der Prozess unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Duft begann am<br />

9.2.1928 vor dem Schwurgerichts des Landgerichts II in Moabit. Die<br />

empörte, aber auch sensationslüsternde Öffentlichkeit verfolgte das Verfahren<br />

gespannt. Man fragte sich, wie es wohl um "die Jugend" steht, die<br />

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Bei den Dreharbeiten: (von links nach rechts) Daniel Brühl als Paul und August Diehl als Günther mit<br />

Regisseur Achim von Borries, Foto: www.just-publicity.de<br />

sich betrinkt, raucht, viel zu früh Sex hat und sich gegenseitig totschießt?<br />

Wie führt man sie auf die Tugendpfade des Anstands und der Moral zurück?<br />

Journalisten und Korrespondenten aus vielen europäischen Ländern<br />

waren eigens angereist, einige kamen sogar aus Japan und den USA. Die<br />

Zeitungen berichteten fast täglich in großer Aufmachung und die Lankwitzer<br />

Nachrichten schrieben am 14.2.1928 von "Liebe in ihren schrankenlosen<br />

Ausartungen".<br />

Hilde, aber auch Paul werden detailliert über ihr Liebesleben befragt. Vor<br />

Gericht ging es hoch her. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Richter<br />

legt Pauls Rechtsanwalt Dr. Dr. Erich Frey, der ohne Honorar arbeitete, sein<br />

Mandat nieder. Paul Krantz erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch.<br />

Drei Tage später nahm der Staranwalt sein Mandat wieder auf. Er hatte<br />

seine Kanzlei über dem Cafe Josty am Potsdamer Platz und war auch Verteidiger<br />

des Massenmörders Haarmann. Einer der Gutachter war u.a. der<br />

Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld. Er stufte Krantz nicht als Psychophat<br />

ein, aber als einen von der Norm abweichender Menschen. Der<br />

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