STEGLITZER HEIMAT - Heimatverein Steglitz
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Sein Interesse galt von jeher militärischen und politischen Fragen. Schon<br />
während der Schulzeit besuchte er politische Versammlungen und hörte<br />
in Berlin Vorträge bei Prof. Hoetzsch2 und anderen. So waren Neigung und<br />
Einsatz nicht ausschließlich schulischen Fächern zugewandt. Dies war<br />
auch der Grund, dass er bei gefährdeter Versetzung zum Helmholtz-<br />
Gymnasium überwechselte, nur ½ Jahr verlor und im Herbst 1923 sein<br />
Abitur machte. B. steckte in keiner sehr gesunden Haut, wurde auf Fahrten<br />
oft durch schmerzhafte Nierenkoliken geplagt, bis die kranke Niere entfernt<br />
wurde. Damit drohte sein Wunsch, Offizier zu werden, am ärztlichen<br />
Einspruch zu scheitern. Durch eine Sondergenehmigung des damaligen<br />
Chefs der Heeresleitung, General von Seeckt3 , gelang es doch, und er trat<br />
am 1.10.1923 als Offizieranwärter in das 9. (preuß.) Infanterie-Regiment in<br />
Potsdam ein. ... Im Kriege nahm er an einer verkürzten Generalstabsausbildung<br />
teil. Nach zweimaliger Verwundung im Polen- und Frankreichfeldzug<br />
wurde er als 2. Generalstabsoffizier einer Division zu Beginn des<br />
Russlandfeldzuges erneut verwundet; er blieb an der Front und verschleppte<br />
dadurch wohl eine normale Ausheilung seiner Beinverwundung.<br />
Er musste dann über ein Jahr im Oskar-Helene-Heim auskuriert werden,<br />
ging aber auch nach seiner Entlassung noch an Krücken und konnte nur<br />
noch im Heimatkriegsgebiet eingesetzt werden. ...<br />
Wie die meisten seiner Kameraden stimmte er der von Hitler versprochenen<br />
Demontage des Versailler Vertrages zu, hielt auch den Anschluss<br />
Österreichs und des Sudetenlandes für vertretbar, obwohl ihm im Februar<br />
1938 bei der Fritsch-Krise4 Zweifel kamen. Aber früher als wir anderen<br />
erkannte er die Tragik unserer Generation, dass wir in gutem Glauben,<br />
2 gemeint ist vermutlich der Mentor der deutschen Russlandkunde Prof. Dr. Otto<br />
Hoetzsch, seit 1913 Professor in Berlin (geb. 14.2.1876 in Leipzig / gest. 27.8.1946 in<br />
Berlin; Grab Invalidenfriedhof)<br />
3 Hans von Seeckt, 1920 - 26 Kopf der deutschen Armee (geb. 22.4.1866 in Schleswig<br />
/ gest. 27.12.1936 in Berlin)<br />
4 Als Hitler seinen Militärs 1938 seine Kriegspläne darlegte, meldeten der Oberbefehlshaber<br />
der Wehrmacht Werner von Blomberg (geb. 2.9.1878 in Blomberg / gest.<br />
22.3.1946 im US-Lazarett in Nürnberg) und der Oberbefehlshaber des Heeres Werner<br />
Freiherr von Fritsch (geb. 4.8.1880 bei Düsseldorf / gefallen 22.9.1939 bei Warschau)<br />
Bedenken an. Wegen dieser Kritik verloren beide am 4.2.1938 ihre Posten. Fritsch wurde<br />
der Homosexualität beschuldigt, Blomberg die Ehe mit einer ehemaligen Prostituierten<br />
zur Last gelegt. Diese Umstände gingen als Blomberg-Fritsch-Krise in die Geschichte<br />
ein.<br />
40<br />
unserm Vaterlande zu dienen,<br />
von einem System missbraucht<br />
wurden, das Unrecht beging und<br />
uns und ganz Europa in namenloses<br />
Unglück stürzte.<br />
B. war mit Henning von Tresckow 5<br />
befreundet, der, wie wir heute wissen,<br />
Hitler nicht nur für den Erzfeind<br />
Deutschlands, sondern<br />
auch für den Erzfeind der Welt<br />
hielt. Durch Tresckow, eine<br />
Schlüsselfigur des deutschen Widerstandes,<br />
wurde Boehmer 1943<br />
für die Widerstandsbewegung<br />
gewonnen. Sein Name stand auf<br />
einer Liste derer, die nach einem<br />
Umsturz für eine bestimmte Verwendung<br />
vorgesehen waren; so<br />
wurde er nach dem missglückten<br />
Attentat am 20. Juli 1944 festgenommen.<br />
Um die Soldaten gleichfalls<br />
vor dem Volksgerichtshof aburteilen<br />
zu können, wurden die<br />
Hasso von Boehmer, Foto: Gedenkstätte deutscher<br />
Widerstand, Berlin<br />
Offiziere durch einen "Ehrenhof des Heeres" aus der Wehrmacht ausgeschlossen.<br />
Nach monatelanger Haft in der Lehrter Straße, während der ihn<br />
seine Frau mehrfach besuchen konnte, fand am 5. März 1945 der Prozess<br />
vor dem Volksgerichtshof statt, und am gleichen Tage wurde er in Plötzensee<br />
hingerichtet. Wie er seiner Frau gegenüber zum Ausdruck gebracht<br />
hat, war ihm klar, dass er mit einem Todesurteil zu rechnen hatte.<br />
Bodo Scheurig lässt in seinem Buch "Henning von Tresckow" diesen sagen:<br />
"Das Attentat muß erfolgen. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen<br />
Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung<br />
vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf<br />
gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig" und "der sittliche Wert<br />
eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung<br />
5: Henning von Tresckow, geb. 10.1.1901 in Magdeburg / 21.7.1944 Selbstmord an der<br />
Front bei Ostrow (Russland)<br />
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