35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die StraÃe - Bundesanzeiger Verlag
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gelten in Deutschland immer <strong>die</strong> Pflichten<br />
gemäß GGVSEB, sofern im ADR Pflichten festgelegt<br />
sind, <strong>die</strong> in der GGVSEB abweichend<br />
geregelt sind. Das gilt auch für Handlungen,<br />
<strong>die</strong> nicht in Deutschland gesetzt wurden; so<br />
wird z.B. ein österreichischer Absender in<br />
Deutschland nach der deutschen GGVSEB<br />
verfolgt. Umgekehrt wird ein deutscher<br />
Absender in Österreich nach dem österreichischen<br />
GGBG verfolgt. Hier hat es schon<br />
so manche Überraschung gegeben.<br />
Beispiel 1: Absender<br />
Erster „Hauptbeteiligter“ eines Transports<br />
gefährlicher Güter auf der Straße gemäß<br />
ADR ist der Absender; er löst den Transport<br />
unmittelbar aus. Schon <strong>die</strong> Bestimmung des<br />
Begriffs „Absender“ im ADR ist in der deutschen<br />
Übersetzung verunglückt: „Absender“<br />
(„expéditeur“, „consignor“) soll nämlich das<br />
Unternehmen sein, das<br />
selbst oder<br />
für einen Dritten<br />
gefährliche Güter „versendet“ („expé<strong>die</strong>“,<br />
„consigns“); erfolgt <strong>die</strong> Beförderung auf<br />
Grund eines Beförderungsvertrages, soll<br />
als Absender der Absender gemäß <strong>die</strong>ses<br />
Vertrages gelten.<br />
In der deutschen Übersetzung werden<br />
also <strong>die</strong> Begriffe „absenden“ und „versenden“<br />
gleichgesetzt, was speditions- und<br />
frachtvertragrechtlich unzutreffend ist (vgl.<br />
HGB, §§ 407, 453). Für <strong>die</strong> gewerbliche<br />
Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr<br />
gilt das Übereinkommen über<br />
den Beförderungsvertrag im internationalen<br />
Straßengüterverkehr (CMR), das ein Jahr älter<br />
ist als das ADR. Danach ist der Absender<br />
der Auftraggeber des Beförderers; es ist das<br />
Unternehmen, das im CMR-Frachtbrief im<br />
Feld 1 „Absender“ eingetragen ist. Überwiegend<br />
handelt es sich dabei um eine<br />
Spedition. Diese wiederum beauftragt <strong>die</strong><br />
Beförderung nur, weil sie dazu von einem<br />
Dritten beauftragt wurde. Im deutschen<br />
Rechtsbereich werden <strong>die</strong>se Rechtsfiguren<br />
mit den Begriffen „Versender“ (= Auftraggeber<br />
des Absenders) und „Absender“ (=<br />
Auftraggeber des Beförderers) differenziert.<br />
Der Auftraggeber des Absenders kommt<br />
auch im ADR vor, allerdings nur mit einer<br />
einzigen Pflicht, nämlich den Absender auf<br />
das gefährliche Gut schriftlich hinzuweisen<br />
und ihm alle Auskünfte und Dokumente, <strong>die</strong><br />
zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich<br />
sind, zur Verfügung zu stellen.<br />
Das Absenden gefährlicher Güter löst<br />
gemäß ADR nicht <strong>die</strong> Pflicht zur Benennung<br />
eines Sicherheitsberaters („Gefahrgutbeauftragten“)<br />
aus; <strong>die</strong>se besteht nur für <strong>die</strong><br />
physischen Tätigkeiten Befördern, Verpacken,<br />
Beladen, Befüllen und Entladen; das ist in<br />
Deutschland durch <strong>die</strong> Gefahrgutbeauftragtenverordnung<br />
anders. Diese Lücke im ADR<br />
wirkt sich fatal aus: Die meisten Länder in<br />
Europa machen nur das, was sie gemäß ADR<br />
machen müssen: In <strong>die</strong>sen Ländern müssen<br />
deshalb Unternehmen, <strong>die</strong> „nur“ Absender<br />
sind, keinen Sicherheitsberater („Gefahrgutbeauftragten“)<br />
benennen. In <strong>die</strong>sen<br />
Unternehmen muss sich daher niemand qua<br />
Gesetz professionell um Arbeitsanleitungen,<br />
Schulungen und Kontrollen kümmern. Allerdings<br />
haben das <strong>die</strong> großen internationalen<br />
Logistikkonzerne durch interne Regelungen<br />
anders geregelt; ansonsten könnte eine ordnungsgemäße<br />
Gefahrgutabfertigung auch<br />
gar nicht gewährleistet werden.<br />
Gemäß ADR ist der Absender gefährlicher<br />
Güter verpflichtet, dem Beförderer <strong>die</strong><br />
erforderlichen Beförderungspapiere unter<br />
Berücksichtigung insbesondere der Vorschriften<br />
des Kapitels 5.4 des ADR zu liefern. Tut<br />
er das nicht, handelt er ordnungswidrig und<br />
riskiert in Deutschland ein Bußgeld von in der<br />
Regel 500,– €. Da es sich um einen Verstoß<br />
der Gefahrenkategorie I („schwer“) handelt,<br />
ist bei einer polizeilichen Unterwegskontrolle<br />
<strong>die</strong> Weiterfahrt bis zur Behebung des Mangels<br />
zu untersagen: Der Lkw bleibt stehen.<br />
Üblich ist aber, und das in ganz Europa, dass<br />
bei Speditionen <strong>die</strong> Aufträge arbeitstäglich<br />
telefonisch oder per Datenfernübertragung<br />
eingehen. Die unterwegs befindlichen Fahrer<br />
erhalten <strong>die</strong>se Abholaufträge telefonisch<br />
oder über mobile Datenkommunikation in<br />
ihre Fahrzeuge übermittelt. Es ist aus zeitlichen<br />
und technischen Gründen nicht möglich,<br />
dass der Absender (= i.d.R. Spediteur)<br />
zuerst dem Beförderer („Subunternehmer“)<br />
das Beförderungspapier übermittelt und<br />
dann der Beförderer dem Fahrer, wie es im<br />
ADR bzw. in der GGVSEB aber vorgesehen<br />
ist. Der Absender ist vielmehr darauf angewiesen,<br />
dass sein Auftraggeber (Kunde) auf<br />
freiwilliger Basis dem Fahrer ein Beförderungspapier<br />
(z.B. Speditionsauftrag, Lieferschein)<br />
mit den notwendigen Informationen<br />
aushändigt. Das funktioniert aber wiederum<br />
nicht bei der Lieferklausel „ab Werk“, weil<br />
hier i.d.R. der Empfänger der Auftraggeber<br />
ist und sein Lieferant der Verlader/Befüller,<br />
der mit dem Beförderungspapier formal<br />
nichts zu tun hat. Formalrechtlich haftet<br />
der Absender für das komplette Fehlen des<br />
Beförderungspapiers und alle Unrichtig- oder<br />
Unvollständigkeiten in einem vorhandenen<br />
Beförderungspapier. Sachgerecht wäre es, <strong>die</strong><br />
Pflicht betreffend <strong>die</strong> Übergabe des Gefahrgutbeförderungspapiers<br />
dem Verlader bzw.<br />
Befüller, also dem physischen Besitzer des<br />
Gefahrguts, zu übertragen; er wird ja wohl<br />
am besten wissen, was er verlädt bzw. befüllt.<br />
Ein Spediteur hat regelmäßig keine Chance,<br />
bei Abholungen <strong>die</strong> Beförderungspapiermitgabepflicht<br />
gegenüber dem Beförderer oder<br />
Fahrer zu erfüllen; das bedeutet für ihn ein<br />
großes Risiko.<br />
Gemäß ADR ist der Absender gefährlicher<br />
Güter weiter verpflichtet, eine den Vorschriften<br />
des ADR entsprechende Sendung<br />
zur Beförderung zu „übergeben“ („hand<br />
over“). Diese Pflicht widerspricht schon<br />
der Definition des Begriffs „Absender“: Die<br />
„Übergabe“ („hand over“) einer Sendung<br />
zur Beförderung ist nicht Sache des Absenders,<br />
sondern des Verladers bzw. Befüllers.<br />
Das ADR fordert vom Absender weiter,<br />
dass er nur<br />
Verpackungen<br />
Großverpackungen<br />
Großpackmittel<br />
Tanks (Tankfahrzeuge, Aufsetztanks, Batteriefahrzeuge,<br />
MEGC, ortsbewegliche<br />
Tanks und Tankcontainer)<br />
„verwenden“ („use“) darf, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beförderung<br />
der betreffenden Güter „zugelassen“<br />
(„approved“) ( „zulässig“) und „geeignet“<br />
(„suitable“) sowie mit den im ADR vorgeschriebenen<br />
Kennzeichnungen versehen<br />
sind. Auch <strong>die</strong>se Pflicht ist nicht absendergerecht:<br />
Der Absender „verwendet“ nicht<br />
Umschließungsmittel, er beauftragt deren<br />
Beförderung. Deutschland hat <strong>die</strong>se Pflicht<br />
aus dem ADR in <strong>die</strong> GGVSEB in modifizierter<br />
Form übernommen: Der Absender hat dafür<br />
zu sorgen, dass nur Umschließungsmittel<br />
„verwendet“ werden, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beförderung<br />
der betreffenden Güter zugelassen<br />
und „geeignet“ sind; auf <strong>die</strong> Zuweisung der<br />
Pflicht betreffend <strong>die</strong> vorgeschriebene Kennzeichnung<br />
hat Deutschland verzichtet; sie ist<br />
in Deutschland allein Sache des Verpackers<br />
bzw. Befüllers. Ordnungswidrig handelt, wer<br />
als Absender nicht dafür sorgt, dass nur ein<br />
gemäß ADR zugelassenes und geeignetes<br />
Umschließungsmittel verwendet wird; der<br />
Regelbußgeldsatz beträgt 800,– €.<br />
Der Absender kann <strong>die</strong>se Pflicht de facto<br />
nicht erfüllen; Begründung:<br />
Beispiel A: Ein „Auftraggeber des Absenders“<br />
(„Versender“, Unternehmen aus Industrie,<br />
Handel, Gewerbe) beauftragt einen<br />
Absender („Spediteur“) mit der Besorgung<br />
der Versendung von 10 Feinstblechverpackungen<br />
„UN 1263 Farbe 3 III“; der Absender<br />
beauftragt einen Beförderer mit der<br />
Abholung der Sendung bei einem Verlader;<br />
nach der Verladung stellt sich bei einer polizeilichen<br />
Unterwegskontrolle heraus, dass<br />
16 GEFAHRGUT FÜR DIE PRAXIS · SONDERAUSGABE