13.01.2015 Aufrufe

35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die Straße - Bundesanzeiger Verlag

35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die Straße - Bundesanzeiger Verlag

35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die Straße - Bundesanzeiger Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gelten in Deutschland immer <strong>die</strong> Pflichten<br />

gemäß GGVSEB, sofern im ADR Pflichten festgelegt<br />

sind, <strong>die</strong> in der GGVSEB abweichend<br />

geregelt sind. Das gilt auch für Handlungen,<br />

<strong>die</strong> nicht in Deutschland gesetzt wurden; so<br />

wird z.B. ein österreichischer Absender in<br />

Deutschland nach der deutschen GGVSEB<br />

verfolgt. Umgekehrt wird ein deutscher<br />

Absender in Österreich nach dem österreichischen<br />

GGBG verfolgt. Hier hat es schon<br />

so manche Überraschung gegeben.<br />

Beispiel 1: Absender<br />

Erster „Hauptbeteiligter“ eines Transports<br />

gefährlicher Güter auf der Straße gemäß<br />

ADR ist der Absender; er löst den Transport<br />

unmittelbar aus. Schon <strong>die</strong> Bestimmung des<br />

Begriffs „Absender“ im ADR ist in der deutschen<br />

Übersetzung verunglückt: „Absender“<br />

(„expéditeur“, „consignor“) soll nämlich das<br />

Unternehmen sein, das<br />

selbst oder<br />

für einen Dritten<br />

gefährliche Güter „versendet“ („expé<strong>die</strong>“,<br />

„consigns“); erfolgt <strong>die</strong> Beförderung auf<br />

Grund eines Beförderungsvertrages, soll<br />

als Absender der Absender gemäß <strong>die</strong>ses<br />

Vertrages gelten.<br />

In der deutschen Übersetzung werden<br />

also <strong>die</strong> Begriffe „absenden“ und „versenden“<br />

gleichgesetzt, was speditions- und<br />

frachtvertragrechtlich unzutreffend ist (vgl.<br />

HGB, §§ 407, 453). Für <strong>die</strong> gewerbliche<br />

Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr<br />

gilt das Übereinkommen über<br />

den Beförderungsvertrag im internationalen<br />

Straßengüterverkehr (CMR), das ein Jahr älter<br />

ist als das ADR. Danach ist der Absender<br />

der Auftraggeber des Beförderers; es ist das<br />

Unternehmen, das im CMR-Frachtbrief im<br />

Feld 1 „Absender“ eingetragen ist. Überwiegend<br />

handelt es sich dabei um eine<br />

Spedition. Diese wiederum beauftragt <strong>die</strong><br />

Beförderung nur, weil sie dazu von einem<br />

Dritten beauftragt wurde. Im deutschen<br />

Rechtsbereich werden <strong>die</strong>se Rechtsfiguren<br />

mit den Begriffen „Versender“ (= Auftraggeber<br />

des Absenders) und „Absender“ (=<br />

Auftraggeber des Beförderers) differenziert.<br />

Der Auftraggeber des Absenders kommt<br />

auch im ADR vor, allerdings nur mit einer<br />

einzigen Pflicht, nämlich den Absender auf<br />

das gefährliche Gut schriftlich hinzuweisen<br />

und ihm alle Auskünfte und Dokumente, <strong>die</strong><br />

zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich<br />

sind, zur Verfügung zu stellen.<br />

Das Absenden gefährlicher Güter löst<br />

gemäß ADR nicht <strong>die</strong> Pflicht zur Benennung<br />

eines Sicherheitsberaters („Gefahrgutbeauftragten“)<br />

aus; <strong>die</strong>se besteht nur für <strong>die</strong><br />

physischen Tätigkeiten Befördern, Verpacken,<br />

Beladen, Befüllen und Entladen; das ist in<br />

Deutschland durch <strong>die</strong> Gefahrgutbeauftragtenverordnung<br />

anders. Diese Lücke im ADR<br />

wirkt sich fatal aus: Die meisten Länder in<br />

Europa machen nur das, was sie gemäß ADR<br />

machen müssen: In <strong>die</strong>sen Ländern müssen<br />

deshalb Unternehmen, <strong>die</strong> „nur“ Absender<br />

sind, keinen Sicherheitsberater („Gefahrgutbeauftragten“)<br />

benennen. In <strong>die</strong>sen<br />

Unternehmen muss sich daher niemand qua<br />

Gesetz professionell um Arbeitsanleitungen,<br />

Schulungen und Kontrollen kümmern. Allerdings<br />

haben das <strong>die</strong> großen internationalen<br />

Logistikkonzerne durch interne Regelungen<br />

anders geregelt; ansonsten könnte eine ordnungsgemäße<br />

Gefahrgutabfertigung auch<br />

gar nicht gewährleistet werden.<br />

Gemäß ADR ist der Absender gefährlicher<br />

Güter verpflichtet, dem Beförderer <strong>die</strong><br />

erforderlichen Beförderungspapiere unter<br />

Berücksichtigung insbesondere der Vorschriften<br />

des Kapitels 5.4 des ADR zu liefern. Tut<br />

er das nicht, handelt er ordnungswidrig und<br />

riskiert in Deutschland ein Bußgeld von in der<br />

Regel 500,– €. Da es sich um einen Verstoß<br />

der Gefahrenkategorie I („schwer“) handelt,<br />

ist bei einer polizeilichen Unterwegskontrolle<br />

<strong>die</strong> Weiterfahrt bis zur Behebung des Mangels<br />

zu untersagen: Der Lkw bleibt stehen.<br />

Üblich ist aber, und das in ganz Europa, dass<br />

bei Speditionen <strong>die</strong> Aufträge arbeitstäglich<br />

telefonisch oder per Datenfernübertragung<br />

eingehen. Die unterwegs befindlichen Fahrer<br />

erhalten <strong>die</strong>se Abholaufträge telefonisch<br />

oder über mobile Datenkommunikation in<br />

ihre Fahrzeuge übermittelt. Es ist aus zeitlichen<br />

und technischen Gründen nicht möglich,<br />

dass der Absender (= i.d.R. Spediteur)<br />

zuerst dem Beförderer („Subunternehmer“)<br />

das Beförderungspapier übermittelt und<br />

dann der Beförderer dem Fahrer, wie es im<br />

ADR bzw. in der GGVSEB aber vorgesehen<br />

ist. Der Absender ist vielmehr darauf angewiesen,<br />

dass sein Auftraggeber (Kunde) auf<br />

freiwilliger Basis dem Fahrer ein Beförderungspapier<br />

(z.B. Speditionsauftrag, Lieferschein)<br />

mit den notwendigen Informationen<br />

aushändigt. Das funktioniert aber wiederum<br />

nicht bei der Lieferklausel „ab Werk“, weil<br />

hier i.d.R. der Empfänger der Auftraggeber<br />

ist und sein Lieferant der Verlader/Befüller,<br />

der mit dem Beförderungspapier formal<br />

nichts zu tun hat. Formalrechtlich haftet<br />

der Absender für das komplette Fehlen des<br />

Beförderungspapiers und alle Unrichtig- oder<br />

Unvollständigkeiten in einem vorhandenen<br />

Beförderungspapier. Sachgerecht wäre es, <strong>die</strong><br />

Pflicht betreffend <strong>die</strong> Übergabe des Gefahrgutbeförderungspapiers<br />

dem Verlader bzw.<br />

Befüller, also dem physischen Besitzer des<br />

Gefahrguts, zu übertragen; er wird ja wohl<br />

am besten wissen, was er verlädt bzw. befüllt.<br />

Ein Spediteur hat regelmäßig keine Chance,<br />

bei Abholungen <strong>die</strong> Beförderungspapiermitgabepflicht<br />

gegenüber dem Beförderer oder<br />

Fahrer zu erfüllen; das bedeutet für ihn ein<br />

großes Risiko.<br />

Gemäß ADR ist der Absender gefährlicher<br />

Güter weiter verpflichtet, eine den Vorschriften<br />

des ADR entsprechende Sendung<br />

zur Beförderung zu „übergeben“ („hand<br />

over“). Diese Pflicht widerspricht schon<br />

der Definition des Begriffs „Absender“: Die<br />

„Übergabe“ („hand over“) einer Sendung<br />

zur Beförderung ist nicht Sache des Absenders,<br />

sondern des Verladers bzw. Befüllers.<br />

Das ADR fordert vom Absender weiter,<br />

dass er nur<br />

Verpackungen<br />

Großverpackungen<br />

Großpackmittel<br />

Tanks (Tankfahrzeuge, Aufsetztanks, Batteriefahrzeuge,<br />

MEGC, ortsbewegliche<br />

Tanks und Tankcontainer)<br />

„verwenden“ („use“) darf, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beförderung<br />

der betreffenden Güter „zugelassen“<br />

(„approved“) ( „zulässig“) und „geeignet“<br />

(„suitable“) sowie mit den im ADR vorgeschriebenen<br />

Kennzeichnungen versehen<br />

sind. Auch <strong>die</strong>se Pflicht ist nicht absendergerecht:<br />

Der Absender „verwendet“ nicht<br />

Umschließungsmittel, er beauftragt deren<br />

Beförderung. Deutschland hat <strong>die</strong>se Pflicht<br />

aus dem ADR in <strong>die</strong> GGVSEB in modifizierter<br />

Form übernommen: Der Absender hat dafür<br />

zu sorgen, dass nur Umschließungsmittel<br />

„verwendet“ werden, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beförderung<br />

der betreffenden Güter zugelassen<br />

und „geeignet“ sind; auf <strong>die</strong> Zuweisung der<br />

Pflicht betreffend <strong>die</strong> vorgeschriebene Kennzeichnung<br />

hat Deutschland verzichtet; sie ist<br />

in Deutschland allein Sache des Verpackers<br />

bzw. Befüllers. Ordnungswidrig handelt, wer<br />

als Absender nicht dafür sorgt, dass nur ein<br />

gemäß ADR zugelassenes und geeignetes<br />

Umschließungsmittel verwendet wird; der<br />

Regelbußgeldsatz beträgt 800,– €.<br />

Der Absender kann <strong>die</strong>se Pflicht de facto<br />

nicht erfüllen; Begründung:<br />

Beispiel A: Ein „Auftraggeber des Absenders“<br />

(„Versender“, Unternehmen aus Industrie,<br />

Handel, Gewerbe) beauftragt einen<br />

Absender („Spediteur“) mit der Besorgung<br />

der Versendung von 10 Feinstblechverpackungen<br />

„UN 1263 Farbe 3 III“; der Absender<br />

beauftragt einen Beförderer mit der<br />

Abholung der Sendung bei einem Verlader;<br />

nach der Verladung stellt sich bei einer polizeilichen<br />

Unterwegskontrolle heraus, dass<br />

16 GEFAHRGUT FÜR DIE PRAXIS · SONDERAUSGABE

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!