35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die StraÃe - Bundesanzeiger Verlag
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sicher aufgefallen, und <strong>die</strong> Beladung<br />
wäre unterblieben.<br />
Die Pflicht ist nicht, jedenfalls nicht ordnungswidrigkeitenrechtlich<br />
wirksam, auf<br />
Dritte, z.B. den Beförderer, delegierbar.<br />
Begründung: Die Formulierung lautet<br />
nicht „der Verlader hat dafür zu sorgen,<br />
dass …“, sondern „der Verlader hat …“.<br />
Anderslautende privatvertragliche Vereinbarungen<br />
mit Dritten, z.B. im Speditionsgewerbe<br />
mit Subunternehmern, sind<br />
ordnungswidrigkeitenrechtlich unwirksam.<br />
Den „Vertrauensgrundsatz“ wie bei anderen<br />
Vorschriften gibt es hier nicht.<br />
Die Frage der Häufigkeit der Kontrollen<br />
wird in Europa unterschiedlich beantwortet.<br />
Die für das ADR bei der Wirtschaftskommission<br />
für Europa der Vereinten<br />
Nationen zuständige Arbeitsgruppe 15<br />
meint: „Vehicles should be inspected<br />
before each loading“ (Protokoll der 81.<br />
Sitzung 25. bis 27.10.2006, lfd. Nr. 13). Das<br />
deutsche Richterrecht sagt: „Es ist nichts<br />
dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber in<br />
Unterabschnitt 7.5.1.2 ADR bloß sporadische<br />
Kontrollen und Sichtprüfungen vorausgesetzt<br />
hat“ (Thüringer OLG, Beschluss<br />
vom 14.10.2005, 1 Ss 34/05). Anders<br />
Österreich: „Jedoch ist aus Abschnitt 7.5.1<br />
kein Erfordernis für lückenlose Kontrollen<br />
ableitbar“.<br />
Die Erfüllung der Pflicht ist auf Verlangen<br />
nachzuweisen. Das wird i.d.R. durch<br />
Checklisten gewährleistet. Wegen der<br />
Verfolgungsverjährungsfrist bei Verstößen<br />
gegen Gefahrgutrechtsvorschriften (§ 10<br />
(4) GGBefG i.V.m. § 31 (2) Nr. 1 OWiG)<br />
müssen <strong>die</strong> Checklisten in Deutschland<br />
drei <strong>Jahre</strong> aufbewahrt werden.<br />
Die Pflicht zu Kontrollen und Sichtprüfungen<br />
wurde im Jahr 1997 in das ADR aufgenommen<br />
trifft in gleicher Weise den Befüller<br />
betrifft auch Verlader/Befüller im Ausland<br />
ist für den Verlader und den Befüller mit<br />
großem Aufwand verbunden.<br />
Das betroffene Gewerbe wünscht sich eine<br />
präzisere Formulierung der Vorschrift (was ist<br />
genau wie oft gewollt) und eine flexiblere<br />
Delegierbarkeit.<br />
Eine der Vorschriften für <strong>die</strong> Handhabung ist<br />
<strong>die</strong> Sicherung der Ladung: Gemäß ADR muss<br />
<strong>die</strong> Ladung so gesichert werden, dass eine<br />
Beschädigung der Versandstücke verhindert<br />
wird. Hier legen <strong>die</strong> zuständigen Überwachungsorgane,<br />
vor allem in Deutschland und<br />
Österreich, sehr strenge Maßstäbe an. Die<br />
deutsche GGVSEB verpflichtet den Verlader<br />
und den Fahrer; Versuche des Bundes, das<br />
Verbindungswort „und“ in „oder“ zu ändern,<br />
scheitern regelmäßig am Widerstand der<br />
Bundesländer (vgl. Bundesrat-Drucksache<br />
642/06 (Beschluss)). Durch <strong>die</strong> Erweiterung<br />
der Bestimmung des Begriffs des Verladers<br />
gemäß ADR durch <strong>die</strong> GGVSEB ist <strong>die</strong> kuriose<br />
Situation entstanden, dass auch ein Unternehmen,<br />
das einem Fahrer ein Gefahrgut<br />
zur Beförderung übergibt, aber nicht selbst<br />
belädt, für <strong>die</strong> Sicherung der Ladung verantwortlich<br />
gemacht wird. Im speditionellen<br />
Nahverkehr ist es branchenüblich, dass <strong>die</strong><br />
Fahrer der Subunternehmer ihre Fahrzeuge<br />
in den Umschlagterminals morgens für <strong>die</strong><br />
Verteilertouren selber beladen. Auch dann,<br />
wenn der Betreiber des Umschlagterminals<br />
an der physischen Beladung des Ladegefäßes<br />
(Lkw, Container) gar nicht beteiligt war, wird<br />
er für Beanstandungen an der Ladungssicherung<br />
mitverantwortlich gemacht (500,– €).<br />
Das wird von der betroffenen Branche als<br />
nicht sachgerecht empfunden. Umgekehrt<br />
wird ein Fahrer auch dann für mangelhafte<br />
Ladungssicherung haftbar gemacht, wenn er<br />
an der Beladung des Ladegefäßes gar nicht<br />
mitgewirkt hat. Im speditionellen Sammelladungsverkehr<br />
wird überwiegend mit austauschbaren<br />
Ladungsträgern, so genannten<br />
Wechselbehältern, gearbeitet. Es ist branchenüblich,<br />
dass am späten Nachmittag<br />
und frühen Abend <strong>die</strong>se Behälter in den<br />
Umschlagterminals von Mitarbeitern der<br />
Umschlagterminals beladen und am späten<br />
Abend von den Fahrern für <strong>die</strong> Fernfahrt abgeholt<br />
werden. Wenn der Fahrer am Umschlagterminal<br />
eintrifft, um <strong>die</strong> Behälter abzuholen,<br />
sind <strong>die</strong> Behälter bereits fix und fertig beladen<br />
und i.d.R. auch verplombt. Stellt sich dann<br />
bei einer nächtlichen polizeilichen Unterwegskontrolle<br />
ein Mangel an der Sicherung der<br />
Ladung heraus, wird dafür auch der Fahrer<br />
haftbar gemacht (vgl. AG Offenbach am Main,<br />
Beschluss vom 16.04.2002, 29 OWi 1100 Js:<br />
„Eine werkseitig angebrachte Plombe befreit<br />
den Fahrer nicht von dem Vorwurf einer mangelnden<br />
Ladungssicherung“) (300,– €). Noch<br />
fataler ist <strong>die</strong> Situation bei der Beförderung<br />
von Importcontainern aus Übersee. Selbstverständlich<br />
ist es dem Fahrer vertraglich untersagt,<br />
eine Plombe oder ein Siegel an einem<br />
Container zu öffnen, nur um sich von der Ordnungsgemäßheit<br />
der Ladungssicherung zu<br />
überzeugen. Die Unversehrtheit der Plombe<br />
oder des Siegels ist der Beweis, dass der<br />
Fahrer im Fall fehlender Ladungsteile mit dem<br />
Fehlen oder im Fall überzähliger Ladungsteile<br />
(z.B. Rauschgift) mit der Überzähligkeit nichts<br />
zu tun haben kann. Die Verhältnisse in den<br />
Containerterminals der Seehäfen lassen ein<br />
Öffnen der Container vor Übernahme durch<br />
den Fahrer auch gar nicht zu.<br />
Von den Betroffenen wird <strong>die</strong> derzeitige<br />
Regelung als „Sippenhaftung“ empfunden.<br />
Durch <strong>die</strong> derzeitige Formulierung „der<br />
Verlader hat …“ (und nicht „der Verlader<br />
hat dafür zu sorgen, dass …“) ist eine Delegation<br />
der Pflicht auf Dritte, jedenfalls ordnungswidrigkeitenrechtlich<br />
wirksam, nicht<br />
möglich; entsprechende privatvertragliche<br />
Vereinbarungen zwischen „Verladern“ und<br />
ihren Subunternehmern sind insofern unwirksam.<br />
Eine Alternative wäre, <strong>die</strong> Bestimmung<br />
in „der Verlader gemäß Paragraf 2 Nummer<br />
3 Satz 1 GGVSEB hat …“ umzuformulieren;<br />
dann wäre von der Vorschrift nur der tatsächliche,<br />
physische Belader erfasst.<br />
Weitere Beispiele<br />
Gemäß ADR muss der Beförderer prüfen,<br />
ob <strong>die</strong> zu befördernden gefährlichen Güter<br />
gemäß ADR überhaupt zur Beförderung<br />
zugelassen sind; gemäß GGVSEB muss er<br />
das nicht.<br />
Gemäß ADR (und GGVSEB) darf der Verlader<br />
dem Beförderer gefährliche Güter nur<br />
übergeben, wenn sie gemäß ADR zur Beförderung<br />
zugelassen sind; der Befüller muss<br />
das gemäß ADR nicht, wohl aber gemäß<br />
GGVSEB. Warum wird derselbe Sachverhalt<br />
unterschiedlich gehandhabt<br />
Fazit<br />
Regeln für den Transport von Gütern, insbesondere<br />
für den Transport gefährlicher Güter,<br />
müssen sein; das steht außer Frage. Dass<br />
Verbesserungen möglich sind, zeigt das Beispiel<br />
der vom internationalen Transport- und<br />
Speditionsgewerbe initiierten Umstellung<br />
des Systems der Unfallmerkblätter mit dem<br />
ADR 2009. Eindeutige, nicht interpretationsbedürftige<br />
Formulierungen des Gewollten,<br />
eine sachgerechte Zuordnung von Pflichten<br />
zu Beteiligten und <strong>die</strong> Zulässigkeit der wirksamen<br />
Delegation auf Dritte würden <strong>die</strong><br />
Akzeptanz der Regeln erhöhen – und damit<br />
<strong>die</strong> Sicherheit. •<br />
18 GEFAHRGUT FÜR DIE PRAXIS · SONDERAUSGABE