35 Jahre Gefahrgutvorschriften für die StraÃe - Bundesanzeiger Verlag
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Michael Kubenz<br />
Inhaber und Geschäftsführer der<br />
Firma Kube & Kubenz Internationale<br />
Speditions- und Logistikgesellschaft<br />
mbH & Co. KG, Hamburg, Vizepräsident<br />
im DSLV Deutscher Speditionsund<br />
Logistikverband e. V., Bonn.<br />
Kosteneinsparungspotenziale<br />
bei konsequenter Anwendung<br />
der <strong>Gefahrgutvorschriften</strong> in<br />
der betrieblichen Praxis<br />
1. Gesetze als Grundlagen unserer<br />
Gesellschaft<br />
Gesetze <strong>die</strong>nen seit alters her dazu, den<br />
Mitgliedern einer Gesellschaft Werte und<br />
Normen, <strong>die</strong> das tragende Fundament <strong>die</strong>ser<br />
Gemeinschaft bilden, zu vermitteln.<br />
Das beste Beispiel sind <strong>die</strong> 10 Gebote, <strong>die</strong><br />
Moses vom Berg Sinai mitbrachte. Auch im<br />
Römischen Reich gab es ein geschriebenes<br />
Recht, das zum Beispiel heute noch Bestand<br />
im Vertragsrecht hat. Bei der Erweiterung der<br />
Europäischen Union muss jeder Beitrittskandidat<br />
erklären, dass er den Acquis communautaire<br />
akzeptiert und seine nationalen<br />
Gesetze an <strong>die</strong>sen Acquis anpasst. Unterstellt<br />
wird, dass sich das beitrittswillige Land zum<br />
Beispiel zu christlichen Werten verpflichtet<br />
fühlt, <strong>die</strong> so explizit gar nicht im Acquis gefordert<br />
werden. Dies ist übrigens auch einer der<br />
Gründe, warum <strong>die</strong> EU Schwierigkeiten mit<br />
der Aufnahme eines muslimischen Landes<br />
wie der Türkei hat.<br />
Solche tra<strong>die</strong>rten Werte haben auch im<br />
Berufsleben eine lange Geschichte, geprägt<br />
durch Ständeorganisation, Zünfte und Ausbildung.<br />
Ein schönes Beispiel ist <strong>die</strong> Seemannschaft.<br />
Jeder, der zur See fährt, kennt<br />
<strong>die</strong> Gefahren der Seefahrt und lernt, damit<br />
umzugehen. Es muss daher kein Schild an<br />
der Reling stehen: „Achtung, hier beginnt<br />
das Meer! Es besteht Lebensgefahr“. Auch<br />
bei den Fuhrleuten kennt man solche Traditionen.<br />
Bekannt ist der Fuhrmannseid aus<br />
dem <strong>Jahre</strong> 1601: „Ich schwöre einen Eid zu<br />
Gott, dass ich das Gut, das mir zu fahren<br />
aufgeladen wird, für billig-mäßige Belohnung<br />
dahin fahren, treulich verwahren und<br />
redlich überliefern will, kein Stück verfahren<br />
oder irgend anderswo hinbringen als mir<br />
aufgegeben ist, was mir etwa an Geld und<br />
Wechseln zurückzubringen gereicht wird,<br />
aufrichtig und ohne einzige Hinterhaltung<br />
überreichen und mich in allem so betragen<br />
will, wie einem redlichen, aufrichtigen und<br />
getreuen Fuhrmann gebührt.“ Dem Gesetzgeber<br />
war <strong>die</strong>ser Eid allerdings nicht genug.<br />
Wer heute gefährliche Güter transportieren<br />
will, muss sich daher an <strong>die</strong> <strong>Gefahrgutvorschriften</strong><br />
halten. Als Gefahrgüter bezeichnet<br />
man Stoffe und Gegenstände, von denen auf<br />
Grund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder<br />
ihres Zustandes in Zusammenhang mit der<br />
Beförderung Gefahren für <strong>die</strong> öffentliche<br />
Sicherheit und Ordnung, insbesondere für<br />
<strong>die</strong> Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter,<br />
für Leben und Gesundheit von Menschen<br />
sowie für Tiere und Sachen ausgehen können.<br />
Hierzu zählen Chemikalien, Flüssiggase,<br />
Feuerwerkskörper, Benzin und Heizöl,<br />
Düngemittel, Klinikabfälle sowie Stoffe, <strong>die</strong><br />
erst in großen Mengen gefährlich sind, wie<br />
Feuerzeuge und Sprühdosen.<br />
Gefahrgut findet sich in fast jedem Industrie-<br />
und Handwerksbetrieb: Altöle, Gase,<br />
halogenhaltige Lösemittel, Härtesalze, Laborchemikalien,<br />
Lacke und Farben, Laugen oder<br />
Säuren sind einige Beispiele. Gefährliche<br />
Güter werden in einer zunehmend technisierten<br />
Gesellschaft in unterschiedlichster Form<br />
etwa in der Produktion genutzt oder entstehen<br />
als Abfallprodukte, <strong>die</strong> dann entsorgt<br />
werden müssen. Nach einem Schätzverfahren<br />
ermittelte das Statistische Bundesamt für das<br />
Jahr 2006 insgesamt <strong>35</strong>7 Millionen Tonnen<br />
transportierter Gefahrgüter in Deutschland,<br />
ein Großteil davon über <strong>die</strong> Straße (172<br />
Millionen Tonnen), den Seeweg (76 Millionen<br />
Tonnen) und <strong>die</strong> Schiene (58 Millionen<br />
Tonnen). Damit lag der Anteil der Gefahrgüter<br />
an der Gesamtmenge aller beförderten<br />
Güter bei 8,7 Prozent. Gase (Gefahrklasse 2),<br />
entzündbare flüssige Stoffe (Gefahrklasse 3)<br />
und ätzende Stoffe (Gefahrklasse 8) bildeten<br />
mit zusammen rund 85 Prozent den Hauptteil<br />
der Gefahrguttonnage. Das Buchexemplar<br />
der <strong>Gefahrgutvorschriften</strong>, das vor mir auf<br />
dem Schreibtisch liegt, ist ein dicker Wälzer<br />
und besteht aus rund 1.500 Seiten. Warum<br />
ist es so wichtig, sich an <strong>die</strong>se Vorschriften<br />
zu halten, und welche Vorteile bringen <strong>die</strong><br />
Verordnungen in der betrieblichen Praxis<br />
mit sich Auf <strong>die</strong>se Fragen möchte ich im<br />
Folgenden ein wenig näher eingehen.<br />
2. <strong>Gefahrgutvorschriften</strong> im Überblick<br />
Eine Vielzahl von Vorschriften beschäftigt<br />
sich mit der Beförderung gefährlicher Güter.<br />
Sie regeln, welche Gefahrstoffe befördert<br />
werden dürfen, wie <strong>die</strong>se verpackt und<br />
gekennzeichnet sein müssen, geben vor,<br />
wie <strong>die</strong> Beförderungsmittel, zum Beispiel<br />
Fahrzeuge, Tanks oder Container, gebaut<br />
und ausgerüstet sein müssen, wann und wie<br />
sie zu prüfen und kennzeichnen sind, was<br />
bei der Be- und Entladung hinsichtlich der<br />
Verladeweise und Stauung sowie während<br />
der Beförderung selbst zu beachten ist,<br />
schließlich, in welcher Form das Personal, das<br />
gefährliche Güter befördert, zu schulen ist.<br />
Schon seit geraumer Zeit zählt <strong>die</strong> Gefahrgutbeförderung<br />
zu den Bereichen, für <strong>die</strong> es<br />
grenzüberschreitende Regelungen gibt. So<br />
haben <strong>die</strong> Vereinten Nationen in den UN-<br />
Recommendations on the Transport<br />
of Dangerous Goods den Umgang mit<br />
Gefahrgut festgelegt. Darüber hinaus existieren<br />
weitere bedeutende Einzelregelungen,<br />
wie das Europäische Übereinkommen<br />
über <strong>die</strong> internationale Beförderung<br />
gefährlicher Güter auf der Straße (ADR),<br />
<strong>die</strong> Regelung zur internationalen Beförderung<br />
gefährlicher Güter im Schienenverkehr<br />
(RID), der International Maritime<br />
Dangerous Goods Code (IMDG-Code)<br />
in der internationalen Seeschifffahrt, das<br />
Europäische Übereinkommen über <strong>die</strong><br />
Beförderung gefährlicher Güter auf<br />
Binnenwasserstraßen (ADN) oder auch<br />
<strong>die</strong> Technical Instructions (ICAO-TI) und<br />
Dangerous Goods Regulations (IATA-<br />
DGR) im Luftverkehr. Diese transnationalen<br />
Vorschriften haben <strong>die</strong> Länder, so auch<br />
26 GEFAHRGUT FÜR DIE PRAXIS · SONDERAUSGABE