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Autorin:<br />
Prof. Dr. Erika Gromnica-<br />
Ihle<br />
E-Mail:<br />
erika@gromnica-ihle.de<br />
/// Pharma Pharma<br />
36<br />
Erika Gromnica-Ihle<br />
Gender-aspekte in der rheumatologie<br />
Gender-Medizin ist ein junges Forschungsgebiet, das<br />
geschlechtsspezifische Einflussfaktoren auf die Entstehung<br />
von Krankheiten, ihren Verlauf aber auch auf<br />
Diagnostik und Therapie untersucht. Unterschiede in<br />
Häufigkeit und Ausprägung der Erkrankung zwischen<br />
den Geschlechtern sind nicht nur biologisch bedingt,<br />
sondern beruhen auch auf sozialen, gesellschaftlichen,<br />
psychologischen und kulturellen Faktoren. Die<br />
geschlechterspezifische Forschung nahm ihren<br />
Anfang in der Kardiologie, als Ende der 80er-Jahre<br />
erkannt wurde, dass ein Herzinfarkt bei Männern und<br />
Frauen unterschiedlich verläuft. Gender-Medizin<br />
betrifft aber auch die Rheumatologie.<br />
Die meisten rheumatischen Erkrankungen sind zwischen<br />
den Geschlechtern ungleich verteilt (vgl. Tab.). Frauen sind<br />
sehr viel häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen<br />
als Männer. Bei der Rheumatoiden Arthritis (RA) ist zudem<br />
der Manifestationsgipfel der Männer gegenüber dem der<br />
Frauen um eine Lebensdekade verschoben. Bei der Ankylosierenden<br />
Spondylitis (AS) nähert sich die früher beobachtete<br />
Dominanz der Männer durch verbesserte Diagnostik<br />
nach den Erhebungen der Selbsthilfeorganisation einer<br />
Gleichverteilung. Das Fibromyalgiesyndrom weist eine deutliche<br />
weibliche Dominanz auf. Arthrosen sind besonders bei<br />
älteren Frauen häufiger.<br />
Genderunterschiede zeigen sich auch im Phänotyp rheumatischer<br />
Erkrankungen sowie in ihrer Prognose. Hiervon<br />
ist zum Beispiel die RA betroffen, die sowohl geschlechts-<br />
als auch altersabhängige Krankheitsausprägung und<br />
Outcome aufweist. So tragen Frauen eine größere Krankheitslast,<br />
gemessen durch Schmerzstärke, Krankheitsaktivität<br />
und begleitende Fibromyalgie-Symptomatik einschließlich<br />
Fatigue.<br />
Der größte Unterschied gegenüber den Männern besteht in<br />
ihrem schlechteren Funktionsstatus. Diese Differenz scheint<br />
sich im Krankheitsverlauf beim weiblichen Geschlecht noch<br />
weiter zu vergrößern. Phäno typische Unterschiede betreffen<br />
Geschlechtsdominanz in der Rheumatologie.<br />
besonders auch die AS. Stärkere radiologische Progredienz<br />
am Achsenskelett bei Männern, hingegen häufigerer Befall<br />
der peripheren Gelenke, langsameres und weniger vollständiges<br />
Versteifen der Wirbelsäule, ein schlechterer Funktionsstatus<br />
mit deutlich mehr Schmerzen und späterer<br />
Diagnosestellung bei Frauen wurden beschrieben. Auch<br />
Arthrosen zeigen geschlechtstypische Veränderungen. Die<br />
Gonarthrose ist zum Beispiel bei Frauen deutlich häufiger<br />
und bereitet ihnen auch mehr Beschwerden, ohne dass bei<br />
ihnen eine stärkere radiologische Progredienz bestünde<br />
(Cho HJ et al. Clin Orthop Relat Res 2010;468:1749-1758).<br />
Bei Autoimmunerkrankungen in der Rheumatologie haben<br />
Gravidität und Wochenbett wesentlichen Einfluss auf den<br />
Krankheitsverlauf. Bereits 1938 wurde durch Hench eine<br />
Verbesserung der RA in der Schwangerschaft beschrieben.<br />
Nach neueren Studien bessert sich die Aktivität der RA<br />
während der Gravidität mindes tens bei der Hälfte der Frauen<br />
gravierend, häufig bis zur Remission. Die Frauen mit hoher<br />
Krankheitsaktivität ihrer RA zu Beginn der Schwangerschaft<br />
verbessern sich eher weniger. Post partum verschlechtern<br />
sich nicht, wie früher angenommen, fast alle Frauen, sondern<br />
weniger als die Hälfte weisen eine mittlere bis deutliche<br />
Verschlechterung ihrer Krankheitsaktivität auf (de Man<br />
YA et al. Arthritis Rheum 2008;59:1241-1241). Eine Verbesserung<br />
der RA in der ersten Schwangerschaft führt<br />
meist zu einem günstigen Krankheitsverlauf während weiterer<br />
Graviditäten. Häufig bricht eine RA nach der ersten<br />
Schwangerschaft aus. Eine Erstmanifestation in der Gravidität<br />
kommt praktisch kaum vor. Beim systemischen Lupus<br />
erythematodes ist mit einer leichten Krankheitsverschlechterung<br />
sowohl während der Gravidität als auch im Wochenbett<br />
zu rechnen.<br />
Auswahl der Therapie, Adhärenz und Ansprechen auf die<br />
medikamentöse Behandlung können bei Frauen und Männern<br />
ebenso unterschiedlich sein. Männer erreichen bei<br />
einer Früh-RA schneller eine Remission. In einer Studie in<br />
rheumatologischen Praxen in Deutschland zeigte sich, dass<br />
Männer mit einer Arthritis früher als Frauen zum Rheuma-<br />
Erkrankung Frauen:Männer<br />
Systemischer Lupus erythematodes 9:1<br />
Sjögren-Syndrom 10:1<br />
Rheumatoide Arthritis 3:1<br />
Inzidenz-Rate zwischen 55 und 64 Jahren bei Erkrankungsbeginn 2:1<br />
Inzidenzrate > 75 Jahre bei Erkrankungsbeginn 1:2<br />
Ankylosierende Spondylitis 1:2<br />
Fibromyalgiesyndrom 4-6:1<br />
Gicht 1:10<br />
Foto: Gromnica-ihle