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24. März 2012 - Arzt + Kind

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Chronische Erkrankung<br />

zu variieren. Besonders hoch scheint sie bei<br />

Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zu sein,<br />

gefolgt von Patienten mit Epilepsie, Verbrennungen,<br />

Taubheit und Zerebralparese.<br />

Eine Betrachtung des Musters der psychiatrischen<br />

Störungen zeigt, dass chronisch kranke<br />

<strong>Kind</strong>er keine spezifischen Verteilungsmuster<br />

der Psychopathologie aufweisen – es ist das<br />

typische Spektrum kinderpsychiatrischer Störungen<br />

vertreten, mit einem Überwiegen der<br />

emotionalen Störungen gegenüber den Störungen<br />

des Sozialverhaltens.<br />

Was kann die Klinische und Gesundheitspsychologie<br />

im Rahmen des<br />

Krankenhauses bieten?<br />

Zu Beginn der Erkrankung werden Erstgespräche<br />

für neu betroffene Familien angeboten,<br />

die noch unter dem Diagnoseschock stehen,<br />

eine Fülle von Informationen verarbeiten<br />

müssen und zahlreiche Veränderungen in<br />

ihrem Alltag ausgesetzt sind. Die Familie soll<br />

von Anfang an begleitet und unterstützt werden,<br />

um den Verarbeitungsprozess der Krankheit<br />

günstig beeinflussen und unerwünschten<br />

sekundären Krankheitsfolgen frühzeitig<br />

entgegenwirken zu können. Hierzu dienen<br />

im weiteren Krankheitsverlauf vor allem Bera-<br />

28<br />

Gut leben mit<br />

chronischer Erkrankung<br />

im <strong>Kind</strong>es- & Jugendalter<br />

Eine Herausforderung<br />

für die gesamte Familie<br />

Abb. 1<br />

tungsgespräche, je nach Bedarf im Einzel-<br />

oder Familiensetting.<br />

Im Verlauf chronischer Erkrankungen tauchen<br />

immer wieder Probleme bei der Therapiemitarbeit<br />

der <strong>Kind</strong>er oder andere spezielle<br />

Probleme (z.B. Trennungsangst im Krankenhaus,<br />

Spritzenphobien, psychosomatische<br />

Beschwerden) auf. Je nach Situation können<br />

in diesen Fällen Einzelgespräche, therapeutische<br />

Vereinbarungen oder Verhaltensübungen<br />

zur Problemlösung beitragen.<br />

Familien mit chronisch Erkrankten haben<br />

Geschichten, die sehr problem- und schicksalorientiert<br />

sind. Das Schicksalhafte und die<br />

Ohnmacht stehen im Vordergrund. Hier brauchen<br />

sie Hilfe und Unterstützung, letztlich<br />

auch um die eigenen Ressourcen anzuregen.<br />

Die klinisch-psychologische Behandlung<br />

von chronisch kranken <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />

fokussiert somit in erster Linie auf die<br />

Unterstützung der Krankheitsbewältigung,<br />

Ressourcenarbeit, angstreduzierende Techniken<br />

(einschl. Hypnose, Spieltherapie, kognitive<br />

Verfahren…), Übernahme der Eigenverantwortung<br />

im Umgang mit der Erkrankung<br />

sowie die Wiedererlangung von Selbstwirksamkeit<br />

und Lebensqualität.<br />

Familien mit chronisch Kranken benötigen<br />

längerfristige Unterstützung mit unterschiedlichen<br />

Frequenzen. Das bedeutet,<br />

dass sie nicht permanent auf Hilfe angewiesen<br />

sind. In Akutzeiten kann intensive therapeutische<br />

Arbeit nötig sein. Es kann jedoch<br />

auch Lebensphasen der Familie geben, in<br />

denen weitmaschige Betreuung ausreichend<br />

erscheint.<br />

Abb. 1: Informationsbroschüre des <strong>Kind</strong>er- und<br />

Jugendspitals Kardinal Schwarzenberg’sches<br />

Krankenhaus.<br />

Die Rolle der Psychologie am<br />

Beispiel Diabetes mellitus<br />

Die Diagnose „Diabetes“ bei einem <strong>Kind</strong> oder<br />

einem Jugendlichen trifft die gesamte Familie<br />

in der Regel unvorbereitet und ist für alle<br />

Beteiligten ein Schock und eine narzisstische<br />

Kränkung. Es liegt in der Natur des Menschen,<br />

davon auszugehen, ein gesundes <strong>Kind</strong> zu<br />

haben und ein problemloses Leben zu führen.<br />

„Warum hat ausgerechnet UNS dieses<br />

Schicksal getroffen?“ Die Diagnose kann als<br />

kritisches Lebensereignis gesehen werden,<br />

das von jedem einzelnen Familienmitglied<br />

große emotionale und praktische Anpassungsleistungen<br />

erfordert. Dies wird in der<br />

Psychologie auch als Coping bezeichnet.<br />

Als erste Reaktionen auf diesen Schock sind<br />

Verstörtheit, Leugnen der Realität, Depression,<br />

Angst und Schuldvorwürfe bis hin zu<br />

absoluter Hilflosigkeit zu nennen. Im klinischen<br />

Alltag lässt sich des Öfteren das Phänomen<br />

beobachten, dass <strong>Kind</strong>er die Tragweite<br />

ihrer Erkrankung zunächst nicht verstehen.<br />

Auch in der Literatur wird beschrieben, dass<br />

sich <strong>Kind</strong>er und Jugendliche in den ersten<br />

Tagen oft gefasster verhalten und ihre Eltern<br />

sogar noch unterstützen zu scheinen. Erfahrungsgemäß<br />

kehrt sich diese Konstellation<br />

nach wenigen Wochen um. Die Realisierung<br />

der Chronizität der Erkrankung geht dann oft<br />

mit Trauerreaktionen, sozialem Rückzug und<br />

Widerstand gegen die anfangs noch akzeptierten<br />

therapeutischen Maßnahmen einher.<br />

Die Normalisierung dieser Symptomatik<br />

durch den betreuenden <strong>Arzt</strong> oder Psychologen<br />

soll Eltern in ihrer Sicherheit stärken. In<br />

dieser Phase sind Verständnis, Zuwendung<br />

und eine hoffnungsvolle, zuversichtliche Haltung<br />

der Eltern entscheidend. <strong>Kind</strong>er orientieren<br />

sich in der Regel an den Reaktionen der<br />

Eltern, welche somit die Krankheitsbewältigung<br />

ihrer <strong>Kind</strong>er stark beeinflussen können.<br />

Trotz dieser anfänglichen Belastungsreaktionen<br />

schafft es die große Mehrheit der Betroffenen,<br />

sich innerhalb eines Jahres mit den<br />

neuen Herausforderungen zu arrangieren<br />

und auch ihr emotionales Gleichgewicht wiederzuerlangen.<br />

Welche Aspekte für diese psychische Widerstandsfähigkeit<br />

ausschlaggebend sind, wird<br />

in der aktuellen Resilienzforschung untersucht.<br />

Laut einer Studie haben sich beispielsweise<br />

„Suche nach sozialer Unterstützung“,<br />

„Familiärer Zusammenhalt“ sowie „Problemorientiertes<br />

Coping“ als günstige Faktoren<br />

für die Krankheitsbewältigung erwiesen. Kein<br />

klarer Zusammenhang konnte zwischen den<br />

Variablen des soziodemographischen Status,<br />

der Familienstruktur oder der Persönlichkeit<br />

von <strong>Kind</strong> und Eltern mit der Krankheitsbewältigung<br />

gefunden werden. Entscheidend sind<br />

auch die Subjektiven Krankheitstheorien der<br />

Familie zu nennen, welche weniger die Laientheorie<br />

über die Krankheit, sondern viel mehr<br />

die subjektive Einstellung zur Krankheit bzw.<br />

die individuelle Sinnstiftung bezeichnen.<br />

Während Familien, die „Diabetes als Lebensaufgabe“<br />

ansehen, durch hohe Identifikation<br />

mit der Erkrankung und Therapie sowie<br />

durch hohes Engagement in der Diabetes-<br />

Community imponieren, sind Einstellungen<br />

vom Typus „Diabetes als Schicksalsschlag“

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