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Chronische Erkrankung<br />
zu variieren. Besonders hoch scheint sie bei<br />
Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zu sein,<br />
gefolgt von Patienten mit Epilepsie, Verbrennungen,<br />
Taubheit und Zerebralparese.<br />
Eine Betrachtung des Musters der psychiatrischen<br />
Störungen zeigt, dass chronisch kranke<br />
<strong>Kind</strong>er keine spezifischen Verteilungsmuster<br />
der Psychopathologie aufweisen – es ist das<br />
typische Spektrum kinderpsychiatrischer Störungen<br />
vertreten, mit einem Überwiegen der<br />
emotionalen Störungen gegenüber den Störungen<br />
des Sozialverhaltens.<br />
Was kann die Klinische und Gesundheitspsychologie<br />
im Rahmen des<br />
Krankenhauses bieten?<br />
Zu Beginn der Erkrankung werden Erstgespräche<br />
für neu betroffene Familien angeboten,<br />
die noch unter dem Diagnoseschock stehen,<br />
eine Fülle von Informationen verarbeiten<br />
müssen und zahlreiche Veränderungen in<br />
ihrem Alltag ausgesetzt sind. Die Familie soll<br />
von Anfang an begleitet und unterstützt werden,<br />
um den Verarbeitungsprozess der Krankheit<br />
günstig beeinflussen und unerwünschten<br />
sekundären Krankheitsfolgen frühzeitig<br />
entgegenwirken zu können. Hierzu dienen<br />
im weiteren Krankheitsverlauf vor allem Bera-<br />
28<br />
Gut leben mit<br />
chronischer Erkrankung<br />
im <strong>Kind</strong>es- & Jugendalter<br />
Eine Herausforderung<br />
für die gesamte Familie<br />
Abb. 1<br />
tungsgespräche, je nach Bedarf im Einzel-<br />
oder Familiensetting.<br />
Im Verlauf chronischer Erkrankungen tauchen<br />
immer wieder Probleme bei der Therapiemitarbeit<br />
der <strong>Kind</strong>er oder andere spezielle<br />
Probleme (z.B. Trennungsangst im Krankenhaus,<br />
Spritzenphobien, psychosomatische<br />
Beschwerden) auf. Je nach Situation können<br />
in diesen Fällen Einzelgespräche, therapeutische<br />
Vereinbarungen oder Verhaltensübungen<br />
zur Problemlösung beitragen.<br />
Familien mit chronisch Erkrankten haben<br />
Geschichten, die sehr problem- und schicksalorientiert<br />
sind. Das Schicksalhafte und die<br />
Ohnmacht stehen im Vordergrund. Hier brauchen<br />
sie Hilfe und Unterstützung, letztlich<br />
auch um die eigenen Ressourcen anzuregen.<br />
Die klinisch-psychologische Behandlung<br />
von chronisch kranken <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
fokussiert somit in erster Linie auf die<br />
Unterstützung der Krankheitsbewältigung,<br />
Ressourcenarbeit, angstreduzierende Techniken<br />
(einschl. Hypnose, Spieltherapie, kognitive<br />
Verfahren…), Übernahme der Eigenverantwortung<br />
im Umgang mit der Erkrankung<br />
sowie die Wiedererlangung von Selbstwirksamkeit<br />
und Lebensqualität.<br />
Familien mit chronisch Kranken benötigen<br />
längerfristige Unterstützung mit unterschiedlichen<br />
Frequenzen. Das bedeutet,<br />
dass sie nicht permanent auf Hilfe angewiesen<br />
sind. In Akutzeiten kann intensive therapeutische<br />
Arbeit nötig sein. Es kann jedoch<br />
auch Lebensphasen der Familie geben, in<br />
denen weitmaschige Betreuung ausreichend<br />
erscheint.<br />
Abb. 1: Informationsbroschüre des <strong>Kind</strong>er- und<br />
Jugendspitals Kardinal Schwarzenberg’sches<br />
Krankenhaus.<br />
Die Rolle der Psychologie am<br />
Beispiel Diabetes mellitus<br />
Die Diagnose „Diabetes“ bei einem <strong>Kind</strong> oder<br />
einem Jugendlichen trifft die gesamte Familie<br />
in der Regel unvorbereitet und ist für alle<br />
Beteiligten ein Schock und eine narzisstische<br />
Kränkung. Es liegt in der Natur des Menschen,<br />
davon auszugehen, ein gesundes <strong>Kind</strong> zu<br />
haben und ein problemloses Leben zu führen.<br />
„Warum hat ausgerechnet UNS dieses<br />
Schicksal getroffen?“ Die Diagnose kann als<br />
kritisches Lebensereignis gesehen werden,<br />
das von jedem einzelnen Familienmitglied<br />
große emotionale und praktische Anpassungsleistungen<br />
erfordert. Dies wird in der<br />
Psychologie auch als Coping bezeichnet.<br />
Als erste Reaktionen auf diesen Schock sind<br />
Verstörtheit, Leugnen der Realität, Depression,<br />
Angst und Schuldvorwürfe bis hin zu<br />
absoluter Hilflosigkeit zu nennen. Im klinischen<br />
Alltag lässt sich des Öfteren das Phänomen<br />
beobachten, dass <strong>Kind</strong>er die Tragweite<br />
ihrer Erkrankung zunächst nicht verstehen.<br />
Auch in der Literatur wird beschrieben, dass<br />
sich <strong>Kind</strong>er und Jugendliche in den ersten<br />
Tagen oft gefasster verhalten und ihre Eltern<br />
sogar noch unterstützen zu scheinen. Erfahrungsgemäß<br />
kehrt sich diese Konstellation<br />
nach wenigen Wochen um. Die Realisierung<br />
der Chronizität der Erkrankung geht dann oft<br />
mit Trauerreaktionen, sozialem Rückzug und<br />
Widerstand gegen die anfangs noch akzeptierten<br />
therapeutischen Maßnahmen einher.<br />
Die Normalisierung dieser Symptomatik<br />
durch den betreuenden <strong>Arzt</strong> oder Psychologen<br />
soll Eltern in ihrer Sicherheit stärken. In<br />
dieser Phase sind Verständnis, Zuwendung<br />
und eine hoffnungsvolle, zuversichtliche Haltung<br />
der Eltern entscheidend. <strong>Kind</strong>er orientieren<br />
sich in der Regel an den Reaktionen der<br />
Eltern, welche somit die Krankheitsbewältigung<br />
ihrer <strong>Kind</strong>er stark beeinflussen können.<br />
Trotz dieser anfänglichen Belastungsreaktionen<br />
schafft es die große Mehrheit der Betroffenen,<br />
sich innerhalb eines Jahres mit den<br />
neuen Herausforderungen zu arrangieren<br />
und auch ihr emotionales Gleichgewicht wiederzuerlangen.<br />
Welche Aspekte für diese psychische Widerstandsfähigkeit<br />
ausschlaggebend sind, wird<br />
in der aktuellen Resilienzforschung untersucht.<br />
Laut einer Studie haben sich beispielsweise<br />
„Suche nach sozialer Unterstützung“,<br />
„Familiärer Zusammenhalt“ sowie „Problemorientiertes<br />
Coping“ als günstige Faktoren<br />
für die Krankheitsbewältigung erwiesen. Kein<br />
klarer Zusammenhang konnte zwischen den<br />
Variablen des soziodemographischen Status,<br />
der Familienstruktur oder der Persönlichkeit<br />
von <strong>Kind</strong> und Eltern mit der Krankheitsbewältigung<br />
gefunden werden. Entscheidend sind<br />
auch die Subjektiven Krankheitstheorien der<br />
Familie zu nennen, welche weniger die Laientheorie<br />
über die Krankheit, sondern viel mehr<br />
die subjektive Einstellung zur Krankheit bzw.<br />
die individuelle Sinnstiftung bezeichnen.<br />
Während Familien, die „Diabetes als Lebensaufgabe“<br />
ansehen, durch hohe Identifikation<br />
mit der Erkrankung und Therapie sowie<br />
durch hohes Engagement in der Diabetes-<br />
Community imponieren, sind Einstellungen<br />
vom Typus „Diabetes als Schicksalsschlag“