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Essstörungen<br />
Essstörungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
Univ.-Prof. Dr. Andreas KARWAUTz<br />
Vizepräsident der ÖGES<br />
Universitätsklinik für <strong>Kind</strong>er- und Jugendpsychiatrie<br />
Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien<br />
Tel.: +43(0)1/40400-3057<br />
Fax: +43(0)1/40400-2793<br />
andreas.karwautz@meduniwien.ac.at<br />
www.ess-stoerung.eu<br />
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Essstörungen sind keine Ernährungsstörungen<br />
Essstörungen sind gemäß WHO im Kapitel F der Internationalen Klassifikation ICD-<br />
10 beschrieben, zählen also zu den psychischen Störungen (Karwautz 2008). Essen ist<br />
angstbesetzt, wird verweigert oder die Nahrungsaufnahme wird beziehungsgetriggert<br />
problematisiert. Die Ernährung ist lediglich als Endstrecke bzw. auf der Symptomebene<br />
ein Problem, nicht aber primär.<br />
Essstörungen und ihre Vorformen<br />
werden häufiger.<br />
Wie in einer deutschen Studie (BELLA-Studie<br />
als Teilstudie der KIGGS-Studie – siehe www.<br />
kiggs.de) gezeigt werden konnte, zählen<br />
etwa 1/3 der Adoleszenten zu einer „Risikopopulation<br />
für Essstörungen, da sie im Screening<br />
die erforderliche Cut-off Punkteanzahl<br />
erreichen bzw. überschreiten. Das gilt wie<br />
Waldherr et al. (2004) zeigen konnte auch<br />
für Österreich. Alarmierend ist insbesonders<br />
der Anstieg der für Essstörungen relevanten<br />
Skalen des Eating Disorder Inventory-2 (z.B.<br />
Körperliche Unzufriedenheit), in den Jahren<br />
1994-2004 bei Knaben (Waldherr et al. 2004).<br />
Zwar findet sich keine Zunahme der Inzidenz<br />
der klassischen Essstörungen bei Knaben<br />
aber doch eine zunehmende Auffälligkeit der<br />
relevanten Symptome, was für die Zukunft<br />
eine Zunahme der klinischen Essstörungen<br />
bei Knaben wahrscheinlich macht.<br />
Essstörungen kommen in vielfältigen<br />
klinischen Formen vor.<br />
Das DSM-V, das amerikanische Diagnostikmanual<br />
für alle psychiatrischen Störungen,<br />
das <strong>2012</strong> erscheinen wird, sieht einige<br />
Änderungen in der Klassifikation der Essstörungen<br />
vor, die der klinischen Realität<br />
besser entsprechen werden, als die<br />
derzeit gültigen Klassifikationssysteme:<br />
Anorexia nervosa (K 03) wird auch ohne Vorliegen<br />
sekundärer Amenorrhoe diagnostizierbar<br />
sein, Bulimia nervosa (K 04) wird nicht mehr in<br />
Subtypen (purging / non-purging) unterteilt<br />
werden, die Binge-Eating Störung (BED) (K<br />
05), die 1994 erst in den Appendix des DSM-IV<br />
Eingang gefunden hatte, wird neue Diagnose<br />
sein. Zusätzlich werden Störungen, die bisher<br />
verstreut im Kapitel F zu finden waren in das<br />
Kapitel „Essstörungen“ übernommen: Andere<br />
Spezifische Essstörungen (K 06): Atypische<br />
Anorexia nervosa, Subklinische Bulimia nervosa,<br />
Subklinische BED, Purging Disorder<br />
(Störung ohne Heisshunger aber mit einer<br />
Gewichtszunahme entgegensteuernden<br />
Maßnahmen), Night Eating Disorder (Nächtliches<br />
Essen). Unspezifische Essstörungen und<br />
Störungen der Nahrungsaufnahme (K 07).<br />
Weiters zählt Pica (das Essen nicht-essbarer<br />
Substanzen) zu den Essstörungen (K 00) sowie<br />
die „Störung mit Wiederkäuen“ - Rumination<br />
(K 01). Die vermeidende /restriktive Nahrungsaufnahmestörung<br />
(K 02) wird neu definiert.<br />
Zu frühkindlichen Essstörungen findet sich<br />
im Heft 3/2011 der Zeitschrift <strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong> ein<br />
guter rezenter Referenzüberblick von Dunitz-<br />
Scheer et al. (2011).<br />
Essstörungen kann man nur mittels<br />
komplexer Ätiologiemodelle<br />
verstehen.<br />
Die Entstehung von Essstörungen zu verstehen<br />
ist lediglich mittels der Bildung komplexer<br />
Modelle möglich. Die Ursachen selbst sind<br />
bisher nicht ausreichend aufgeklärt. Ein biopsycho-soziales<br />
Krankheitsmodell ist heute<br />
– mit unzähligen empirischen Befunden in<br />
allen 3 Bereichen angereichert – das gültige<br />
und der klinischen Vielfalt der Essstörungen<br />
am Ehesten gerecht werdende Modell des<br />
Verstehens (Karwautz 2009). So konnte z.B.<br />
unser Team zur Ätiologie der Magersucht<br />
unlängst neue Daten vorlegen (Adambegan<br />
et al. 2011; Huemer et al. <strong>2012</strong>; Karwautz et al.