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Inhalt<br />
wenn man an uns vorbei arbeitet und uns<br />
nicht miteinbezieht. Es sind v.a. politische Institutionen,<br />
die manchmal nach Gutdünken<br />
ihre Gutachter und Berater aussuchen und<br />
nicht dort nachfragen, wo wirklich die Kenntnisse<br />
dafür da sind.<br />
<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Ihr Vorgänger Univ.-Prof. Prim. Dr.<br />
Klaus Schmitt beschrieb Sie im Interview als<br />
„Garant“ und Insider: Was sind Ihre Ziele als<br />
Präsident der ÖGKJ?<br />
R. Kerbl: Meine unmittelbaren Vorgänger<br />
Professor Müller, Professor Kaulfersch und<br />
zuletzt Herr Professor Schmitt haben die<br />
ÖGKJ mit viel Sachkenntnis und Engagement<br />
durch eine schwierige Zeit geführt und Vieles<br />
erreicht. Ich möchte diesen Weg fortsetzen<br />
und weitere Verbesserungen für die kindermedizinische<br />
Versorgung in Österreich erreichen.<br />
Das Hauptziel muss dabei sein, dass<br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendliche noch besser wahrgenommen<br />
werden als bisher. Ihnen sind wir in<br />
erster Linie verpflichtet, und für sie sollten wir<br />
die bestmögliche Versorgung erreichen. Das<br />
beginnt eben mit der adäquaten Wahrnehmung<br />
von <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen. Es gibt<br />
mehrere Bereiche, wo das derzeit noch der<br />
Fall ist. Dem oft missbrauchten Spruch „<strong>Kind</strong>er<br />
sind keine kleinen Erwachsenen“ begegne<br />
ich manchmal mit der Antwort: „Ja, leider.<br />
Denn wären sie (kleine) Erwachsene, wären<br />
sie Wähler und dann würde man sich wohl<br />
mehr um ihre Interessen kümmern.“ Daher<br />
ist es unsere Aufgabe, dass wir als ÖGKJ uns<br />
um die Ziele der <strong>Kind</strong>er- und Jugendgesundheit<br />
kümmern und sie entsprechend in der<br />
Öffentlichkeit vertreten.<br />
Ein Bespiel dafür ist die <strong>Kind</strong>er- und Jugendrehabilitation,<br />
für die wir seit Jahren kämpfen.<br />
Österreich hat über 8.000 Rehabilitationsplätze<br />
für Erwachsene, aber nur 50 für<br />
<strong>Kind</strong>er! Der Ausbau der <strong>Kind</strong>erreha wird seit<br />
über 12 Jahren blockiert. Ein anderes Beispiel<br />
sind die <strong>Kind</strong>erarzneimittel. Viele Medikamente<br />
sind für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche nicht<br />
zugelassen und müssen „off label“ verwendet<br />
werden, weil sich niemand um die Zulassung<br />
kümmert bzw. die Studien dazu betreibt.<br />
Schwere Defizite haben wir auch in der kinderpsychosomatischen<br />
und kinderpsychiatrischen<br />
Versorgung, da bleibt noch viel zu<br />
tun, auch in Zusammenarbeit mit anderen<br />
Sonderfächern. Schließlich wird auch die Vertiefung<br />
der Prävention Teil meiner Arbeit als<br />
ÖGKJ-Präsident sein. Im Bereich von Unfallprävention,<br />
Prävention durch Impfungen,<br />
Prävention chronischer Volkskrankheiten wie<br />
„Es schmerzt manchmal schon,<br />
wenn man an uns vorbei arbeitet<br />
und uns nicht miteinbezieht.”<br />
Fettsucht und Diabetes gibt es noch reichlich<br />
Verbesserungspotenzial, und in dieser Richtung<br />
müssen wir noch sehr viel tun.<br />
<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Mit welchen Erwartungen treten<br />
Sie die Präsidentschaft an?<br />
R. Kerbl: Ich erwarte mir zunächst, dass uns<br />
hoffentlich viele Leute zuhören und unsere<br />
Argumente, die die Argumente der <strong>Kind</strong>er<br />
und Jugendlichen sein sollten, ernst nehmen.<br />
Ich hoffe, dass es in 3 Jahren etwas mehr<br />
Bewusstsein für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />
geben wird.<br />
<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Der Österreichische Gesundheitsplan<br />
wurde in der vergangenen Amtsperiode<br />
initiiert. Wie wollen sie dessen Umsetzung<br />
vorantreiben?<br />
R. Kerbl: Unsere Gesellschaft war sehr maßgeblich<br />
an der Erarbeitung des Österreichischen<br />
<strong>Kind</strong>ergesundheitsplanes beteiligt,<br />
den Herr Minister Stöger im Herbst 2011 vorgestellt<br />
hat. In Wirklichkeit ist dieser gar nicht<br />
so neu, da es bereits im Jahr 2004 unter Frau<br />
Bundesministerin Rauch-Kallat einen solchen<br />
Plan gegeben hat. Dazu muss man natürlich<br />
sagen: Ein Plan ist nur gut, wenn er dann auch<br />
umgesetzt wird. Unsere Gesellschaft wird also<br />
sehr auf die Umsetzung drängen und wir werden<br />
von uns aus eine aktive Zusammenarbeit<br />
anbieten. Wir können viele der Inhalte durch<br />
unsere aktive Expertenarbeit, die natürlich<br />
immer ehrenamtlich sein wird, unterstützen.<br />
Aber natürlich fordern wir auch dort, wo es<br />
notwendig ist, von der Politik etwas ein. So<br />
wird es in gewissen Bereichen zusätzlicher<br />
finanzieller Mittel bedürfen, denn es kann<br />
nicht immer alles kostenneutral sein. Wenn<br />
man eine Verbesserung des Mutter/<strong>Kind</strong>-Passes<br />
andenkt, muss es auch erlaubt sein über<br />
Mehrkosten zu sprechen, z.B. für sozialpädiatrische<br />
Betreuung. Vernachlässigte oder misshandelte<br />
<strong>Kind</strong>er, <strong>Kind</strong>er aus dem Drogenmilieu<br />
und von <strong>Kind</strong>erarmut Betroffene sind ein<br />
Patientenkollektiv, das bisher noch viel zu<br />
wenig Beachtung gefunden hat. Oder auch<br />
die „<strong>Kind</strong>er, die keiner will“ – damit meine ich<br />
<strong>Arzt</strong> <strong>Kind</strong><br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendliche mit Aggressionen,<br />
kriminellem Potenzial und dgl., die oft sozial<br />
schwer oder gar nicht integrierbar sind. Auch<br />
sie verdienen aber unsere Zuwendung und<br />
Fürsorge!<br />
<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Was wünschen Sie sich in Ihrer<br />
Amtszeit von Ihren Kolleginnen und Kollegen<br />
und der Politik?<br />
R. Kerbl: Von meinen Kolleginnen und Kollegen<br />
wünsche ich mir, dass sie sich sehr<br />
aktiv an der Arbeit beteiligen. Als Präsident<br />
einer wissenschaftlichen Gesellschaft kann<br />
man nur so gut sein wie die Gesellschaft als<br />
Ganzes ist. Man ist wie ein Stürmer in einer<br />
Fußballmannschaft: Wenn man kein Zuspiel<br />
bekommt, kann man kein Tor schießen. Diese<br />
Unterstützung wünsche ich mir, und damit<br />
rechne ich eigentlich auch. Von der Politik,<br />
aber auch von den Universitäten wünsche<br />
ich mir, dass die Pädiatrie jenen Stellenwert<br />
erhält, der ihr eigentlich zusteht. Bisher<br />
bezeichnet man ja leider unser Fach oft als<br />
„kleines Fach“. Dabei wird offensichtlich die<br />
teilweise Kleinheit unserer Patienten mit der<br />
Größe des Faches verwechselt. Tatsächlich<br />
kann sich aber die Pädiatrie durchaus mit<br />
der Inneren Medizin messen, sie ist letztlich<br />
die „Innere Medizin des frühen Lebens“. Ich<br />
wünsche mir, dass unsere Politiker <strong>Kind</strong>er<br />
und Jugendliche nicht nur aus dem gesundheitsökonomischen<br />
Blickwinkel betrachten,<br />
sondern dass sie auch an das Individualwohl<br />
unserer Patienten denken. Denn <strong>Kind</strong>er sind<br />
nicht nur unsere Zukunft – sie haben auch<br />
eine Gegenwart!<br />
Lieber Hr. Prof. Kerbel wir danken für das<br />
Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute!<br />
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