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24. März 2012 - Arzt + Kind

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Inhalt<br />

wenn man an uns vorbei arbeitet und uns<br />

nicht miteinbezieht. Es sind v.a. politische Institutionen,<br />

die manchmal nach Gutdünken<br />

ihre Gutachter und Berater aussuchen und<br />

nicht dort nachfragen, wo wirklich die Kenntnisse<br />

dafür da sind.<br />

<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Ihr Vorgänger Univ.-Prof. Prim. Dr.<br />

Klaus Schmitt beschrieb Sie im Interview als<br />

„Garant“ und Insider: Was sind Ihre Ziele als<br />

Präsident der ÖGKJ?<br />

R. Kerbl: Meine unmittelbaren Vorgänger<br />

Professor Müller, Professor Kaulfersch und<br />

zuletzt Herr Professor Schmitt haben die<br />

ÖGKJ mit viel Sachkenntnis und Engagement<br />

durch eine schwierige Zeit geführt und Vieles<br />

erreicht. Ich möchte diesen Weg fortsetzen<br />

und weitere Verbesserungen für die kindermedizinische<br />

Versorgung in Österreich erreichen.<br />

Das Hauptziel muss dabei sein, dass<br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendliche noch besser wahrgenommen<br />

werden als bisher. Ihnen sind wir in<br />

erster Linie verpflichtet, und für sie sollten wir<br />

die bestmögliche Versorgung erreichen. Das<br />

beginnt eben mit der adäquaten Wahrnehmung<br />

von <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen. Es gibt<br />

mehrere Bereiche, wo das derzeit noch der<br />

Fall ist. Dem oft missbrauchten Spruch „<strong>Kind</strong>er<br />

sind keine kleinen Erwachsenen“ begegne<br />

ich manchmal mit der Antwort: „Ja, leider.<br />

Denn wären sie (kleine) Erwachsene, wären<br />

sie Wähler und dann würde man sich wohl<br />

mehr um ihre Interessen kümmern.“ Daher<br />

ist es unsere Aufgabe, dass wir als ÖGKJ uns<br />

um die Ziele der <strong>Kind</strong>er- und Jugendgesundheit<br />

kümmern und sie entsprechend in der<br />

Öffentlichkeit vertreten.<br />

Ein Bespiel dafür ist die <strong>Kind</strong>er- und Jugendrehabilitation,<br />

für die wir seit Jahren kämpfen.<br />

Österreich hat über 8.000 Rehabilitationsplätze<br />

für Erwachsene, aber nur 50 für<br />

<strong>Kind</strong>er! Der Ausbau der <strong>Kind</strong>erreha wird seit<br />

über 12 Jahren blockiert. Ein anderes Beispiel<br />

sind die <strong>Kind</strong>erarzneimittel. Viele Medikamente<br />

sind für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche nicht<br />

zugelassen und müssen „off label“ verwendet<br />

werden, weil sich niemand um die Zulassung<br />

kümmert bzw. die Studien dazu betreibt.<br />

Schwere Defizite haben wir auch in der kinderpsychosomatischen<br />

und kinderpsychiatrischen<br />

Versorgung, da bleibt noch viel zu<br />

tun, auch in Zusammenarbeit mit anderen<br />

Sonderfächern. Schließlich wird auch die Vertiefung<br />

der Prävention Teil meiner Arbeit als<br />

ÖGKJ-Präsident sein. Im Bereich von Unfallprävention,<br />

Prävention durch Impfungen,<br />

Prävention chronischer Volkskrankheiten wie<br />

„Es schmerzt manchmal schon,<br />

wenn man an uns vorbei arbeitet<br />

und uns nicht miteinbezieht.”<br />

Fettsucht und Diabetes gibt es noch reichlich<br />

Verbesserungspotenzial, und in dieser Richtung<br />

müssen wir noch sehr viel tun.<br />

<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Mit welchen Erwartungen treten<br />

Sie die Präsidentschaft an?<br />

R. Kerbl: Ich erwarte mir zunächst, dass uns<br />

hoffentlich viele Leute zuhören und unsere<br />

Argumente, die die Argumente der <strong>Kind</strong>er<br />

und Jugendlichen sein sollten, ernst nehmen.<br />

Ich hoffe, dass es in 3 Jahren etwas mehr<br />

Bewusstsein für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />

geben wird.<br />

<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Der Österreichische Gesundheitsplan<br />

wurde in der vergangenen Amtsperiode<br />

initiiert. Wie wollen sie dessen Umsetzung<br />

vorantreiben?<br />

R. Kerbl: Unsere Gesellschaft war sehr maßgeblich<br />

an der Erarbeitung des Österreichischen<br />

<strong>Kind</strong>ergesundheitsplanes beteiligt,<br />

den Herr Minister Stöger im Herbst 2011 vorgestellt<br />

hat. In Wirklichkeit ist dieser gar nicht<br />

so neu, da es bereits im Jahr 2004 unter Frau<br />

Bundesministerin Rauch-Kallat einen solchen<br />

Plan gegeben hat. Dazu muss man natürlich<br />

sagen: Ein Plan ist nur gut, wenn er dann auch<br />

umgesetzt wird. Unsere Gesellschaft wird also<br />

sehr auf die Umsetzung drängen und wir werden<br />

von uns aus eine aktive Zusammenarbeit<br />

anbieten. Wir können viele der Inhalte durch<br />

unsere aktive Expertenarbeit, die natürlich<br />

immer ehrenamtlich sein wird, unterstützen.<br />

Aber natürlich fordern wir auch dort, wo es<br />

notwendig ist, von der Politik etwas ein. So<br />

wird es in gewissen Bereichen zusätzlicher<br />

finanzieller Mittel bedürfen, denn es kann<br />

nicht immer alles kostenneutral sein. Wenn<br />

man eine Verbesserung des Mutter/<strong>Kind</strong>-Passes<br />

andenkt, muss es auch erlaubt sein über<br />

Mehrkosten zu sprechen, z.B. für sozialpädiatrische<br />

Betreuung. Vernachlässigte oder misshandelte<br />

<strong>Kind</strong>er, <strong>Kind</strong>er aus dem Drogenmilieu<br />

und von <strong>Kind</strong>erarmut Betroffene sind ein<br />

Patientenkollektiv, das bisher noch viel zu<br />

wenig Beachtung gefunden hat. Oder auch<br />

die „<strong>Kind</strong>er, die keiner will“ – damit meine ich<br />

<strong>Arzt</strong> <strong>Kind</strong><br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendliche mit Aggressionen,<br />

kriminellem Potenzial und dgl., die oft sozial<br />

schwer oder gar nicht integrierbar sind. Auch<br />

sie verdienen aber unsere Zuwendung und<br />

Fürsorge!<br />

<strong>Arzt</strong>+<strong>Kind</strong>: Was wünschen Sie sich in Ihrer<br />

Amtszeit von Ihren Kolleginnen und Kollegen<br />

und der Politik?<br />

R. Kerbl: Von meinen Kolleginnen und Kollegen<br />

wünsche ich mir, dass sie sich sehr<br />

aktiv an der Arbeit beteiligen. Als Präsident<br />

einer wissenschaftlichen Gesellschaft kann<br />

man nur so gut sein wie die Gesellschaft als<br />

Ganzes ist. Man ist wie ein Stürmer in einer<br />

Fußballmannschaft: Wenn man kein Zuspiel<br />

bekommt, kann man kein Tor schießen. Diese<br />

Unterstützung wünsche ich mir, und damit<br />

rechne ich eigentlich auch. Von der Politik,<br />

aber auch von den Universitäten wünsche<br />

ich mir, dass die Pädiatrie jenen Stellenwert<br />

erhält, der ihr eigentlich zusteht. Bisher<br />

bezeichnet man ja leider unser Fach oft als<br />

„kleines Fach“. Dabei wird offensichtlich die<br />

teilweise Kleinheit unserer Patienten mit der<br />

Größe des Faches verwechselt. Tatsächlich<br />

kann sich aber die Pädiatrie durchaus mit<br />

der Inneren Medizin messen, sie ist letztlich<br />

die „Innere Medizin des frühen Lebens“. Ich<br />

wünsche mir, dass unsere Politiker <strong>Kind</strong>er<br />

und Jugendliche nicht nur aus dem gesundheitsökonomischen<br />

Blickwinkel betrachten,<br />

sondern dass sie auch an das Individualwohl<br />

unserer Patienten denken. Denn <strong>Kind</strong>er sind<br />

nicht nur unsere Zukunft – sie haben auch<br />

eine Gegenwart!<br />

Lieber Hr. Prof. Kerbel wir danken für das<br />

Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute!<br />

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