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Die gesamte Ausgabe 1/2004 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...

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Karriere in Deutschland<br />

<strong>Die</strong> berufliche Lebensgeschichte von Filippo Vullo<br />

Frankfurt ist die Stadt Deutschlands<br />

mit dem höchsten Migrantenanteil.<br />

175.000, das sind 26 Prozent,<br />

haben einen ausländischen Pass.<br />

Über ein Drittel der Zugewanderten<br />

lebt schon mehr <strong>als</strong> 15 Jahre hier. Als<br />

„Gastarbeiter“ wurden viele davon seit<br />

Anfang der fünfziger Jahre im Ausland<br />

angeworben. <strong>Die</strong> deutsche<br />

Industrie suchte dam<strong>als</strong> händeringend<br />

nach Arbeitskräften, da der<br />

Bedarf im Inland nicht gedeckt werden<br />

konnte. Mit einer Reihe von Ländern<br />

rund ums Mittelmeer wurden<br />

daher die sogenannten Anwerbeverträge<br />

abgeschlossen, bis aufgrund der<br />

Ölkrise 1973 ein Anwerbestopp erlassen<br />

wurde, der bis heute für Arbeitnehmer<br />

aus Nicht-EU-Ländern in<br />

Kraft ist. Bis dahin jedoch kamen sie -<br />

aus Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien,<br />

Griechenland, der Türkei,<br />

Tunesien und Marokko.<br />

Obwohl während der Anwerbezeit<br />

vor allem Arbeiter angeworben wurden,<br />

heißt dies nicht unbedingt, dass<br />

sie im Heimatland auch alle Arbeiter<br />

waren. Manchen von ihnen gelang es<br />

nach einigen Jahren körperlicher Arbeitstätigkeit<br />

in Deutschland, wieder<br />

in ihrem alten oder einem ähnlichen<br />

Beruf Fuß zu fassen. So konnten z.B.<br />

Lehrer, die <strong>als</strong> Arbeiter hergekommen<br />

waren, <strong>als</strong> Sprachlehrer arbeiten.<br />

Viele Migranten haben eigene<br />

Firmen eröffnet. Andere wiederum<br />

haben neben harter Arbeit die Chance<br />

genutzt, sich weiterzubilden, und<br />

konnten sogar Karriere machen.<br />

Heute sind sie in Rente und möchten<br />

ihren Ruhestand in der neu gewonnenen<br />

Heimat verbringen.<br />

Das Bild, das in Deutschland lange<br />

Zeit vom „Gastarbeiter“ existierte – der<br />

in Fabriken schwer arbeitende Mann<br />

– lässt sich daher so allgemein nicht<br />

aufrecht erhalten. Ein gutes Beispiel<br />

dafür ist Filippo Vullo. Als Migrant<br />

kam der spätere Leiter der Fachdienste<br />

für Migration beim Caritasverband<br />

Frankfurt aus Italien. Heute<br />

Filippo Vullo (2. von links) beim ehrenamtlichen Einsatz in der Arbeitsgruppe<br />

Migration und psychische Gesundheit.<br />

ist er im Ruhestand. Der SZ hat er<br />

seine berufliche Geschichte erzählt:<br />

„Als Zwanzigjähriger kam ich im<br />

Januar 1959 nach Saarbrücken und<br />

fand Unterkunft bei einer Familie, in<br />

der noch andere Landsleute von mir<br />

wohnten. Obwohl ich dam<strong>als</strong> kein einziges<br />

Wort Deutsch sprechen konnte,<br />

bekam ich schon nach drei Tagen eine<br />

Arbeit bei einer Baufirma. Weil es<br />

mir <strong>als</strong> Süditaliener aber schwer fiel,<br />

mich mit den winterlichen Temperaturen<br />

auf der Baustelle anzufreunden,<br />

bemühte ich mich bald um einen<br />

Arbeitsplatz in einer Fabrik.<br />

Mit Hilfe von zwei Deutschlehrern<br />

lernte ich schnell die deutsche<br />

Sprache, was mir ermöglichte, nach<br />

kurzer Zeit eine Lehre in einer Landmaschinenfabrik<br />

zu beginnen, die ich<br />

mit dem Facharbeiterbrief abschloss.<br />

Schon in Italien hatte ich nämlich den<br />

Wunsch gehabt, Maschinenbauingenieur<br />

zu werden. So besuchte ich während<br />

meiner Lehre die Berufsaufbauschule<br />

in Abendkursen, um die<br />

Voraussetzung für den Besuch der<br />

Ingenieurschule zu erfüllen.<br />

Wegen meiner guten Deutschkenntnisse<br />

bot mir 1966 der Caritasverband<br />

Saarbrücken eine Stelle <strong>als</strong><br />

Sozialberater für italienische Arbeitnehmer<br />

an. So begann meine Ori-<br />

Begegnung der Kulturen<br />

entierung für den Sozialen Bereich.<br />

Ohne eine entsprechende Ausbildung<br />

stieß ich aber schnell an meine Grenzen<br />

und ging deshalb nach einem Jahr<br />

nach Freiburg zum Sozialarbeiterstudium.<br />

Angeregt durch die Bewegung<br />

der 68er und die damit verbundenen<br />

Diskussionen um die sich anbahnenden<br />

Veränderungen in der Heimerziehung<br />

beschloss ich nach meiner<br />

Ausbildung 1970, aktiv in der Jugendarbeit<br />

mit zu wirken. Zunächst verschlug<br />

es mich in ein Heim für schwer<br />

erziehbare Jugendliche in Norddeutschland.<br />

Zum Caritasverband in<br />

Frankfurt kam ich dann Anfang 1973,<br />

nachdem mir eine Stelle <strong>als</strong> Sozialarbeiter<br />

in der Beratung für italienische<br />

Arbeitnehmer angeboten wurde.<br />

Schon drei Jahre später konnte ich<br />

dort die Leitung der Migrationsdienste<br />

übernehmen, wo ich 27 Jahre<br />

lang für Migranten aus unterschiedlichen<br />

Ländern arbeitete.<br />

Mit meiner Heimat Italien habe<br />

ich mich mein Leben lang bis heute<br />

verbunden gefühlt, obwohl mein<br />

Lebensmittelpunkt in Hessen ist.<br />

Den jungen und älteren Migranten<br />

möchte ich sagen: Wenn ihr weiter<br />

kommen wollt, müsst ihr in Bildung<br />

investieren!“<br />

Christina Lazzerini, Amt für multikulturelle<br />

Angelegenheiten<br />

SZ 1/<strong>2004</strong><br />

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