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gewordene Myste darauf vertrauen, daß sich diese kosmischen Gesetze auch in seinem<br />
persönlichen, individuellen Dasein verwirklichen würden, was konkret die<br />
Wiederauferstehung nach dem Tode, das immerwährende Leben bedeutet.<br />
Dieses ewige kosmische Drama wurde nun innerhalb der verschiedenen, untereinander aber<br />
höchstwahrscheinlich in Verbindung stehenden Mysterienkulte mittels der verschiedensten<br />
Bilder und Geschichten dargestellt. Bei den bekanntesten Mysterien der Antike in Eleusis<br />
scheint der Raub der Persephone, Tochter der Korngöttin Demeter, durch Hades, den Gott der<br />
Unterwelt, und der vor Zeus zwischen Demeter und Hades ausgehandelte Kompromiß als<br />
Vorlage für die Gestaltung des zentralen Themas der Auseinandersetzung zwischen Licht und<br />
Finsternis gedient zu haben. An der Ostküste des Mittelmeeres wurden Mysterien gefeiert, die<br />
mit Adonis in Verbindung gebracht wurden, dessen Geschichte fast identisch mit der von<br />
Persephone ist. Adonis, der Geliebte der Göttin Aphrodite, wird durch einen vom<br />
eifersüchtigen Gott Mars gesandten Eber getötet. Auf inniges Bitten der Aphrodite erlaubt<br />
Zeus, daß Adonis während des Jahreslaufs eine gewisse Zeit am Licht des Tages bei<br />
Aphrodite zubringen darf, für den Rest der Zeit indessen in der Unterwelt verweilen muß.<br />
Ähnliche Mythen sind fast durchweg auch die Grundlagen der anderen Mysterienkulte.<br />
Es ist klar ersichtlich, daß im heutigen Christentum manches aus den alten Mysterien noch<br />
vorhanden ist, wenn auch rudimentär und sicher auch verstümmelt. So zeigt sich auch in der<br />
Geschichte des Todes und der Auferstehung von Jesus die klassische Auseinandersetzung<br />
zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichtes. Das Christentum hat sich nie als Erbe<br />
der Mysterien betrachtet, sondern ist in seinen äußeren Formen von Anfang an als deren<br />
Antipode aufgetreten, selbst wenn gewisse rituelle Handlungen, wie beispielsweise die Taufe,<br />
Gemeinsamkeiten mit den Mysterien erkennen lassen. Die Mysterien stellten, was sittlich<br />
moralische Haltung, Herkunft und körperliche Kraft betraf, hohe Anforderungen an<br />
diejenigen, die Zulassung erbaten. Bewußt sollten sie nur wenigen zugänglich sein. Verschärft<br />
wurde die Exklusivität ohnehin durch die gesellschaftliche Struktur der Antike, deren<br />
wirtschaftliche Existenz ausschließlich auf den Rücken von mehr oder weniger rechtlosen<br />
Sklaven ruhte. Mysterien werden von Göttern gestiftet, aber von Menschen zelebriert. Ein<br />
Satz, der gerade auch in Verbindung mit dem Golden Dawn nie vergessen werden darf. Er<br />
bedeutet, daß innerhalb der aus der Mysterientradition hervorgehenden Bewegungen, Logen<br />
und Orden ein überzüchtetes, elitäres Bewußtsein, das in manchen Fällen auch faschistoide<br />
Züge annehmen kann, stets als latente Gefahr vorhanden ist. Die Geschichte zeigt, daß<br />
manche Orden und Bewegungen dieser Gefahr nicht in ausreichendem Maße widerstanden<br />
haben und ihre privilegierte Position zu Machtmißbrauch eingesetzt haben. Damit haben sie<br />
selbst zu ihrem Untergang oder zu ihrer Degeneration beigetragen. Demgegenüber postulierte<br />
das frühe Christentum, daß Einweihung, die Erfahrung der göttlichen Nähe auch dem Sünder,<br />
Armen und Gebrechlichen zugänglich sei. Man kann die Bergpredigt von Jesus in gewissem<br />
Sinne auch als Gegenposition zu den Degenerationserscheinungen der antiken Mysterien<br />
verstehen. Es bleibt die Tragödie der letzten 1500 Jahre, daß das Christentum durch den<br />
unseligen Bund mit dem sterbenden Römischen Reich nicht mehr in der Lage war, das zu<br />
verwirklichen, was ursprünglich gemeint war, und die Kirche nun selbst auf die Seite der<br />
Herrschenden und ihrer Gewalt geriet, ohne indessen das Licht, das in den Mysterien<br />
zweifellos vorhanden ist, allgemein zugänglich zu machen.<br />
Die durch die Mysterien vermittelte Kosmogonie (Kosmogonie bezeichnet eine Synthese von<br />
Religion und Naturwissenschaft) beruht auf dem Prinzip der Evolution. Damit ist gemeint,<br />
daß sich die Menschheit wie auch der einzelne Mensch auf einem stetigen Weg der<br />
Entwicklung befindet. Dem Individuum ist es praktisch unmöglich, inmitten all der<br />
Zeitwirren, Kriege, der politischen und kulturellen Umwälzungen das Gesetz dieser Evolution<br />
zu erkennen, weil es größere Dimensionen umfaßt, als Verstand und Bewußtsein des<br />
einzelnen Menschen zu überblicken imstande sind. Aufgabe der Mysterien ist es nun, dem<br />
einzelnen Menschen die Perspektive für dieses Größere zu öffnen und ihm damit zu