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Israel Regardie

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konnten und daß dort der Orden der Templer im Verborgenen weiterbestanden habe. Manche<br />

Freimaurerlogen führen ihre Geschichte bis zur Tradition der Templer zurück, und dies mag<br />

bei der Gründung des Golden Dawn keine unwesentliche Rolle gespielt haben.<br />

Der Golden Dawn verstand sich ausdrücklich als ein rosenkreuzerischer Orden, das heißt, er<br />

sah sich in der legitimen Nachfolge der. Rosenkreuzer, deren geheimnisvolle Existenz nie<br />

eindeutig geklärt worden ist, die aber in Europa in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg<br />

einen wichtigen geistigen Einfluß ausgeübt hatten.<br />

Im Jahre 1614 erschien unter dem Titel Allgemeine und Generalreformation der ganzen<br />

weiten Welt, die Fama Fraternitatis. Gerücht der Bruderschaft des Hochlöblichen Ordens des<br />

Rosencreutz an alle Gelehrten und Häupter Europas eine anonyme Schrift, die bald weite<br />

Verbreitung fand. In ihr war die Erzählung vom Vater Rosencreutz enthalten, der mit<br />

sechzehn Jahren in den Orient reiste und dort das heilige Land, die Türkei und Arabien<br />

besuchte, wo er die geheimen hermetischen Wissenschaften kennenlernte. Das Gelernte<br />

schrieb er in ein Buch. Kernstück dieser Lehren war die Übereinstimmung und Harmonie<br />

zwischen dem Menschen und dem Kosmos. Alles, was der Mensch tut und spricht sowie sein<br />

körperlicher und seelischer Zustand müssen im Einklang mit dem großen Kosmos sein. Mit<br />

diesem esoterischen Wissen und diesen Kenntnissen ausgestattet ging Christianus<br />

Rosencreutz nach Europa zurück, um das, was er im Osten gelernt hatte, auch dem Westen<br />

zugänglich zu machen. Aber er mußte bald erkennen, daß die Zeit dazu noch nicht reif war,<br />

und so kehrte er nach Deutschland zurück, lebte zurückgezogen in seinem Haus, um sich nur<br />

noch ganz seinen Studien zu widmen. Er soll den Stein der Weisen besessen haben, das heißt<br />

die Fähigkeit, Gold zu machen und sein Leben fast beliebig zu verlängern. Von beidem<br />

machte er allerdings keinen Gebrauch. Er fand drei Schüler und lehrte sie alles, was er im<br />

Osten gelernt hatte. Er gab ihnen den Auftrag, wenn die Zeit dazu reif würde, diese Lehren an<br />

die Mitglieder einer dann zu gründenden, geheimen Bruderschaft weiterzugeben. Die<br />

Mitglieder sollten von ihren Fähigkeiten Gebrauch machen, indem sie ohne Entgelt Kranke<br />

heilten. In jedem Land, in dem sie sich niederließen, sollten sie die dort übliche Kleidung<br />

tragen sowie seine Gebräuche und Gesetze achten. Hundert Jahre lang soll die Bruderschaft<br />

im Geheimen arbeiten und erst dann wieder an die Öffentlichkeit treten.<br />

Nach der Erzählung starb Christianus Rosencreutz im Jahre 1484 im Alter von 106 Jahren<br />

und wurde an einem geheimen Ort beigesetzt. Während hundertzwanzig Jahren arbeiteten die<br />

Brüder im Verborgenen, dann wurde durch einen Zufall die Grabstätte von Christianus<br />

Rosencreutz wieder entdeckt. In der Grabstätte fanden die Brüder Symbole und Figuren sowie<br />

Schriften von Christianus Rosencreutz. Der Leichnam selbst war unversehrt erhalten. Die<br />

Brüder entnahmen dem Grabgewölbe die Schriften, versiegelten die Gruft erneut und setzten<br />

ihre Tätigkeit fort.<br />

Der Golden Dawn hat sich ohne Zweifel als der in der Fama Fraternitatis designierte<br />

Nachfolgeorden verstanden, der nach ziemlich genau 200 Jahren nach Auffindung des Grabes<br />

von Christianus Rosencreutz dessen Erbe übernehmen und weiterführen sollte. Das<br />

Einweihungsritual zum sogenannten Zweiten Orden des Golden Dawn hat die Geschichte der<br />

Auffindung des Grabes von Christian Rosencreutz zum Inhalt.<br />

Obgleich das Rosenkreuzertum in Deutschland seinen Ursprung hatte (wie wir sehen werden,<br />

suchten die Mitglieder des Golden Dawn immer wieder nach noch eventuell bestehenden<br />

Spuren des Ordens in Deutschland), fand es in England seine prägnantesten Vertreter und<br />

seine lebendigste Tradition. Bereits John Dee, Magier und früher Spiritist, vertrat<br />

rosenkreuzerische Ideen; indessen ist es umstritten, ob er wirklich mit den echten<br />

Rosenkreuzern in Verbindung stand. Ferner ist der Arzt und Gelehrte Robert Fludd (1574-<br />

1637) zu nennen, der verschiedene vom Geist der Rosenkreuzer durchdrungene Werke<br />

schrieb.<br />

Im Jahre 1866 wurde die Societas Rosicruciana in Anglia, abgekürzt S.R.I.A., die<br />

rosenkreuzerische Gesellschaft in England gegründet. Ihre Mitglieder waren Freimaurer, die

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