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Sentinel schließlich wachte über die Vorräume des eigentlichen Tempels, wo er den<br />
Kandidaten auf das jeweilige Initiationsritual vorbereitete. Für bestimmte Ämter war die<br />
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Grad erforderlich, aber alle Ämter standen auch den<br />
weiblichen Ordensangehörigen offen. In diesem Fall wurden die Namen in folgender Weise<br />
verwendet: Hierophantia, Hireia, Hegemonia, Dadouche, Sentinel.<br />
Die Ritualgewänder der Amtsträger werden in den ritualexegetischen Schriften, die in dieser<br />
Ausgabe enthalten sind, ausführlich beschrieben und kommentiert. Die Mitglieder trugen bei<br />
der Zelebrierung der Rituale eine schwarze Tunika mit einer Schärpe, auf welcher der Grad<br />
bezeichnet war, den das jeweilige Mitglied im Orden innehatte. Angehörige des Zweiten<br />
Ordens trugen zwei gekreuzte Schärpen. Wer wollte, konnte eine schwarz- weiß gestreifte<br />
Nemys tragen, die bekannte ägyptische Kopfbedeckung. Erlaubt waren ferner auch mit den<br />
Gesichtszügen des Osiris versehene schwarze Masken, die nach genauer Anweisung verfertigt<br />
werden mußten. Für das Aufnahmeritual war der Neophyt in eine schwarze Robe gekleidet, er<br />
trug rote Schuhe, und ein Seil war dreifach um seinen Leib geschlungen.<br />
Der Zweite oder Innere Orden<br />
Der Zweite Orden, in den man mit der Aufnahme in den Grad eines Adeptus Minor 5 — 6<br />
gelangte, war der eigentliche Kern des Golden Dawn. Alles, was im Ersten Orden geschah,<br />
diente nur der Vorbereitung auf den Zweiten Orden. Er war das eigentliche Werk von<br />
Mathers. Ursprünglich waren für den zweiten Orden keine speziellen Aufnahmerituale<br />
vorgesehen. Entsprechend geeignete Personen des Ersten Ordens wurden mittels einer<br />
einfachen Ernennung zu Angehörigen des Zweiten Ordens. Später schuf Mathers kunstvolle<br />
Rituale, und es wurde genau festgelegt, welche Bedingungen ein Kandidat erfüllen mußte, um<br />
in den Zweiten Orden zu promovieren. Erst da begann die eigentliche magische Praxis. Wer<br />
neu in den Zweiten Orden aufgenommen wurde, hatte eine ganze Reihe festgelegter Arbeiten<br />
zu verrichten. Er mußte nach genauen schriftlichen Anweisungen mit eigener Hand seine<br />
magischen Werkzeuge herstellen und sie mit den entsprechenden Ritualen weihen. Im übrigen<br />
wurde nun von ihm erwartet, daß er seine magischen Studien und Arbeiten selbständig<br />
weiterführen konnte. Die entsprechenden Erfahrungen wurden in den sogenannten Flying-<br />
Rolls niedergeschrieben, die unter den Mitgliedern des Zweiten Ordens zirkulierten. Sie<br />
galten nicht als offiziell anerkannte Lehrschriften. Gleichgesinnte schlössen sich zu<br />
Studiengruppen zusammen. Da im Zweiten Orden eine eigentliche straffe Führung mit der<br />
entsprechenden rituellen Struktur fehlte, (die Mitglieder des Zweiten Ordens versammelten<br />
sich nur einmal im Jahr zu einer Art Rapport), verlagerte sich die Arbeit des Ordens<br />
schwerpunktmäßig in diese Studiengruppen, deren bekannteste die »Sphäre« um Florence<br />
Farr war. Vieles, ja vielleicht das meiste, was im Golden Dawn mit Magie bezeichnet wurde,<br />
ist unter Verwendung einer anderen Terminologie und mit anderen »Ritualen« längst<br />
Bestandteil der modernen Psychologie und Psychotherapie geworden. Die magische Praxis<br />
von damals trägt jetzt die Namen Katatymes Bilderleben, Aktive Imagination, Gestalttherapie,<br />
Psychosynthese, Bioenergetik, Reichsche Körperarbeit, Rebirthing und so weiter. (Dem<br />
Kenner werden übrigens beim Studium des Ordensmaterials sofort die Parallelen zur<br />
Analytischen Psychologie G.G. Jungs sowie zur Psychoanalyse Freuds auffallen.)<br />
Für die meisten Mitglieder des Golden Dawn endete ihre magische Karriere wohl mit der<br />
Aufnahme in den Zweiten Orden. Die Kriterien und die Anforderungen, die dort gestellt<br />
wurden, waren wohl nur für professionelle Magier erfüllbar, kaum aber für die Amateure des<br />
Golden Dawn, die nicht im geringsten daran dachten, ihr bürgerliches Leben entsprechend<br />
ihren esoterischen Erkenntnissen zu verändern. Esoterik war für sie ein Hobby, vielleicht ein<br />
Spleen, nicht mehr als eine amüsante Abwechslung im Alltag. Zwar gab es einzelne<br />
Mitglieder, welche die Herausforderung des Golden Dawn ernstnahmen. So etwa Aleister