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abhängigkeit 2014 Potsdam 1,50 EUR

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kunst<br />

Wieder meiner Erwartung empfinde ich keine<br />

Panik oder Verzweiflung. Ich bin absolut gleichgültig<br />

– es ist egal was mit diesem Mädchen<br />

passiert.<br />

Ihr Schicksal ändert nichts an der allumfassenden<br />

Ödnis, es ist nicht wichtig.<br />

Ich will nicht wissen, wie es weitergeht, nicht<br />

die Bilder eines toten Mädchens im Kopf haben.<br />

Doch ich kann meinen Blick nicht abwenden,<br />

denn eine grausame Kraft zwingt mich, bei ihr<br />

zu bleiben. Adrenalin schießt durch mein Blut,<br />

lässt mich schließlich doch unruhig werden. Ich<br />

blicke dem Mädchen ins Gesicht.<br />

Sie nimmt mich gar nicht wahr, ist viel zu<br />

beschäftigt mit sich selbst und ihrem eigenen<br />

Schicksal. Oder vielleicht kann sie meinen Blick<br />

auch gar nicht erwidern, so etwas können Tote<br />

nicht. Wahrscheinlich ist es genau das, was die<br />

Menschen am Tod eines anderen so unerträglich<br />

finden – dass sie nie wieder Aufmerksamkeit<br />

von ihm bekommen werden.<br />

Die Kälte und Abgebrühtheit meiner Gedanken<br />

erschrecken mich selbst. Wann habe ich es verlernt,<br />

eine von den Guten zu sein<br />

Wenn ich könnte, ich wahrscheinlich anfangen<br />

zu weinen, die Stille mit meinen einsamen<br />

Schluchzern durchbrechen. Doch das wäre dem<br />

Ganzen nicht gerecht, es würde nicht ausreichen.<br />

Es scheint plötzlich nichts Elementareres<br />

als die Trennung zwischen Leben und Tod zu<br />

geben, nichts anderes ist einen Gedanken wert.<br />

Die Ödnis droht mich zu verschlucken und mit<br />

mir alles, was ich kenne. Bis schließlich nichts<br />

mehr übrig ist.<br />

lh<br />

musik<br />

sound.<br />

Regelmäßig veröffentlichen wir auf unserer<br />

Website eine Reihe namens sound. in der wir<br />

<strong>Potsdam</strong>er Künstler vorstellen. Jeder liefert uns<br />

dazu ein kleines Interview und einen Track.<br />

Plötzlich fühle ich mich sehr verbunden mit<br />

dem toten Mädchen – die Angst, ohne sie in<br />

dieser Ödnis zurückzubleiben, droht mich zu<br />

ersticken.<br />

Ich schwebe über ihr, nehme mir Zeit ihr Gesicht<br />

eingehend zu betrachten, mir die markanten<br />

Züge einzuprägen.<br />

Irgendwoher kenne ich dieses Gesicht, die<br />

Farbe ihrer Augen und die Beschaffenheit ihrer<br />

Haut. Das Mädchen ist mir sehr vertraut, als<br />

hätte ich sie vor langer Zeit einmal sehr gut<br />

gekannt.<br />

Da verlässt jegliche Spannung ihren Körper und<br />

ihre Augen starren nicht länger unbestimmt vor<br />

sich hin, sie sind einfach tot.<br />

Ein Schrecken durchfährt mich, denn jetzt bin<br />

ich allein. Allein in dieser grausamen Landschaft,<br />

gefangen in meinen Gedanken, die sich<br />

plötzlich nur noch um das Mädchen drehen.<br />

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