abhängigkeit 2014 Potsdam 1,50 EUR
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Der zeigt gerade einen Bluescreen, anscheinend<br />
läuft er permanent. Ein Spalt in den zerrissenen<br />
Vorhängen lässt etwas Licht in das abgedunkelte<br />
Zimmer. Gerade genug, um auf dem Couchtisch<br />
in der Mitte losen Tabak und einige leere<br />
Chipstüten erkennen zu können. Als ich den<br />
hier sitzenden Bewohnern die Hand schütteln<br />
will, sinkt mein Fuß im Teppich ein – ein Loch<br />
im Holzfußboden darunter. Der fleckige Teppich<br />
ist wohl irgendwann einmal beige gewesen.<br />
ch werde in den Garten gelotst, der Weg führt<br />
durch eine zertrümmerte Glastür mit Holzrahmen<br />
und vorbei an einem weiteren Einkaufswagen.<br />
Links und rechts hat einiges Gerümpel<br />
seinen Platz an der Hauswand gefunden. Außerdem<br />
steht dort ein Tisch, dessen Pressholzplatte<br />
sich aufgrund von Feuchtigkeit unter<br />
der Last des Krempels durchgebogen hat. Auf<br />
der Unkraut überwucherten Rasenfläche steht<br />
ein Orangenbaum. Von ihm spannen sich voll<br />
gehängte Wäscheleinen zu mehreren Pfosten<br />
des heruntergekommenen Gartenzauns. Ein<br />
unvermeidlicher dritter Einkaufswagen, voll mit<br />
Wäsche, wird gerade von einem weiteren Bewohner<br />
des Hauses durch das Unkraut geschoben.<br />
Ich gehe über den schmalen Trampelpfad<br />
zur Sitzecke im hinteren Teil. Hier stehen noch<br />
ältere, noch weniger zusammengehörende Sofas<br />
auf einem Teppich mitten im Garten. Da es<br />
Sommer und die meiste Zeit über sehr heiß und<br />
trocken ist, mache ich mir keine Gedanken über<br />
Schimmel und lasse mich auf eine durchgesessene,<br />
braune Couch sinken. Eine Metallstange<br />
in der Lehne heißt mich willkommen.<br />
Da unsere Gastgeber gerade reingegangen sind,<br />
um Snacks und Drinks zu besorgen, bleibt uns<br />
etwas Zeit, unsere Eindrücke auszutauschen.<br />
Es wird mir von einem riesigen Geschirrberg in<br />
der Spüle der Küche berichtet, sowie von einem<br />
verdreckten Gasofen und heruntergefallenen<br />
und liegengelassenen Essensresten berichtet,<br />
was mich auch nicht weiter wundert. Über die<br />
Zahl der Bewohner herrscht Uneinigkeit. Wir<br />
fragen uns, ob überhaupt genug Betten vorhanden<br />
sind, für die wenigen Nächte die wir hier<br />
verbringen wollen.<br />
Als alle Bewohner sich dazusetzen, sind wir<br />
etwa fünfzehn Leute. Wir kuscheln uns auf den<br />
nicht ausreichenden Sitzgelegenheiten aneinander.<br />
Die übrigen Bewohner, zwei Straßenmusiker<br />
aus Deutschland und zwei Italiener, sind<br />
nicht anwesend, wird uns gesagt. Ich überschlage<br />
und komme auf vierzehn Bewohner, mit uns<br />
werden es für ein paar Tage zwanzig sein. Und<br />
ein Badezimmer. Für die paar Nächte wird es<br />
ausreichen. Ich lehne mich zurück, schließe die<br />
Augen und genieße den Schatten, den die in der<br />
leichten Brise knisternde, schwarze Plane über<br />
uns spendet. Ein Strahl Sonnenlicht, der durch<br />
ein halbherzig zugeklebtes Loch in der Plane<br />
auf mein Gesicht fällt, versucht mich zu ärgern,<br />
aber ich bin viel zu müde, um mich davon stören<br />
zu lassen.<br />
Zwei Monate später waren wir die Hauptmieter<br />
des shit holes, wie unsere Freunde das<br />
baufällige Haus liebevoll getauft hatten. Die<br />
Wohnungssuche hatte sich als aussichtslos<br />
herausgestellt, also hatten wir nach ein paar<br />
Wochen anfangen müssen, Miete zu bezahlen.<br />
Der Manager, ein Estländer, der sich zu der Zeit<br />
illegal in Australien aufgehalten hat, von dem<br />
niemand mehr wusste als seinen Spitznamen<br />
und dass er im Suff die Gartentür zertrümmert<br />
hatte, kam jeden Samstag zu Besuch, um die<br />
Miete einzusammeln. Diese fiel bei so vielen<br />
Bewohnern und dem Umstand, dass die Gemeinde<br />
plante, das Haus aufgrund von Unbewohnbarkeit<br />
bald abzureißen, äußerst niedrig<br />
aus. Das Haus offenbarte uns mit der Zeit<br />
weitere Facetten seines Verfalls: Zum Haustürschloss<br />
gab es keinen Schlüssel, was aber egal<br />
war, da man sowieso durch das Fenster daneben<br />
hätte einsteigen können. Des weiteren hatte<br />
das Dach einige Löcher und bei genug Regen<br />
gab es im Wohnzimmer einen steten Wasserstrahl,<br />
dem wir den größten der 6 aufgestellten<br />
Eimer widmeten. Außerdem besaßen wir mittlerweile<br />
unsere eigenen Schlamm bespritzten<br />
Arbeitsstiefel, da wir bei der gleichen Agentur,<br />
die ungelernte Arbeiter an Baustellen vermittelte,<br />
Arbeit gefunden hatten.<br />
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elsewhere.