AUFTRAG_280_150dpi_2.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
über unzureichende Sprachkenntnisse.<br />
Diyanet ist in dem laizistischen<br />
Staat Türkei eine staatliche Einrichtung<br />
zur Verwaltung religiöser Angelegenheiten<br />
und direkt dem Ministerpräsidenten<br />
unterstellt. Gleichzeitig<br />
ist es die höchste islamische Autorität<br />
des Landes ist.<br />
Der Zentralrat der Muslime in<br />
Deutschland (ZMD) vertritt überwiegend<br />
nichttürkische Muslime in<br />
Deutschland und hat zwischen 15.000<br />
und 20.000 Mitglieder. Somit vertritt<br />
auch er nur eine kleine Minderheit<br />
in der großen Menge von Muslime in<br />
Deutschland, auch wenn er anders<br />
auftritt.<br />
Der Verband der islamischen Kulturzentren<br />
in Deutschland (VIKZ)<br />
wurde 1973 in Köln gegründet und<br />
versteht sich als politisch neutral. Der<br />
Verband kümmert sich hauptsächlich<br />
um religiöse, soziale und kulturelle<br />
Bedürfnisse von Muslime. Der Verband<br />
gehörte zu den Gründungsmitgliedern<br />
des ZMD, trat aber 2000 aus.<br />
Ihm gehören ca. 300 Moscheevereine<br />
in ganz Deutschland an.<br />
Der Islamrat für die Bundesrepublik<br />
Deutschland (IR) gehört neben<br />
dem kleineren ZMD zu den bedeutendsten<br />
Dachverbänden der Muslime<br />
in Deutschland. Er vertritt ca.<br />
37 Verbände mit 40.000 bis 60.000<br />
Mitgliedern. Auch er kümmert sich<br />
hauptsächlich um die religiöse Unterrichtung<br />
der jungen Muslime, die<br />
nach wie vor in Deutschland hauptsächlich<br />
nicht in den öffentlichen<br />
Schulen – und damit kontrollierbar<br />
– vorgenommen wird, sondern in eigenen<br />
islamischen Akademien, eigenen<br />
Schulheimen oder in normalen<br />
Gebäuden. Eine Übersicht über<br />
Lehrpläne besteht nicht, da jede eigene<br />
Glaubensrichtung ihre eigenen<br />
Vorstellungen in ihren Unterrichtungen<br />
vorzieht.<br />
Um die Vielschichtigkeit der islamischen<br />
Landschaft in Deutschland<br />
abzubilden, sind den Vertretern dieser<br />
Verbände weitere zehn Einzelpersönlichkeiten<br />
zur Seite, wie zum Beispiel<br />
im ersten Plenum die Ärztin und<br />
Vorsitzende des Deutsch-Türkischen<br />
Clubs Dr. Ezhar Cezairli oder die bekanntere<br />
Autorin und Soziologin Dr.<br />
Necla Kelek.<br />
Unterhalb des Plenums arbeitet<br />
die DIK in drei Arbeitsgruppen mit<br />
den Titeln: Deutsche Gesellschaftsordnung<br />
und Wertekonsens, Religionsfragen<br />
im deutschen Verfassungsverständnis<br />
und Wirtschaft und Medien<br />
als Brücke. Der Gesprächskreis<br />
Sicherheit und Islamismus hat einen<br />
anderen Status als die Arbeitsgruppen<br />
und auch weniger Mitglieder. Er<br />
behandelt das sensible Thema wie<br />
Muslime und deutsche Sicherheitskräfte<br />
zusammenarbeiten können, um<br />
Gefährdungen durch den militanten<br />
Islamismus zu verringern. Bei den<br />
Themen war es nicht verwunderlich,<br />
dass in den vier großen Plenumssitzungen<br />
keine „großen Würfe“ zu verabschieden<br />
waren. Immerhin einigten<br />
sich die Teilnehmer und verständigten<br />
sich auf eine gemeinsame Wertebasis<br />
und ein gemeinsames Verständnis von<br />
Integration. Diese verlangt Zuwanderern<br />
„ein höheres Maß an Anpassung<br />
ab, insbesondere an die auf Recht,<br />
Geschichte und Kultur Deutschlands<br />
beruhenden Orientierungen der Aufnahmegesellschaft.“<br />
Insgesamt wurden von den Teilnehmern<br />
als Ergebnis dieser ersten<br />
Phase fünf Thesen, die den gemeinsamen<br />
Wertekonsens verdeutlichen<br />
sollen:<br />
– ein friedliches und respektvolles<br />
Zusammenleben braucht Integration<br />
– Integration ist mehr als Deutsch<br />
lernen<br />
– Grenzen setzen, um Freiheiten zu<br />
garantieren<br />
– Verantwortung übernehmen – Demokratie<br />
leben<br />
– Wissen vermehren – Forschungsdefizite<br />
verringern<br />
Aufgrund dieser erfolgreichen<br />
ersten Phase wurde im Koalitionsvertrag<br />
die Fortsetzung der Deutschen<br />
Islamkonferenz festgeschrieben. Das<br />
Modell in drei Arbeitsgruppen und<br />
einem Gesprächskreis einem Plenum<br />
zuzuarbeiten wurde beibehalten,<br />
ebenso wie die Titel dieser Gremien.<br />
Problem Menschenrechte<br />
Die Resolution 217 A (III) vom<br />
10.12.1948 der Vereinten Nationen<br />
verkündete „Die Allgemeine Erklärung<br />
der Menschenrechte“. Nach<br />
einer Präambel erklärt die Völkergemeinschaft<br />
in 30 Artikeln die unveränderlichen<br />
Rechte und Freiheiten<br />
der Menschen. Man könnte der Meinung<br />
sein, dass dies eigentlich genügen<br />
würde. Trotzdem verabschiedeten<br />
1990 die 45 Mitglieder der Organisation<br />
der Islamischen Konferenz in<br />
Kairo (höchstes weltliches Gremium<br />
der Muslime) die „Menschenrechte<br />
im Islam“. Darin kann man ähnliche<br />
Formulierungen lesen wie in der Erklärung<br />
der VN, jedoch endet die Kairoer<br />
Erklärung der Menschenrechte<br />
im Islam mit den Artikel 24 und 25:<br />
– „Artikel 24:<br />
– Alle Rechte und Freiheiten, die<br />
in dieser Erklärung genannt wurden,<br />
unterstehen der islamischen<br />
Scharia.<br />
– Artikel 25:<br />
– Die islamische Scharia ist die<br />
einzig zuständige Quelle für die<br />
Auslegung oder Erklärung jedes<br />
einzelnen Artikels dieser Erklärung.“<br />
Somit gibt es kein naturgegebenes<br />
Recht des Menschen, im Islam gibt<br />
es nur die Auslegungen der Scharia,<br />
die zudem in fünf Ausprägungen unterschiedlich<br />
gehandhabt wird.<br />
Problem „Ausbildung<br />
der Ausbilder“<br />
Für die christlichen Priester und<br />
jüdischen Rabbiner gibt es Hochschulen,<br />
die nach wissenschaftlichen<br />
Standards ein universitäres Studium<br />
der jeweiligen Theologie durchlaufen<br />
und Prüfungen ablegen. Im Islam gibt<br />
es keinerlei derartige Einrichtungen.<br />
Es gibt Glaubensschulen, die ihre unterschiedlichen<br />
Auffassungen nach<br />
den Lehren des jeweiligen Ayatollah<br />
lehren, aber keine wissenschaftliche<br />
Reflektion. Es gibt Lehrstühle für Islamwissenschaft,<br />
die aber seit 1985<br />
nicht erweitert wurden obwohl die Anzahl<br />
der Studierenden um 60 % gestiegen<br />
ist.3 Diese beschäftigen sich mit<br />
dem Islam als Religion, Kultur und<br />
als politische Richtung, bilden aber<br />
keine Geistlichen aus. Erst ab dem<br />
Wintersemester 2011/2012 sollen an<br />
den Universitäten Münster – Osnabrück<br />
gemeinsam sowie an der Universität<br />
Tübingen Islamstudiengänge<br />
eingerichtet werden, die eine Ausbildung<br />
von muslimischen Geistlichen<br />
in Deutschland ermöglichen sollen.<br />
3 „Das ungeklärte Selbstverständnis der<br />
Islamwissenschaft“ Reinhard Schulze in<br />
der FAZ am 11.11.2010<br />
20 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>280</strong> • DEZEMBER 2010