AUFTRAG_280_150dpi_2.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
den einer Schlucht vorgeführt. In lockerer<br />
Runde sprach sie unter einem<br />
aufgespannten Fallschirm mit <strong>Soldaten</strong>.<br />
Im Vorfeld des 3. Golfkrieges<br />
(„Irakkrieg“) galten Angela Merkels<br />
Sympathien den USA. Im Gegensatz<br />
zu ihrem Vorgänger Schröder hielt sie<br />
diesen Krieg für „unvermeidbar“ und<br />
vermutlich wären – hätte sie zu dieser<br />
Zeit bereits Regierungsverantwortung<br />
getragen – auch deutsche <strong>Soldaten</strong><br />
in diesem völkerrechtlich umstrittenen<br />
Krieg eingesetzt worden. Im Juli<br />
2005 besuchte Frau Merkel erstmals<br />
deutsche <strong>Soldaten</strong> des 11. KFOR-<br />
Einsatzkontingents, gestellt von der<br />
Gebirgsjägerbrigade 23, im Kosovo.<br />
Am 26. Oktober 2005 nahm Angela<br />
Merkel als Parteivorsitzende der CDU<br />
– neben u. a. Bundespräsident Köhler<br />
und Kanzler Schröder – am Großen<br />
Zapfenstreich anlässlich des 50. Geburtstages<br />
der Bundeswehr teil, der<br />
erstmals vor dem Reichstagsgebäude<br />
in Berlin begangen wurde. Diese<br />
Feier konnte nur unter umfangreichen<br />
Sicherheitsmaßnahmen stattfinden.<br />
Nach der Wahl zum 16. Deutschen<br />
Bundestag am 18. September<br />
2005 kam es zur Bildung einer großen<br />
Koalition, der zweiten in der Geschichte<br />
der Bundesrepublik. Am 22.<br />
November wurde Dr. Angela Merkel<br />
zum achten Regierungschef gewählt<br />
– in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur:<br />
Sie war die erste Frau, mit 51 Jahren<br />
die jüngste in diesem Amt, die<br />
erste Ostdeutsche und nach drei Juristen,<br />
zwei Wirtschaftswissenschaftlern,<br />
sowie einem Journalisten und<br />
einem Historiker die erste Naturwissenschaftlerin.<br />
In ihrer ersten Regierungserklärung<br />
am 30.11.2005 nahm<br />
sie zu sicherheitspolitischen und militärischen<br />
Themen nur kurz Stellung.<br />
Sie bekräftigte, dass sie an der unter<br />
Kanzler Schröder beschlossenen<br />
Struktur und Stationierung festhalten<br />
werde, bekannte sich zur Wehrpflicht<br />
und versichert, darauf zu achten,<br />
„dass die Ziele und Fähigkeiten<br />
der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
immer in einem Gleichgewicht<br />
bleiben. Deshalb werden wir<br />
den Umbau der Bundeswehr zu einer<br />
Einsatzarmee konsequent fortsetzen.<br />
Der Kernauftrag der Bundeswehr …,<br />
die Landesverteidigung, bleibt dabei<br />
natürlich unverändert gültig“.<br />
Ihre Aussage zum Verhältnis zwischen<br />
Armee und Bevölkerung war<br />
und ist von Wunschdenken geprägt:<br />
„Sie hat sich in den vergangenen<br />
Jahrzehnten als die für unser Land<br />
beste Wehrform erwiesen, … . Ich<br />
glaube, dass es …ganz wichtig ist,<br />
eine Bundeswehr zu haben, die sich<br />
sicher sein kann, dass sie eine tiefe<br />
Verankerung in der deutschen Bevölkerung<br />
hat“.<br />
Nach zwölf Jahren wurde im<br />
Herbst 2006 wieder ein Weißbuch<br />
zur Sicherheitspolitik herausgegeben.<br />
Im Vorwort schrieb die Kanzlerin:<br />
„Die unterschiedlichen Instrumente<br />
des Regierungshandelns müssen<br />
… koordiniert und wann immer<br />
möglich konfliktpräventiv zur Wirkung<br />
gebracht werden. Wir setzen<br />
auf Verhandlungslösungen und versuchen,<br />
Krisen bereits im Vorfeld zu<br />
entschärfen“.<br />
Diesem Ansatz folgt die Definition<br />
des Begriffes „vernetzte Sicherheit“:<br />
„Nicht in erster Linie militärische,<br />
sondern gesellschaftliche, ökonomische,<br />
ökologische und kulturelle<br />
Bedingungen, die nur in multinationalem<br />
Zusammenwirken beeinflusst<br />
werden können, bestimmen die künftige<br />
sicherheitspolitische Entwicklung.<br />
Sicherheit kann daher weder<br />
rein national noch allein durch Streitkräfte<br />
gewährleistet werden“. 5<br />
Die Aussage, „wir müssen Krisen<br />
und Konflikten rechtzeitig dort begegnen,<br />
wo sie entstehen und dadurch<br />
ihre negativen Wirkungen von Europa<br />
und unseren Bürgern möglichst weitgehend<br />
fernhalten“ 6 , ist widersprüchlich.<br />
Gemeint ist damit zwar die Ursachenbekämpfung<br />
von Problemen, d.<br />
h. das Entschärfen von Krisen bereits<br />
im Vorfeld ihres Entstehens, aber es<br />
kann fälschlicherweise auch als Konzept<br />
einer offensiven Militärdoktrin,<br />
die das Grundgesetz eindeutig untersagt,<br />
verstanden werden. In Öffentlichkeit<br />
und Medien gab es – anders<br />
5 Weißbuch 2006 S. 29<br />
6 Weißbuch 2006 S. 22. Es handelt sich<br />
um die Wiedergabe eines Satzes von<br />
Verteidigungsminister Jung auf dem<br />
„23rd International Workshop on Global<br />
Security“ in Berlin am 18. Mai 2006.<br />
Bundespräsident Herzog hatte sich bei<br />
der Gesellschaft für Auswärtige Politik<br />
in Bonn bereits am 13. März 1995<br />
ähnlich ausgedrückt: „Wenn wir den<br />
Risiken nicht vor Ort begegnen, werden<br />
sie zu uns kommen.“<br />
als bei den Äußerungen von Bundespräsident<br />
Köhler im Mai 2010 – keine<br />
kritische Reaktion darauf. Die Herausgabe<br />
des Weißbuches wurde durch<br />
die Veröffentlichung makabrer Fotos<br />
überschattet, auf denen deutsche<br />
<strong>Soldaten</strong> in Afghanistan auf obszöne<br />
Weise mit Totenschädeln postierten.<br />
Sie lösten einen Sturm der Empörung<br />
aus. Doch nachdem sich der übliche<br />
Medienrummel gelegt hatte, blieb von<br />
einem „der größten Skandale“ – so<br />
das „Hamburger Abendblatt“ – wenig<br />
übrig. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft<br />
München stellte das Ermittlungsverfahren<br />
gegen zwei der sechs<br />
Beteiligten – vier waren nicht mehr<br />
bei der Bundeswehr – ein, da „keine<br />
strafbare Störung der Totenruhe vorgelegen<br />
habe.“ 7<br />
Das erste Kabinett Merkels umfasste<br />
einschließlich der Kanzlerin<br />
19 Personen, darunter sieben Damen;<br />
von den zwölf Ministern hatten<br />
sieben gedient, fünf waren ungedient.<br />
8<br />
Der Jurist Dr. Franz Josef Jung (*<br />
1949) wurde in das Amt des Verteidigungsministers<br />
berufen. Er war am<br />
1.Juli 1968 als Rekrut beim Pionierbataillon<br />
5 in Lahnstein eingetreten<br />
und wurde nach der Grundausbildung<br />
heimatnah zur 1. Batterie des Flugabwehrbataillons<br />
5 in die Rheingau-<br />
Kaserne in Lorch versetzt. Von Januar<br />
bis März 1969 nahm Jung als Gefreiter<br />
und Offizieranwärter (OA) an<br />
der Unteroffizier-Vorausbildung bei<br />
der 3. Batterie des Flugabwehrbataillons<br />
7 in Handorf bei Münster teil.<br />
Nach 15 Monaten wurde Jung vorzeitig<br />
entlassen, da er im elterlichen<br />
Betrieb benötigt wurde. Jungs Wahl<br />
erfolgte aus Gründen der Parteiräson.<br />
„DER SPIEGEL“ bezeichnete<br />
den hessischen Weinfachmann als<br />
„überfordert“. Sicherheits- und Mi-<br />
7 Die 2003 gefundenen Totenschädel<br />
stammten nicht von einem Friedhof,<br />
sondern von einem Gelände, auf dem<br />
die afghanische Bevölkerung seit Jahren<br />
Lehm für ihre Häuser abbaute. Eine<br />
Ordnungswidrigkeit wegen Belästigung<br />
der Allgemeinheit war inzwischen verjährt.<br />
8 Wehrdienst in der Bundeswehr haben<br />
geleistet: Gabriel (SPD), Dr. Jung<br />
(CDU), zu Guttenberg (CSU), de<br />
Maizière (CDU), Müntefering (SPD),<br />
Steinbrück (SPD) und Steinmeier (SPD).<br />
Nicht gedient haben: Glos (CSU),<br />
Schäuble (CDU), Scholz (SPD), Seehofer<br />
(CSU) und Tiefensee (SPD; NVA-Wehrdienst<br />
verweigert).<br />
34 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>280</strong> • DEZEMBER 2010