AUFTRAG_280_150dpi_2.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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SICHERHEITS- UND FRIEDENSETHIK<br />
Professionalisierung des<br />
DPKO-Sekretariats<br />
Zurzeit des Brahimi-Reports im<br />
Jahr 2000 waren im Department<br />
of Peacekeeping Operations (DPKO)<br />
lediglich 32 Offiziere für die Planung<br />
und Beratung von 27.000 Friedenssicherungssoldaten<br />
zuständig. Heute<br />
sind es über 200 Mitarbeiter, die<br />
mit einer verbesserten Ausstattung<br />
die weltweiten VN-Friedensmissionen<br />
einsetzen und überwachen. Der Fortschritt<br />
im Personalzuwachs des DPKO<br />
wird allerdings durch die enorme Ausdehnung<br />
der Friedensoperationen relativiert.<br />
Mittlerweile hat sich die Zahl<br />
des in VN-Friedensmissionen eingesetzten<br />
Personals auf 124.000 Personen<br />
verdreifacht: 88.000 Blauhelmsoldaten,<br />
13.000 Polizisten, 5.800 internationale<br />
Zivilkräfte, 14.000 lokale<br />
Zivilkräfte und 2.400 VN-Freiwillige.<br />
Erweiterung des<br />
Aufgabenspektrums<br />
Das Aufgabenspektrum von Friedenseinsätzen<br />
hat sich im letzten<br />
Jahrzehnt stetig erweitert. Der Sicherheitsrat<br />
trug den Missionen immer<br />
ehrgeizigere Ziele auf. Zum Standardprogramm<br />
gehören heute der Aufbau<br />
und die Reform von staatlichen Institutionen<br />
in Kernbereichen wie Sicherheit<br />
(Militär/Polizei) und Justiz sowie<br />
die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung<br />
und sozialer Dienste. Hinzu<br />
kommen die Wahrung der Menschenrechte<br />
und der Schutz von Zivilisten<br />
sowie die Unterstützung der politischen<br />
Verständigung und demokratischen<br />
Entwicklung in schwierigen<br />
Situationen.<br />
Ausweitung des<br />
VN-Polizeieinsatzes<br />
Die letzte Dekade hat gezeigt, dass<br />
die Anzahl der Polizisten in VN-<br />
Missionen ständig gewachsen ist. Polizisten<br />
übernehmen Aufgaben, die<br />
bei der Ablösung von Unrechtsregimen<br />
von <strong>Soldaten</strong> weniger professionell<br />
ausgeführt werden können, wie<br />
z.B. die Klärung ziviler Straftaten,<br />
Betreiben der Gefängnisverwaltung<br />
und forensische Dienste (Gerichtsmedizin),<br />
welche bei der Aufarbeitung<br />
der Schuldfrage von entscheidender<br />
Bedeutung sein können. Klaus Naumann<br />
sprach von robusten Polizeieinheiten,<br />
im VN-Jargon von „Constabluary<br />
forces“, wie sie bei unseren<br />
NATO-Partnern in Form von Gendarmerieeinheiten,<br />
der Guardia Civil und<br />
den Carabinieri vorhanden sind, die<br />
auch in der Lage sein können, zivilen<br />
Aufruhr (riots) angemessen unter<br />
Kontrolle zu halten.<br />
10 Jahre Brahimi-Report –<br />
Ungelöste politische Fragen<br />
Die einen stellen das Geld und die<br />
anderen das Blut<br />
s kann nicht sein, dass einige<br />
„Edas Blut beisteuern und andere<br />
das Geld. Das sind nicht die UN,<br />
die wir wollen“, sagte Lakhdar Brahimi<br />
nach der Präsentation des Berichts.<br />
An dieser Situation hat sich<br />
im letzten Jahrzehnt nichts geändert.<br />
Jene, die über Missionen entscheiden<br />
(Sicherheitsrat) und sie finanzieren<br />
(finanzkräftige Mitgliedsstaaten) haben<br />
kaum Schnittmengen mit jenen,<br />
die Truppen zu Friedenseinsätzen<br />
beisteuern. Die größten vier Truppensteller<br />
sind Bangladesch, Pakistan,<br />
Indien und Nigeria. Die größten<br />
vier Geber sind die USA, Japan,<br />
Großbritannien und Deutschland. Die<br />
Entscheidung fällen im Sicherheitsrat<br />
die fünf Vetomächte China, Frankreich,<br />
Großbritannien, Russland und<br />
die USA. Was das uniformierte Personal<br />
angeht, machen sich die Friedenseinsätze<br />
stark von Südasien und<br />
Afrika abhängig. Dies muss mit Blick<br />
auf die Truppen kein Problem sein,<br />
sind doch viele der Kräfte gut ausgebildet<br />
und bisweilen einsatzfreudiger<br />
als westliche Truppen. Es könnte<br />
dann zu einem Problem werden,<br />
wenn aufstrebende Mächte wie Indien<br />
beschließen, weniger Truppen zu<br />
entsenden. Es gibt in Indien durchaus<br />
Stimmen, die in Frage stellen, ob<br />
eine aufstrebende Macht weiterhin<br />
in einem solchen Ausmaß <strong>Soldaten</strong><br />
für die UN bereitstellen sollte (Vgl.<br />
Thorsten Benner, vom Global Public,<br />
Policy Intitute (BPPI), der an der<br />
Tagung teilnahm).<br />
Dort, wo die NATO im Auftrag der<br />
Vereinten Nationen <strong>Soldaten</strong> stellt,<br />
wie z.B. auf dem Balkan oder in Afghanistan<br />
lassen auch westliche <strong>Soldaten</strong><br />
ihr Leben. So haben die USA<br />
bereits 3.000 tote <strong>Soldaten</strong> zu beklagen.<br />
Das sind Zahlen, wie sie in afrikanischen<br />
Kontingenten bei Friedensmissionen<br />
nicht annähernd erreicht<br />
werden.<br />
Unzureichende zivile Unterstützung<br />
Der Brahimi-Report hat wesentlich<br />
zur besseren Vernetzung<br />
des DPKO und den anderen zivilen<br />
VN-Organisationen beigetragen. Das<br />
reicht aber nicht aus. Viele Friedensmissionen,<br />
vor allem in Afrika, leiden<br />
unter einer mangelhaften Finanzierung<br />
für die nachhaltige zivile Friedenskonsolidierung<br />
(Aufbau der Wirtschaft<br />
und des Rechtssystems). Auch<br />
Ost-Timor konnte durch die Vereinten<br />
Nationen erst in einem zweiten Anlauf<br />
mit massiver ziviler Hilfe befriedet<br />
werden. Es genügt nicht allein, Wahlen<br />
zu unterstützen und abzusichern,<br />
wie man es in der DR Kongo gesehen.<br />
Nach Winfried Kühne ist es häufig<br />
zwingend erforderlich, länger in der<br />
betroffenen Region zu bleiben. Das<br />
DPKO muss noch intensiver mit der<br />
neuen Peace-Building Kommission<br />
zusammenarbeiten.<br />
Zunehmend Blauhelme nicht in<br />
Nachkonfliktsituationen<br />
Zunehmend wurden in letzter Zeit<br />
Blauhelmsoldaten in Lagen eingesetzt,<br />
die noch keine Nachkonfliktsituationen<br />
sind. Dies trifft auf die VN-<br />
Missionen in Tschad, Sudan, Kongo<br />
und für Somalia zu. Blauhelme agieren<br />
dann in einer Grauzone. Es wird<br />
die falsche Erwartung geweckt, man<br />
sei in der Lage, zivile Personen zu<br />
schützen. Hier müssen sich die Mitglieder<br />
des VN-Sicherheitsrats mehr<br />
engagieren und für ein robustes Mandat<br />
und ausreichende Ausrüstung und<br />
Ausstattung (u.a. Hubschrauber) zur<br />
Verfügung stellen. Dies gilt besonders<br />
für die Lage im Ostkongo, wo andauernde<br />
schwere systematische Menschenrechtsverletzungen<br />
gegen die<br />
Zivilbevölkerung, besonders gegen<br />
Frauen und Kinder als Kriegswaffe<br />
eingesetzt werden.<br />
„Responsibility to Protect“<br />
noch nicht voll wirksam<br />
Nach Auffassung von General<br />
Klaus Naumann, der 2001/2002<br />
auch Mitglied der „International Commission<br />
on Intervention and State Sovereignty<br />
(ICISS)“ war, auf der erst-<br />
6 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>280</strong> • DEZEMBER 2010