Groove 35.pdf
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"Loc:ali~er 1.0"<br />
u:q,d '"rec:lz.:q,o<br />
l6oo Seiten Identität I<br />
"Fünf Jahre lang hat sich keiner<br />
rangetraut und jetzt gibt's<br />
gleich zwei". war der lakonische<br />
Kommentar eines bekannten<br />
Szene-Aktivisten. als er vor einem<br />
halben Jahr mitgeteilt bekam.<br />
daß außer den Berliner Gestalten<br />
auch noch die beiden Züricher<br />
Patrick Walder und Philip Anz kurz<br />
vor der Veröffentlichung eines<br />
umfangreichen Werkes über die<br />
Techno-Szene stünden. Wir. die<br />
Extra -Würste vom GROOVE haben<br />
uns nur deshalb so schmerzhaft viel<br />
Zeit mit der Rezension gelassen. da<br />
wir selbstverständlich solange warten<br />
wollten bis uns beide Bücher vorlagen.<br />
um sie dann miteinander vergleichen zu<br />
können. Nachdem der Berliner W~lzer<br />
"Localizer 1.0 '' ( 300 Seiten I schon<br />
mehrere Monate zuvor unser Regal ächzen<br />
ließ. traf das Belegexemplar des<br />
nicht minder umfangreichen Schweizer<br />
Werkes 'Techno - Das Buch" dann aber<br />
mit solcher Versp~tung ein. daß wir dieses<br />
Vorhaben in der Juni / Juli-Ausgabe<br />
nicht mehr in die Tat umsetzen konnten.<br />
Jetzt sind sie beide da. liegen hier fett<br />
und feist nebeneinander in unserer<br />
Redaktion und scheinen jedem Besu <br />
cher. dessen Blick auf die ansprechenden<br />
(wirklich rein zuf~llig mit einer<br />
sehr ~hnlichen 3-D-Folie beschichteten I<br />
Cover f~llt. ein betörendes "Schlag mich<br />
'Da.s .Suc:.h."<br />
auf" in's Ohr zu hauchen. Tats~chlich<br />
werden diese Besucher in 50 % der<br />
Fälle mit einem Gesichtsausdruck. den<br />
man irgendwo in der Mitte zwischen<br />
dümmlich und ehrfürchtig einordnen<br />
könnte. eines der Bücher aufschlagen.<br />
zaghaft bis unbeholfen darin<br />
herumbl~ttern und kurz darauf mit<br />
den Worten "Kannst Du mir das mal<br />
leihen. ich muß mir das mal in Ruhe<br />
angucken" unbefriedigt wieder<br />
zurücklegen. Überhaupt sind beim<br />
ersten Kontakt des durchschnittlichen<br />
Techno-Konsumenren mit den<br />
Büchern oft interessante und amüsante<br />
Reaktionen zu beobachten.<br />
'Wo soll ich den~ hier bloß anfangen?".<br />
wird etwa beim ersten<br />
Durchblättern des bunten "Localizers<br />
1.0". der im Gegensatz zu seinem<br />
Mitbewerber einen seiner<br />
Schwerpunkte auf die visuellen<br />
Ausdrucksformen des Phänomens<br />
Techno legt. gerne<br />
gefragt. Im krassen Gegensatz<br />
dazu das Schweizer Buch: Die<br />
wenigen Phoros wurden zu<br />
Auflockerungs-Elementen<br />
degradiert.<br />
die Grafik<br />
ist von einer geradezu<br />
faszinierenden<br />
Funktionalität.<br />
Mit der<br />
sprichwörtlichen<br />
Schweizer Gründlichkeit<br />
wurden<br />
4 3 Texte von insgesamt<br />
28 der<br />
bekanntesten und<br />
einlußreichsten.<br />
deutschsprachigen<br />
Techno- Hause<br />
Journalisten.<br />
einschließlich der<br />
Eigenbeiträge der<br />
zwei Herausgeber.<br />
zusammengestellt. Unschwer<br />
ist zu erkennen. daß Patrick<br />
Walder und Philip Anz ihren<br />
Schwerpunkt darauf setzten<br />
die Musik selber. inclusive<br />
aller Facetten und<br />
ihrer Entstehungsgeschichten.<br />
sowie ihrer<br />
sozialen Aspekte und der<br />
Bedeutung in der Gesellschaft.<br />
auch bis in die<br />
hinterletzten Ecken auszuleuchten.<br />
Wer somit<br />
beim ersten Durchblättern<br />
zu Recht befürchtet.<br />
e1n solcher Versuch<br />
müsse in die langweiligen<br />
Niederungen wissenschaftlicher<br />
Abhandlungen<br />
abgleiten. wird schon<br />
nach dem Genuß weniger<br />
Artikel eines besseren<br />
belehrt. B1s auf wenige<br />
Ausnahmen besitzen alle<br />
Artikel des Buches Manifest<br />
Charakter. und lassen in<br />
ihrer Gesamtheit vermuten.<br />
daß es schwer bis unmöglich<br />
wird hier in absehbarer<br />
Zeit noch einen draufzusetzen.<br />
Vielleicht ist es dem glücklichen<br />
H~ndchen der beiden Schweizer<br />
zuzuschreiben. für die jeweiligen<br />
Themen genau die richtigen<br />
Spezialisten verpflichtet zu haben.<br />
vielleicht haben sich einfach alle<br />
Schreiberlinge in diesem Buch auch<br />
nur selbst übertroffen. So gebührt<br />
zum Beispiel Uwe Buschmann<br />
maximum respect für seine Darstellung<br />
der Reizfigur Westbam:<br />
tatsächlich ist es ihm als erstem<br />
überhaupt gelungen das schier<br />
undurchdringliche Gestrüpp aus<br />
Widersprüchen. Ecken und Kanten<br />
der Persönlichkeit zu lichten und<br />
auf das Wesentliche zu reduzieren.<br />
Gratulation auch an die beiden Herausgeber<br />
selber für ihre l4seltige<br />
Entstehungsgeschichte von Techno.<br />
die in ihrer chronologischen Gründlichkeit<br />
ebenso einzigartig ist.<br />
Bei der Bewertung der beiden<br />
Bücher darf man mehr den<br />
Fehler machen. sie auf direkter<br />
Ebene zu vergleichen. um dabei<br />
unweigerlich zu dem Schluß zu<br />
kommen der Localizer müsse das<br />
schlechtere von beiden sein. Viel eher<br />
ist es so. daß sich beide Bücher wunderbar<br />
erg~nzen. denn dort wo 'Techno<br />
- Das Buch " aufhört. fängt der<br />
"Localizer 1.0" an. Durch die unz~hli <br />
gen Photos und Abbildungen von Aktivisten.<br />
Grafiken. Flyern. spezifischer<br />
Mode. Partyszenen etc. geht der Leser<br />
auf direkte Tuchfühlung mit den realen<br />
Erscheinungsformen der Szene. Einer<br />
repräsentativen Auswahl (die gar nicht den<br />
Anspruch auf Vollst~ndigkeit erheben will)<br />
an Labelmachern. Party· und Clubveranstaltern.<br />
Mode-Designern. Grafikern. Video-Spezialisten<br />
und diverser anderer Künstler<br />
wurde die Möglichkeit gegeben ihre Produkte<br />
und die Philosophie ihres jahrelangen<br />
Schaffens auf Doppelseiten für die<br />
Nachwelt zu erhalten. Ganz nach dem<br />
Motto "erst lese ich das Buch und dann<br />
gehe ich in den Film". wäre es also für den<br />
angenommen völlig unbedarften Neueinsteiger.<br />
der ohne je auf einer einzigen Party<br />
gewesen zu sein via Printmedium ein möglichst<br />
authentisches Maximum über Techno<br />
Musik und seine Konsumenten erfahren<br />
wollte. der empfehlenswerte Weg zuerst<br />
"Techno - Das Buch" und dann "Localizer<br />
1.0" zu konsumieren. Anyway. beiden Teams<br />
gebührt höchste Anerkennung für ihre<br />
monatelangen Recherchen und<br />
Arbeiten und in beiden Fällen<br />
gelungenen Versuche. die Identität<br />
dieser immer noch relativ<br />
jungen Musik und der dazugehörige<br />
Jugendbewegung in<br />
Form zu pressen. Drum kauft<br />
Leute. kauft. damit die Arbeit<br />
nicht umsonst war und vielleicht<br />
auch andere endlich einmal die<br />
Möglichkeit erlangen einen tieferen<br />
Einblick in die Strukturen<br />
und Rituale unseres seltsamen Stammes zu<br />
bekommen. (TK I<br />
I ''Techno - Das Buch", ßoo Seiten. broschiert.<br />
ist für 58.- DM erhältlich im Buchhandel<br />
oder zu bestellen bei: Verlag Ricco<br />
Bilger. Josefstr. 52. 8005 Zürich.<br />
Telefon: 00411112711818:<br />
Fax: 00411112711444<br />
ISBN 3.9080 I 0.14.4<br />
I"Localizer LO",I100 Seiten. broschiert.<br />
ist für 69.- DM erh~ltlich im Buchhandel<br />
oder zu bestellen bei: Verlag Die Gestalten.<br />
Zehdenickmtr. 2 I. I 0119 Berlin.<br />
Telefon: 030/2834386:<br />
Fax: 030 / 2834 386<br />
ISBN 3-931126-00-5