Ein Quartier entsteht
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wirtschaft im Revier 04 | 2015<br />
Zauberwort<br />
Energieeffizienz<br />
Bisher drehte sich bei der Energiewende<br />
alles um Strom. Doch der Hauptteil der<br />
Energie in Deutschland wird für die Wärmeerzeugung<br />
verwendet. Allein die Energie<br />
für Raumwärme und -kühlung sowie<br />
Warmwasser in Unternehmensgebäuden<br />
und Wohnhäusern steht für etwa<br />
35 Prozent des gesamten Energieverbrauchs.<br />
Die Bundesregierung hat daher<br />
Energieeffizienz – auch von Gebäuden –<br />
zu einem Politikschwerpunkt erklärt.<br />
Speziell im Gebäudebereich sollen<br />
bis 2050 80 Prozent des Energieverbrauchs<br />
gegenüber 2008 eingespart werden. Am<br />
Ende sollen Deutschlands 18 Millionen<br />
Wohngebäude und schätzungsweise zwei bis<br />
drei Millionen Nichtwohngebäude nahezu<br />
klimaneutral sein – ein Ziel das Geduld und<br />
langfristige Weichenstellungen erfordert.<br />
Wie in der Energiepolitik generell, dominiert<br />
auch in der Energieeffizienzpolitik<br />
für Gebäude die Gesetzgebung der EU.<br />
Maßgeblich sind die Gebäuderichtlinie<br />
sowie die Energieeffizienzrichtlinie, aber<br />
auch Gesetze zu erneuerbaren Energien.<br />
Die Umsetzung hierzulande erfolgt primär<br />
über die Energieeinsparverordnung (EnEV)<br />
und das Erneuerbare Energien Wärmegesetz<br />
(EEWärmeG).<br />
Im Grunde ist bei den energetischen<br />
Anforderungen an die Gebäudehülle und<br />
die Verwendung regenerativer Energien<br />
zwischen Neubauten und dem Gebäudebestand<br />
zu unterscheiden. Werden<br />
Gebäude neu errichtet, muss der Energieverbrauch<br />
für Raumwärme sowie Warmwasser<br />
anteilig aus erneuerbaren Energien<br />
stammen. Jedoch sind zahlreiche<br />
Ersatzmaßnahmen möglich, etwa eine<br />
stärkere Dämmung, der Anschluss an ein<br />
Fernwärmenetz oder die für Industrieund<br />
Gewerbebauten relevante Nutzung<br />
von Abwärme.<br />
Die energetischen Anforderungen an die<br />
Gebäudehülle werden durch die EnEV definiert.<br />
Nach einer Verschärfung der Effizienzanforderungen<br />
um 25 Prozent in 2016<br />
dürfen nach EU-Vorgaben ab 2021 nur<br />
noch Niedrigstenergie-Gebäude errichtet<br />
werden, die kaum Energie verbrauchen<br />
bzw. den Verbrauch aus regenerativen<br />
Quellen decken. Der konkrete Standard<br />
muss noch definiert werden und wird<br />
wohl langfristig auch als Messlatte für die<br />
energetische Gebäudesanierung angelegt.<br />
Denn klar ist: Angesichts im Vergleich zum<br />
Bestand geringen Neubauvolumens wird<br />
der Schwerpunkt für Politikmaßnahmen in<br />
der energetischen Ertüchtigung liegen.<br />
Investitionen in weniger Energieverbrauch<br />
in Gebäuden sind positiv, sowohl für die<br />
Ziele der Energiewende als auch für die<br />
heimische Wertschöpfung. Nur darf dies<br />
nicht zu einer Kostenexplosion wie beim<br />
EEG führen und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
deutscher Unternehmen gefährden. Gerade<br />
die Energieeffizienzpolitik muss glaubwürdig<br />
sein, wenn sie von Unternehmern<br />
und Bürgern als positiv begriffen werden<br />
soll. Technologieoffenheit, Freiwilligkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit sind daher die<br />
Grundpfeiler, für die sich die Wirtschaft in<br />
der Energieeffizienzpolitik einsetzt.<br />
Die Aussagen der Strategieeckpunkte,<br />
KfW-Förderprogramme zur Sanierung<br />
weiterzuführen, sind ebenso richtige<br />
Signale wie die Prüfung der Qualitätsstandards<br />
in der Energieberatung. Die Förderprogramme<br />
müssen jedoch technologieneutral<br />
ausgestaltet sein, einschließlich<br />
eines unverzerrten Wettbewerbs zwischen<br />
dezentralen Wärmelösungen und Fernwärme.<br />
Jede eingesparte Tonne Kohlendioxid<br />
sollte schließlich den gleichen Wert haben.<br />
Weiterhin ist die Vereinfachung des<br />
Ordnungsrechts ein Anliegen der Wirtschaft.<br />
So gibt es große Überschneidungen<br />
zwischen EnEV und EEWärmeG. Beide Normen<br />
sollten daher zusammengeführt, die<br />
Technologieneutralität verbessert und die<br />
Berechnungsverfahren vereinfacht werden.<br />
Damit Energieeffizienzpolitik erfolgreich<br />
ist, muss sie freiwillige Lösungen<br />
ermöglichen. Ordnungsrecht allein kann<br />
keine effizienten Ergebnisse hervorbringen.<br />
Beispielsweise erweisen sich die aus<br />
Gebäudereparaturen folgenden Dämmverpflichtungen<br />
eher als Hindernis für<br />
ambitioniertere Sanierungsmaßnahmen.<br />
Die Gebäudestrategie sollte zunächst auf<br />
die größten Effizienzpotenziale fokussieren:<br />
Mit 70 Prozent entfällt der größte Teil<br />
des Energieverbrauchs für Heizung und<br />
Warmwasser auf private Haushalte, hinzu<br />
kommt der Verbrauch einer viertel Million<br />
öffentlicher Gebäude. Gerade deren Sanierung<br />
hätte auch faktisch eine Vorbildwirkung.<br />
Auf Basis der Erfahrungen können<br />
dann weitere Nichtwohngebäude in eine<br />
solche Strategie einbezogen werden,<br />
zumal für diese bisher keine verlässlichen<br />
Daten zu Anzahl und Flächen vorliegen.<br />
Erst wenn hier eine gute Datengrundlage<br />
geschaffen ist, lassen sich auch effektive<br />
politische Maßnahmen ableiten.<br />
Till Bullmann<br />
DIHK<br />
51