barrikade # 7 - Abrechnung mit Seidmans 'Gegen die Arbeit'.pdf
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arrikade sieben - April 2012<br />
Seidman’s Plakat-Märchen<br />
»Viele der Plakatkünstler waren schon vor der Revolution<br />
in der Werbebranche tätig gewesen, und sie arbeiteten<br />
nicht nur für eine, sondern für mehrere Organisationen.<br />
So entwarf etwa ein Funktionär der Gewerkschaft<br />
der Berufsdesigner Poster für <strong>die</strong> CNT, <strong>die</strong> UGT, <strong>die</strong><br />
PSUC und <strong>die</strong> Generalitat. Seine Gewerkschaft stellte<br />
sogar für den POUM, <strong>die</strong> unabhängige kommunistische<br />
Organisation, Plakate her. Es entstand ein ökumenischer<br />
Stil, der (trotz leichter thematischer Unterschiede)<br />
sowohl <strong>die</strong> Arbeiter als auch <strong>die</strong> Produktivkräfte<br />
in nahezu identischer Weise darstellte. Selbst als sich<br />
Anarchosyndikalisten und Kommunisten im Mai 1937<br />
in den Straßen von Barcelona gegenseitig umbrachten,<br />
blieb <strong>die</strong> ästhetische Einheit der Volksfront bestehen.<br />
Ideologische Auseinandersetzungen und Machtkämpfe<br />
hinderten konkurrierende Organisationen nicht, ähnliche<br />
Darstellungen ihrer vorgeblichen Basis zu akzeptieren.<br />
(…)<br />
Die Figuren wären ununterscheidbar, wären da nicht<br />
ihre Gerätschaften und ihre Körperhaltung. Lebendiges<br />
Rot und Schwarz, <strong>die</strong> Farben der anarchistischen Bewegung,<br />
verstärkten das Profil der mächtigen Arbeiter.<br />
Die Titelzeile lautete: Genosse, arbeite und kämpfe für<br />
<strong>die</strong> Revolution. Niemals bildeten <strong>die</strong> Künstler <strong>die</strong> Arbeiter<br />
und Soldaten auf den Plakaten müde, hungrig oder<br />
krank ab. (…)<br />
Die Interpretation der Plakate hilft uns zu verstehen,<br />
wie einerseits Marxisten und Anarchosyndikalisten sich<br />
<strong>die</strong> Arbeiterklasse im wahrsten Sinne des Wortes vorstellten,<br />
und wie <strong>die</strong> Revolutionäre andererseits auf das<br />
reale Verhalten der Arbeiter während des Bürgerkriegs<br />
und der Revolution reagierten«<br />
• Graswurzelrevolution Nr. 363, November 2011<br />
Es ist also eine Anklage gegen einen der Künstler,<br />
der sich verschiedenen Gewerkschaften und Parteien<br />
grafisch zur Verfügung stellt – und es sogar<br />
wagt, <strong>die</strong> „unabhängige kommunistische Organisation“,<br />
also <strong>die</strong> POUM, plakativ zu unterstützen.<br />
Überall gröhlten <strong>die</strong> Kommunisten von der Volksfront<br />
und <strong>die</strong> CNT und UGT hatten 1938 gar ihre<br />
Fusion zur Einheitsgewerkschaft beschlossen.<br />
Diese Anschuldigungen sind infam und lächerlich.<br />
Genauso könnte man Seidman diskreditieren,<br />
weil er Bücher schreibt – für Geld und eben<strong>die</strong>se<br />
auch noch in kapitalistischen Verlagshäusern oder<br />
Universitätsverlagen herausgibt …<br />
Unabhängig davon, dass wohl keine Werbung<br />
und schon gar keine Propaganda, weder heute<br />
noch seinerzeit, negativ <strong>die</strong> eigenen Ziele darstellen<br />
würde, wir keine/r müde Arbeiter/innen oder<br />
verhungerte Kinder oder sterbenskranke Rentner/<br />
innen für eine Lebensversicherung oder den Beitritt<br />
zu einer Organisation abbilden. Aber was solls,<br />
Seidman weiß es eben besser.<br />
“Unglücklicherweise”, kommentiert Seidman<br />
selbst seine magere Beweisführung (es gibt keine<br />
einzigen Quellenhinweis für seine Behauptungen<br />
zur ‚Kunst in der Revolution’ auf den Seiten 161-<br />
167 in seinem Buch), „ist es sehr schwierig, wenn<br />
nicht gar unmöglich, <strong>die</strong> Wirkung <strong>die</strong>ser Plakate auf das<br />
Verhalten der Arbeiterklasse Barcelonas abzuschätzen:<br />
Rowdys und Graffiti-Künstler avant le lettre rissen viele<br />
Plakate herunter oder überdeckten sie, kaum dass sie an<br />
den Wänden angebracht waren. Bisher gibt es kaum Belege<br />
dafür, dass der sozialistische Realismus der Frente<br />
popular <strong>die</strong> Produktion oder <strong>die</strong> Kampfbereitschaft gesteigert<br />
hätte.“<br />
Also mal wieder – zu welchem Zeitpunkt ergeht<br />
<strong>die</strong>se „Analyse“? Wann tauchten <strong>die</strong> angeblichen<br />
Graffiti-Aktionisten „ihrer Zeit voraus“ denn auf?<br />
Und wer hatte Zeit, den Plakat-Kolonnen hinterher<br />
zu laufen und deren Arbeit zu übermalen oder abzureißen?<br />
Wie Seidman arbeitet, beweist folgender Satz:<br />
„Ein Plakat der CNT, das in Barcelona für das Departemento<br />
de orden público de Aragon hergestellt wurde,<br />
stellt einen dicken Mann dar, (…) Am unteren Rand<br />
stand zu lesen: Der faule Mann ist ein Faschist.“ (S. 164)<br />
Wir haben das Plakat auf der dritten Umschlagseite<br />
<strong>die</strong>ser <strong>barrikade</strong> abgedruckt. Auch wenn der Rat<br />
von Aragón vom CNT-Militanten JoaQuin Ascaso<br />
präsi<strong>die</strong>rt und <strong>die</strong> Behörde für Öffentliche Ordnung<br />
durch den Genossen Adolfo Ballano (bis<br />
zur Auflösung des ConseJo De AraGÓn im August<br />
1937), so ist es nicht einfach „ein Plakat der CNT“,<br />
sondern der CNT-UGT-Regierung Aragóns.<br />
Natürlich packt Seidman hier auch seine Kritik<br />
am Personenkult um Durruti <strong>mit</strong> hinein, den er<br />
<strong>mit</strong> dem bolschewistischen Kult um – Stalin vergleicht.<br />
Und das, obwohl er selbst schreibt, dass<br />
erst aufgrund der kommunistischen Propaganda<br />
um Marx, Lenin und Stalin „<strong>die</strong> Libertären <strong>mit</strong> Fotografien,<br />
Zeichnungen und Porträits von Durruti, dessen<br />
Bild in der anarchosyndikalistischen Presse ebenso allgegenwärtig<br />
schien wie das Konterfei Stalins in kommunistischen<br />
Veröffentlichungen antworteten“. Es „schien“<br />
also so – das ist <strong>die</strong> reinste Meinungsmache und<br />
Manipulation! (S. 165). Auch dürfte es einen feinen<br />
Unterschied machen, ob man Lenin und Stalin als<br />
Lichtgestalten - eben Führer! - darstellt oder nach<br />
Durrutis Tod <strong>die</strong> Arbeiterschaft auffordert: ¡I<strong>mit</strong>ad<br />
el hero del pueblo! (S. 14 oben) Also identifiziert Euch<br />
<strong>mit</strong> ihm, seinen Zielen, eifert ihm nach. Das hat <strong>mit</strong><br />
einem Heiligenschein nichts zu tun.<br />
Aus dem Bildband Palette und Flamme – Plakate<br />
aus dem Spanischen Bürgerkrieg von John Tisa<br />
AR T U R O BA L L E S T E R<br />
17<br />
Maler, Illustrator und<br />
Plakatkünstler, geboren<br />
in Valencia 1892, dort<br />
auch gestorben 1981.<br />
Er stu<strong>die</strong>rte Kunst<br />
und Handel. Nach der<br />
Ausbildung arbeitete er als<br />
Illustrator für verschiedene<br />
Zeitschriften Valencias.<br />
Seine Plakate während<br />
des Bürgerkrieges<br />
gehören zu seinen<br />
wichtigsten Arbeiten (siehe<br />
u.a. Seite 11 für <strong>die</strong> UGT).<br />
Er arbeitete hauptsächlich<br />
für <strong>die</strong> CNT, <strong>die</strong> stärkste<br />
Gewerkschaft Spaniens.<br />
Die Plakate von Arturo<br />
Ballester zeigen ihm<br />
besonders beeinfl ußt vom<br />
sowjetischen Realismus.<br />
Er war berühmt für seinen<br />
art deco style.<br />
Er wurde <strong>mit</strong> dem Epitaph<br />
„Künstler der Republik“<br />
beerdigt.<br />
Sein Bruder VI N C E N T<br />
BA L L E S T E R entwarf<br />
ebenfalls Plakate<br />
während <strong>die</strong>ser Zeit.<br />
BA L D I A VI L A T Ó<br />
auch: XA V I E R BA D I A VI L A T Ó<br />
Während des Bürgerkrieges<br />
arbeitete er für <strong>die</strong><br />
CNT und FAI<br />
(siehe Plakat Seite 19).<br />
Nach seiner Flucht nach<br />
Frankreich arbeitete<br />
er als kommerziellen<br />
Grafi ker u.a. für <strong>die</strong> Fluggesellschaft<br />
Air France<br />
und entwarf eines ihrer<br />
berühmtesten Plakate.<br />
Er setzte sein Engagement<br />
gegen Franco und<br />
dessen Repression<br />
fort und unterstütze<br />
<strong>die</strong> anarchistische<br />
SIA (Solidaridad<br />
Internacional Antifascista),<br />
<strong>die</strong> internationale<br />
antifaschistische Hilfe<br />
organisierte.<br />
Ende der Fünfziger<br />
Jahre wanderte er nach<br />
Südamerika aus, wo sich<br />
seine Spur verliert.<br />
Das Werk Images de<br />
l’Espagne Franquiste,<br />
veröfffentlichete er 1947<br />
in Paris für <strong>die</strong> Allianz<br />
der Demokratischen<br />
Kräfte Spaniens. Der<br />
dreisprachige Text -<br />
Spanisch, Französisch<br />
und Englisch - des<br />
Filmemachers MA T E O<br />
SA N T O S, erläuterte BA D I A<br />
VI L A T Ós kraftvolle und<br />
farbige Lithografi en, <strong>die</strong><br />
seinen surrealistischen<br />
Einfl uß deutlich machten.