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barrikade # 7 - Abrechnung mit Seidmans 'Gegen die Arbeit'.pdf

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arrikade sieben - April 2012<br />

Klassenkampfes, einiger Scheffel Korn wegen, <strong>mit</strong><br />

denen sich <strong>die</strong> bürgerliche Gesellschaft Ruhe erkauft<br />

vor der proletarischen Revolution.<br />

„Der immerfort an schaler Zunge klebt,<br />

Mit gieriger Hand nach Schätzen gräbt,<br />

Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet.“<br />

K.R.<br />

• Der Pionier, 1. Jahrgang, Nr. 4 – 22. November 1911<br />

* * *<br />

Genossenschaften und Syndikalismus<br />

Die Geschäftskommission der Freien Vereinigung<br />

deutscher Gewerkschaften hat mich aufgefordert, dem<br />

11. Kongreß, der am Himmelfahrtstag in Berlin beginnt,<br />

ein Referat über <strong>die</strong> Stellung der Syndikalisten zu den<br />

Genossenschaften zu halten und meine Gedanken in<br />

einer Resolution zusammenzufassen. Ich kann <strong>mit</strong> der<br />

Feder ruhiger reden als <strong>mit</strong> der Zunge und unterbreite<br />

daher den Genossen und Kongreßteilnehmern meine<br />

Ansichten schon vor dem Kongreß. Man möge sich auf<br />

<strong>die</strong> Diskussion vorbereiten.<br />

Karl Roche.<br />

Aber <strong>die</strong> Konsumgenossenschaften sind ein Stück<br />

Syndikalismus, denn sie üben direkte ökonomische<br />

Aktion: sie erhöhen den Reallohn der Arbeiters,<br />

sie lehren ihn, gemeinschaftlich <strong>mit</strong> den Klassengenossen<br />

seine wirtschaftlichen Angelegenheiten<br />

selbst zu ordnen, sie schalten den politisch reaktionären<br />

und volkswirtschaftlich schädlichen Zwischenhandel<br />

aus, sie bringen <strong>die</strong> Arbeiterfrau dem<br />

genossenschaftlichem Denken näher, sie – sind ein<br />

Stück sozialistischer Ideologie, aber sie sind nicht<br />

und können nicht sein sozialistische Praxis. Es läuft<br />

aber <strong>die</strong> Theorie der Staudinger und v. Elm darauf<br />

hinaus, <strong>die</strong> Konsumgenossenschaften und deren<br />

Eigenproduktion den Arbeitern als sozialistische<br />

Praxis darzustellen, ihnen aufzureden, man könne<br />

<strong>mit</strong> der durch <strong>die</strong> konsumgenossenschaftlich beginnende<br />

Eigenproduktion zunächst in einer Ecke<br />

der kapitalistischen Wirtschaftsordnung <strong>mit</strong> dem<br />

Sozialismus beginnen, sich immer weiter ausbreiten,<br />

<strong>die</strong> Handelstreibenden und Industriellen mehr<br />

und mehr verdrängen, zu gleicher Zeit <strong>die</strong> Arbeiter<br />

sozialistisch denken, leben und handeln lehren<br />

und – so den Kapitalismus schließlich überwinden.<br />

Auch freie Sozialisten, <strong>die</strong> uns nahestehen, und<br />

Siedlungsgenossenschafter gibt es, <strong>die</strong> das sozialistische<br />

Hineinleben in den Kapitalismus propagieren<br />

und <strong>die</strong> darum<strong>die</strong> syndikalistischen Waffen:<br />

Streiks, Solidaritäts-, Massen- und Generalstreiks<br />

verwerfen. (...)<br />

Man tut den Inspiratoren des Zentralverbandes<br />

deutscher Konsumvereine wohl nicht unrecht,<br />

wenn man ihnen auf ihr Hineinwachsen in den Kapitalismus<br />

antwortet, daß ist eine Verzweiflungstheorie.<br />

Sie ist aufgestellt worden von den sogenannten<br />

Revisionisten in der sozialdemokratischen<br />

Partei. Die ärgsten Dränger nach rechts: Bernstein,<br />

v. Elm, Peus u.a. standen und stehen heute noch zu<br />

ihr. Und es darf ihnen nicht abgesprochen werden,<br />

daß sie den Mut hatten, ihrer Überzeugung <strong>die</strong> Tat<br />

folgen zu lassen. Nicht <strong>die</strong> Überzeugung von der<br />

Richtigkeit ihrer Desperadotheorie meinen wir.<br />

Ein Bernstein z.B., der marx wie kaum ein anderer<br />

kennt, kann unmöglich einen Professor Staudinger<br />

ernst nehmen. Es war und ist vielmehr <strong>die</strong> Überzeugung<br />

von der gänzlichen Erfolglosigkeit der<br />

parlamentarisch-politischen Aktion. (...) Nach dem<br />

Muster der englischen Trade Unions richteten sich<br />

<strong>die</strong> zentralen Gewerkschaften ein, und da kam es<br />

ganz von selbst, daß auch das englische Genossenschaftswesen<br />

in Deutschland vorbildlich wurde.<br />

Die Revisionisten griffen danach, sie griffen nach<br />

der direkten ökonomischen Aktion, handelten unbewußt<br />

syndikalistisch aus Verzweiflung an den<br />

parlamentarischen Mißerfolgen. (...)<br />

Die Arbeiter wollen nicht nur Augenblickserfolge,<br />

der Sozialismus liegt ihnen im Sinn. Mit dem<br />

Parlamentarismus ist das sozialistische Sehnen<br />

nicht zu befriedigen, zur ganzen direkten ökonomischen<br />

Aktion, zum vollendeten und bewußten<br />

Syndikalismus gebricht es den Führern wie Massen<br />

an Mut. Da hilft man sich <strong>mit</strong> einer kühn konstruierten<br />

Theorie, <strong>die</strong> den Kapitalismus als Sozialismus<br />

auslegt. Im nächsten Artikel werden wir <strong>die</strong>se<br />

Theorie zerpflücken.<br />

• Die EiniGKeit, 18. Jahrgang, Nr. 16 - 18. April 1914<br />

(Teil II.)<br />

Die antikpaitalistische Aushöhlungstheorie der<br />

neutralen Genossenschafter ist, wenn sie auch in<br />

England nicht Raum gewinnen konnte, doch auf<br />

dem Kontinent sein spezifisch deutsches Geistesprodukt.<br />

Zwar wird sie in Belgien abgelehnt, dort<br />

sind sogar Partei, Gewerkschaften und Genossenschaften<br />

organisch verbunden. Aber in Frankreich<br />

hat sie den Sieg davon getragen, indem zu<br />

Beginn 1913 <strong>die</strong> bisher den Klassenkampf betonende<br />

‚Bourse coopérative socialiste‘ ihre antikapitalistische<br />

Tendenz verleugnete, um sich <strong>mit</strong> der<br />

anderen Richtung ‚Ecole Nimoise‘ verschmelzen<br />

zu können. In der Schweiz waltet der Geist Dr.<br />

Hans Müllers in den Genossenschaften; er ist der<br />

starke Kopf unter den Sozialisten, <strong>die</strong> den Kapitalismus<br />

überwinden wollen ohne Klassenkampf.<br />

Wir werden uns da<strong>mit</strong> eingehender befassen im<br />

„Pionier“ bei der Besprechung des jüngst erschienenen<br />

Buches von Vandelvelde : „Neutrale und<br />

sozialistische Genossenschaftsbewegung“, das für<br />

jeden Arbeiter, der über den Klassenkampf nachdenkt,<br />

sehr lesenswert ist. Die deutschen Genossenschaftstheoretiker<br />

sind ganz besonderer Art.<br />

Ihre wissenschaftliche Kapazität ist Herr Professor<br />

F. Staudinger in Darmstadt, der bestreitet, Sozialist<br />

zu sein und doch eine Genossenschaftstheorie<br />

aufstellt und in ihrem Sinne <strong>mit</strong> Energie arbeitet,<br />

<strong>die</strong> zum Sozialismus führen soll. Bei einem deutschen<br />

Professor ist ja alles möglich. Solche komplizierte<br />

Wissenschaftlichkeit gibt brauchbaren Stoff<br />

für Theaterstücke. Herr Heinrich Kaufmann, eine<br />

andere Leuchte <strong>die</strong>ser Theorie, war ehemals Volksschullehrer,<br />

dann sozialdemokratischer Redakteur;<br />

er ist heute noch organisierter Sozialdemokrat und<br />

findet nichts darin, zum Streikfonds der Buchdruckereiunternehmer<br />

Genossenschaftsgelder einzuzahlen<br />

(siehe dazu den separaten Artikel). Herr v.<br />

Elm, ein ehemaliger Zigarrensortierer, der Dritte<br />

im Bunde, hat zweifellos drei Kammern im Hirn:<br />

eine für <strong>die</strong> sozialdemokratische Politik, <strong>die</strong> ihm,<br />

wenns glücken will, ein Reichtagsmandat einträgt,<br />

eine für <strong>die</strong> neutrale Gewerkschaftsbewegung unter<br />

Ausschluß aller Revolutionäre, und eine für<br />

<strong>die</strong> neutrale Genossenschaftstheorie, <strong>die</strong> den Klassenkampf<br />

überhaupt ableugnet. Dieses homogene<br />

Dreimännerkollegium, ist maßgebend im Zentralverband<br />

Deutscher Konsumvereine, der den<br />

deutschen Arbeitergenossenschaften <strong>die</strong> Richtung<br />

weist. Die Grundgestalt darin ist Professor Staudin-<br />

27<br />

Vor ungefähr<br />

zwanzig Jahren<br />

bemerkte Kropotkin<br />

einmal in einem<br />

Aufsatz in ‚Freedorn‘,<br />

daß <strong>die</strong> englische<br />

Arbeiterschaft heute<br />

über einen Organisationsapparat<br />

gebiete,<br />

der sie jederzeit in<br />

den Stund setze, eine<br />

vollständige Umgestaltung<br />

des gesellschaftlichen<br />

Lebens<br />

im Sinne des Sozialismus<br />

vorzunehmen.<br />

Er berief sich dabei<br />

auf <strong>die</strong> drei großen<br />

Bewegungen der<br />

englischen Arbeiterklasse:<br />

<strong>die</strong> Gewerkschaften,<br />

<strong>die</strong> Genossenschaften<br />

und den<br />

Munizipalsozialismus.<br />

Nach seiner Meinung<br />

waren <strong>die</strong> Gewerkschaften<br />

das geeignetste<br />

Instrument für<br />

eine sozialistische<br />

Umgestaltung der<br />

Produktion, <strong>die</strong><br />

Genossenschaften<br />

für eine solche des<br />

Konsums, während<br />

der Munizipal-Sozialismus<br />

im Verein <strong>mit</strong><br />

den zahllosen freiwilligen<br />

Organisationen<br />

für alle möglichen<br />

Zwecke am besten<br />

der Befriedigung<br />

allgemein kultureller<br />

Bedürfnisse vorstehen<br />

konnte. Es handele<br />

sich gegenwärtig<br />

hauptsächlich darum,<br />

<strong>die</strong>se drei Bewegungen<br />

synthetisch<br />

zusammenzufassen<br />

und ihnen ein gemeinschaftlichcs<br />

konstruktives<br />

sozialistisches<br />

Ziel zu geben.<br />

»Ich bin gegen <strong>die</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

- es<br />

macht <strong>die</strong> Leute nur faul.«

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