barrikade # 7 - Abrechnung mit Seidmans 'Gegen die Arbeit'.pdf
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46<br />
(2) HA R T M U T RÜ B N E R<br />
– Rezension in: IWK<br />
4/06: „Anstatt <strong>die</strong><br />
syndikalistische Bewegung<br />
als integralen Bestandteil<br />
der Rätebewegung und<br />
als eine Unterströmung<br />
einer breit gefächerten<br />
unionistischen<br />
Arbeiterbewegung in<br />
der Weimarer Republik<br />
einzuordnen, wird sie<br />
lediglich als isoliertes<br />
Phänomen betrachtet.“<br />
(Seite 539)<br />
(3) AN T O N PA N N E K O E K<br />
– trat 1921 der CPN-<br />
Linksabspaltung,<br />
der Kommunistische<br />
Arbeiterpartei der<br />
Niederlande (KAPN) bei;<br />
In seinem Artikel Der<br />
deutsche Syndikalismus<br />
schreibt er: „Nur wer<br />
wie der Syndikalismus<br />
das Symptom für <strong>die</strong><br />
Ursache hält, kann<br />
glauben, dass durch<br />
einfache Beseitigung<br />
der Zentralisation und<br />
der Führermacht <strong>die</strong><br />
alte Angriffskraft wieder<br />
hergestellt wird. Schlimmer<br />
noch; da<strong>mit</strong> würde<br />
gerade das Gegenteil<br />
erreicht werden.“ Presse<br />
Korrespondenz der<br />
„Bremer Bürgerzeitung“<br />
vom 29.11.1913<br />
(4) Der Syndikalist, 14. Jg.<br />
(1932), Nr. 15<br />
(5) KA R L RO C H E – Die<br />
Menschen fehlen! in: Die<br />
Internationale, Jahrgang 2,<br />
Heft 1, November 1928<br />
(6) Brief RO C K E R an HE L M U T<br />
RÜ D I G E R – 22.7.1933 (IISG)<br />
(7) HA R T M U T RÜ B N E R<br />
– Linksradikalismus<br />
in der aktuellen<br />
Geschichtsschreibung.<br />
Teil 1: Der heimatkundige<br />
Anarchosyndikalismus in:<br />
Gegner Zeitschrift gegen<br />
Politik (Nr. 22/ April 2008,<br />
Seite 33)<br />
sache dafür ist sicherlich der Zusammenbruch der<br />
französischen CGT bzw. ihrer Übernahme und<br />
Unterordnung unter <strong>die</strong> KP Frankreichs (allein <strong>die</strong><br />
italienische USI versteht sich bis heute als revolutionär-syndikalistisch);<br />
auch <strong>die</strong> Gründungen der<br />
Kommunistischen Parteien trugen <strong>mit</strong> zu <strong>die</strong>ser<br />
ideologischen Klärung bei.<br />
Diese These, <strong>die</strong> den rein syndikalistischen Standpunkt<br />
DÖhrings zu verteidigen scheint, vertritt u.a.<br />
der Politikwissenschaftler SchÖttler, der den rapiden<br />
Mitgliederschwund der FAUD/S auf „<strong>die</strong> auch<br />
in der Namensgebung vollzogene Verschmelzung des<br />
Syndikalismus <strong>mit</strong> dem Anarchismus („Anarchosyndikalismus“)“<br />
verantwortlich macht. Wie DÖhring<br />
halte ich <strong>die</strong>se Position für falsch was <strong>die</strong> FAUD/AS<br />
angeht. Der Syndikalismus wurde seitens der SPD<br />
bereits seit Jahrzehnten als „Anarcho-Sozialismus“<br />
abwertend und verächtlich tituliert. Für <strong>die</strong> SAJD<br />
gilt <strong>die</strong>s umsoweniger, als sie „eine größere Toleranz<br />
in der Zusammenarbeit … besonders <strong>mit</strong> der Jugend der<br />
unionistischen Vereinigungen“ der AAU und AAUE<br />
vertrat (S. 248). Diese weniger ‚sektiererische‘ Haltung<br />
übernahm später auch <strong>die</strong> FAUD/AS bei den<br />
entsprechenden regionalen und lokalen Kartellbildungen<br />
der antiautoritären Revolutionäre.<br />
Natürlich hatte <strong>die</strong> idelogisch klarere Ausrichtung<br />
Konsequenzen: Aufgabe der Betriebsrätsmandate,<br />
Rausschmiß von Partei- und Kirchen<strong>mit</strong>gliedern.<br />
Und so kam es, daß „<strong>die</strong> in Massen der<br />
Organisation beitretenden Neu<strong>mit</strong>glieder zu 90 Prozent<br />
nicht integriert werden konnten“. (S. 238). Die FAUD/<br />
AS sank auf knapp 30.000 Mitglieder im Jahre 1923<br />
– <strong>die</strong> SAJD von 4.000 (1925) auf 3-500 Mitglieder<br />
Anfang der Dreißiger Jahre, „wofür sehr unterschiedliche<br />
Faktoren auf ökonomischer, politischer, kultureller<br />
und juristischer Ebene maßgebend und begünstigend<br />
waren.“ (S. 241)<br />
Eine andere These – <strong>die</strong> MaX Nettlau in Band<br />
VI seiner GesCHiCHte Der AnarCHie vertritt – besagt,<br />
daß es allein nur deshalb zur Gründung der<br />
FAUD/S 1919 im Ruhrgebiet kam, weil <strong>die</strong> sich vereinigende<br />
syndikalistische FVdG und verschiedene<br />
kommunistische Arbeiter-Unionen auf <strong>die</strong> Position<br />
der „Diktatur des Proletarias“ verständigen konnten.<br />
Diese Position wurde maßgeblich von Karl Roche<br />
aus Hamburg vertreten – und u.a. von Rudolf<br />
Rocker bekämpft. Vielleicht lag es auch an <strong>die</strong>ser<br />
Auseinandersetzung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Bewegung schwächte<br />
und zur Abwanderung der »Massen« zu linkskommunistischen<br />
Gruppen oder eben direkt zur<br />
KPD führten. Nachdenklich sollte DÖhring auch<br />
stimmen – was er ja selbst erforscht hat (siehe u.a.:<br />
DÖhring: Da<strong>mit</strong> in Bayern Frühling werde! 2007), daß<br />
nach dem II. Weltkrieg auch weiterhin führende<br />
FAUD-Genossen in <strong>die</strong> KPD eintraten ...<br />
Da <strong>die</strong> Arbeitermassen 1919 bis 1923 ja nun<br />
nicht der bürgerlichen Schicht angehörten, ist<br />
es zwar unverständlich, aber das Bedürfnis vieler<br />
Arbeiter~innen, endlich in „der Gesellschaft“<br />
des bürgerlichen Systems der Weimarer Republik<br />
(immerhin war ein Kaiser verjagt worden und es<br />
herrschte/regierte eine SPD-Regierung) anzukommen<br />
und als „Bürgerprolet“ ernst genommen und<br />
juristisch anerkannt zu werden (<strong>die</strong> Gewerkschaften<br />
wurden als Organisationen erst durch das<br />
Hilfs<strong>die</strong>nstgesetz von 1916 notgedrungen seitens<br />
des kaiserlich-bürgerlichen Staats anerkannt und<br />
<strong>mit</strong> Vorläufern der Betriebsräte für <strong>die</strong> Verwaltung<br />
Bücher │ Skorpion • Rezensionen<br />
der Arbeitskräfte und der Lebens<strong>mit</strong>telversorgung<br />
offiziell zu Verhandlungspartnern der Kapitalisten<br />
und des Staates) – dürfte ein weiterer wichtiger<br />
Grund gewesen sein. Denn das war mehr als sich<br />
manch’ sozialdemokratischer Arbeiter vorstellen<br />
konnte. Und <strong>die</strong> meisten „Revolutionäre“ kamen<br />
eben aus der reaktionären SPD und viele kehrten<br />
zu ihr zurück.<br />
Wer sich von <strong>die</strong>ser Betrachtungsweise der historischen<br />
Entwicklung zum Sozialismus à la rechte<br />
MSPD lossagte, war längst Sozialrevolutionär, syndikalistisch<br />
oder anarchistisch (ich erinnere nur an<br />
Johann Most) überzeugt – <strong>die</strong> meisten anderen<br />
wurden erst nach dem Stahlgewitter des I. Weltkrieges<br />
„Kommunist“. 2<br />
Wichtig ist bestimmt auch, daß der ‚Verrat‘ bei<br />
den älteren Genossen weniger schwer wirkte als<br />
bei den aus dem Massenmorden des Weltkrieges<br />
heimgekehrten oder zur Rüstungsindustrie abkomman<strong>die</strong>rten<br />
und zwangsverpflichteten jungen<br />
Arbeitern.<br />
Es ist ein Unterschied, ob mensch [hier meist<br />
immer noch eigentlich ‚Mann‘] sich in einer revolutionären,<br />
gärendenden, aus dem Kriegschaos<br />
entstandenen gesellschaftlichen Situation, <strong>die</strong> eine<br />
wirkliche revolutionäre Veränderung möglich erscheinen<br />
läßt – sich engagiert oder eben in konsoli<strong>die</strong>rten<br />
gesellschaftlichen Verhältnissen weiterhin<br />
„gegen den Ozean anpfeifen“ (TucholskY) will. Rudolf<br />
Rocker sagte bereits um 1920, daß <strong>die</strong> Zeit<br />
der Aufstände und Putsche und der Revolution<br />
beendet sei, weil es aussichtslos wäre, gegen einen<br />
neuerstarkten Militarismus preußischer Prägung<br />
anzurennen – das wäre Selbstmord und würde nur<br />
in einem Schlachthaus enden. Die Konsequenz daraus<br />
dürfte für viele gewesen sein, na, dann kann ich<br />
ja gleich zu den Reformisten der KP oder Sozialdemokraten<br />
gehen, <strong>die</strong> einen krakelen noch lauthals<br />
revolutionär herum, während sich <strong>die</strong> anderen um<br />
ihre Genoss~innen „sorgen“ – <strong>mit</strong> Konsum- und<br />
Wohnungsbau-Genossenschaften, Partei, Gewerkschaft,<br />
Arbeitersport; ein auskömmliches Leben<br />
war‘s vielleicht nicht – aber man setzte nicht jeden<br />
Tag sein Lebens und da<strong>mit</strong> das der eigenen Frau<br />
und Kinder aufs Spiel.<br />
* * *<br />
Wie perfide das sozialdemokratische Spielchen<br />
<strong>mit</strong> den restlichen, nicht liqui<strong>die</strong>rten Revolutionären<br />
in den Betrieben und der Erwerbslosigkeit<br />
funktionierte, beschreibt DÖhring ausgezeichnet<br />
an knappen Beispielen. Dieser Bruch der Klassensolidarität<br />
seitens der SPD brachte nur der KPD<br />
und den Nazis regen Zulauf. Hier wird der Bogen<br />
deutlich, wie aus enttäuschter Hingabe zur Revolution<br />
auch schnell Konterrevolution werden kann.<br />
Denn es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß<br />
Nazis und Kozis (so wurden <strong>die</strong> KP-Mitglieder auch<br />
genannt) allein den Sozis den Rang abliefen, weil<br />
sie neue Futtertröge und Pöstchen anzubieten hatten,<br />
<strong>die</strong> bei den anderen »Arbeiter-Parteien« längst<br />
besetzt waren. Und das <strong>die</strong> »Massenpsychologie<br />
des Faschismus« auch für <strong>die</strong> Kozis gilt, wissen wir<br />
längst: Kadavergehorsam war dort ebenso oberste<br />
Pflicht wie bei den Nazis. Erstere wurden zusätzlich<br />
durch Kaderschulungen gequält und politisch<br />
‚neutralsiert’, sie machten jede politische (Kehrt-)<br />
Wendung ihrer Partei <strong>mit</strong>, elender konnte man als<br />
Prolet seine Gesinnung eigentlich nicht verraten.