Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich von 1908 bis 1948

Notsituation und die hohe Arbeitslosigkeit bedingt waren. Die hohe Arbeitslosigkeit der
PharmazeutInnen war einerseits Folge der Wiedereingliederung jener Assistenten, die als
Soldaten gedient hatten, und andererseits der zahlreichen Flüchtlinge aus den ehemaligen
Kronländern. Durch die wirtschaftliche Krisenzeit und das plötzliche Überangebot an
PharmazeutInnen wurden die Reallöhne immer geringer und der Unmut innerhalb des
Reichsverbandes stieg. Die Kaufkraft der Löhne der PharmazeutInnen war, wie auch bei
allen anderen Berufsgruppen, seit Kriegsbeginn ständig gefallen und lag beim
Existenzminimum und oft sogar noch darunter. 55 Im Vordergrund stand für die Angestellten
daher nicht die Einrichtung der Gehaltskasse, sondern die soziale Absicherung, und für
die Arbeitslosen die Suche nach einer Stelle. Dies führte dazu, dass sich zahlreiche
PharmazeutInnen von dem eher konservativ-deutschnationalen Reichsverband ab- und
der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung zuwandten. Mag. Franz Fischer
verstand es, als Obmann des Wiener Assistentenausschusses 1920 in Verhandlungen mit
den BesitzerInnen Lohnverbesserungen auszuverhandeln, um schließlich den größten Teil
der angestellten PharmazeutInnen wieder für den Reichsverband zu gewinnen. 56 Diese
Lohnzuschüsse und Teuerungsanpassungen waren den ApothekenbesitzerInnen 1920
möglich, weil sich die gesamtwirtschaftliche Situation verbessert hatte und ein Konjunktur-
aufschwung zu verzeichnen war. Durch die hohe Inflation wurde die Lohnsituation der
angestellten ApothekerInnen allerdings bald wieder schlechter. 57
Ein Dokument, das diese Entwicklungen illustriert, findet sich im Aktenbestand des
Staatsamtes für soziale Verwaltung. Es handelt sich um eine Eingabe des Wiener
Apotheker-Hauptgremiums an das Staatsamt für soziale Verwaltung vom 26. Juli 1920. 58
Das Apotheker-Hauptgremiums bat um Erhöhung der Arbeitstaxe und der Dispensations-
gebühr um fünfzig Prozent beziehungsweise nur der Arbeitstaxe um hundert Prozent, um
die Lohnforderungen der Assistentenschaft sowie die durch die Inflation rapide steigenden
Ausgaben für Miete, Licht, Steuern und ähnliche Belastungen bezahlen zu können.
Wichtig erscheint dieses Dokument auch durch den darin enthaltenen Hinweis auf die
Bemühungen der ApothekenbesitzerInnen, die Pharmazeutische Gehaltskasse zu
reaktivieren. Im abschließenden Teil des Briefes heißt es:
55 Vgl. Ulrike Weber-Felber, Wege aus der Krise: Freie Gewerkschaften und Wirtschaftspolitik in der Ersten Republik,
Wien u. Zürich 1990, 48.
56 Vgl. Dittrich, Pharmazeutische Gehaltskasse, 26; Dittrich, Entwicklung und Aufgaben, 12f.
57 Vgl. Weber-Felber, Wege aus der Krise, 33f., 48.
58 ÖStA, AdR, BMfsV, Kt. 1646, 17160-20.
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