BOGART 23 (BeOurGuestARTist)
Das Gießener Mitmachmagazin für Creative - Aktuelles und Zeitloses aus Kunst, Kultur und Comic
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"Den Clubnamen habe ich aus Paris "mitgebracht",<br />
das Interieur ist dem englischen Caféhausstil<br />
nachempfunden, die Lampen stammen<br />
aus Amsterdam und die Spiegel sind aus Rom",<br />
beschreibt der Inhaber das mit rund 170 verschiedenen<br />
Spirituosen angereicherte Ambiente,<br />
das gern auch mal nachsichtig als "Tuntenbarock"<br />
tituliert wurde.<br />
"Nicht jeder Mann ist auch ein Herr", setzte Martin<br />
Kalbfleisch von Beginn an als klaren Akzent<br />
der Gästeliste voran. Und das generationenund<br />
geschlechterübergreifende internationale<br />
Publikum honorierte sein "etwas anderes" Gastronomie-Konzept<br />
mit reger Besucherfrequenz.<br />
So gab es im "Bonaparte" einen Stammtisch der<br />
Schwulen Hochschulgruppe, Single- und Drag-<br />
Queen-Feten sowie Spieleabende des HOMO<br />
e.V., unter denen sich mit dem Wandel der Zeit<br />
kontinuierlich auch die "Normalbürger" wohl<br />
fühlten. Nicht zuletzt durch manche hochkarätige<br />
Show der "Herrendamen", die in der Schauspielerin<br />
("Die Dritte von rechts") und Schlagerdiva<br />
Evelynn Künneke (1921-2001; "Solang nicht<br />
die Hose im Kronleuchter hängt") ein absolutes<br />
Highlight in der Kulturstadt an der Lahn setzte.<br />
Mit verrucht-verrauchter Stimme verzauberte<br />
Aktrice und Chansonette Mady Rahl (1915-<br />
2009; Bild oben). Als erster männlicher Stripper<br />
zeigte sich der smarte Hamburger Jung' (links<br />
im sw-Foto) von seiner besten Seite.<br />
Mit der Geschäftsübergabe des "urgemütlich–<br />
tolerant–weltoffen" firmierenden Amüsement-<br />
Lokals vor sechs Jahren verschwand zwar nicht<br />
der Name aber sein mit ihm verbundenes Programm<br />
von der "rosa" Landkarte der Region.<br />
Fast vier Jahrzehnte konnte der immer noch vitale<br />
Martin Kalblfleisch seinen Traum intensiv<br />
leben. "Mir ist davon trotz anfänglich behördlicher<br />
Querelen und selbst nach einem brutalen<br />
Raubüberfall bis zum Lebensende eine Menge<br />
positiver Erlebnisse übriggeblieben".<br />
"Wer kennt die Namen, wer nennt die Zahl", der in fast vierzig Jahren das Gießener Edellokal<br />
belebenden Promis und Gäste? Die aus Einzelfotos hier wieder "restaurierte" Bilderwand ist<br />
gespickt mit den Konterfeis respektabler Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und vor allem<br />
Kultur, die selbst in den Miniporträts erkennbar bleiben. So der jüngst verstorbene Bundespräsident<br />
Richard Weizäcker, Disseuse Evelynn Künneke, die "Chilenische Nachtigall" Rosita<br />
Serrano, das Travestieduo Mary & Gordy, die "pudeligen" Jacob Sisters, das Tanzensemble<br />
vom Stadttheater und, und und...<br />
Martin Kalbfleisch: Seinem Vorbild Hans Albers "ins Gesicht geschnitten" und als lockiger Knabe .<br />
In dem 1895 im klassizistischen<br />
Stil gehaltenen<br />
Gebäude in der Liebigstraße<br />
(l.) erblickte Martin<br />
Kalbfleisch vor 80 Jahren<br />
das Licht der Welt. Blieb<br />
das Haus von den Kriegswirren<br />
verschont, war der<br />
Vater als politischer Gegner<br />
in dieser Zeit im KZ Buchenwald<br />
interniert. Nach<br />
der Befreiung führe er mit<br />
seiner Ehefrau das 1910<br />
gegründete Lebensmittelgeschäft<br />
fort, das später<br />
an einen Waschsalon vermietet<br />
wurde, ehe es 1970<br />
als Club Bonaparte den<br />
Lebenstraum des Jubilars<br />
verwirklichte.<br />
für Creative<br />
Bogart 11