Im Fokus 26 1/2007 orthinform Redaktion Sie können sich online über die OrthoFit-Kampagne informieren: unter www.aktion-orthofit.de. Dort können Sie auch nach Ärzten suchen, die sich an der OrthoFit- Kampagne beteiligen. Im Fokus orthinform 1/2007 27
Im Fokus Eine falsche Sitzhaltung über einen längeren Zeitraum kann Verspannungen der Halswirbelsäulenmuskulatur auslösen. Eine falsche Sitzhaltung am Arbeitsplatz, aber auch im Auto kann über einen längeren Zeitraum Kopfschmerzen verstärken oder gar auslösen. Ist die Tastatur dauerhaft zu hoch und der Stuhl zu niedrig, sind die Schmerzattacken häufig vorprogrammiert: Die Betroffenen sitzen in gekrümmter Haltung, die zu einer Überstreckung der Halswirbelsäule und zu einem vorgeschobenen Kopf führt. Wird diese Position über längere Zeit beibehalten oder immer wieder eingenommen, kann das nach längerer Zeit zu einer Verspannung der Halswirbelsäulenmuskulatur führen (Bild 1). Viele von uns haben diese Verspannung schon als unangenehmes Ziehen der Nackenmuskulatur gespürt, die an der Basis des Hinterkopfes ansetzt. Mit der Zeit stellt sich dann auch 28 1/2007 orthinform Stress, Entzündungen, Verletzungen, hormonelle Probleme – die Ursachen für Kopfschmerzen sind vielfältig. Was viele nicht wissen: Auch Probleme mit der Wirbelsäule können zu immer wiederkehrenden, unangenehmenKopfschmerzen führen. Auslöser sind oftmals Fehlhaltungen am Arbeitsplatz. Vom Rücken in den Kopf noch ein dumpfer Kopfschmerz ein, der über den Schädel bis nach vorne kriecht und sich schließlich im Bereich der Stirn festsetzt. Der Schmerz ist meistens einseitig, kommt aber auch beidseitig vor. Kontakt von Rückenmark und Hirn Eine Erklärung des Zusammenhangs von Halswirbelsäule und vielen Kopf- aber auch Gesichtsschmerzbildern liefern die neuesten Erkenntnisse der Neurophysiologen und der Anatomie: Im Bereich der oberen Halswirbelsäule im Rükkenmark haben Forscher zahlreiche Verbindungen zu Hirnnervenkernen und den sensiblen Versorgungsgebieten der Nervenäste des Trigeminus (fünfter Hirnnerv) ausgemacht. Ihre Aufgabe ist es, das Gesicht und den Schädel zu versorgen. Darüber hinaus gibt es weitere Nervenkontakte, die die Bewegung der Kaumuskulatur unterstützen. Zudem folgen Nervenäste und Anteile des vegetativen Nervensystems verschiedenen Blutgefäßen, die über das Hinterhauptsloch bis in den Schädel reichen. Diese Verbindungen sind der Grund, weshalb Störungen aus dem Bereich der oberen Halswirbelsäule Schmerzen im Bereich des Kopfes und des Gesichtsschädels auslösen können. Sie rufen auch die häufig auftretenden Begleiterscheinungen wie Schwindel, Ohrgeräusche oder Übelkeit hervor. Sogar Phänomene wie Sehstörungen, die den Patienten erfolglos zum Augenarzt treiben, lassen sich daraus ableiten. Trotzdem wird die Herkunft dieser Störungseinflüsse der oberen Halswirbelsäule oft nicht festgestellt. Blockierungen mit Verspannung der Muskeln oder gar die Instabilität der oberen Halswirbelsäulensegmente werden nicht erkannt und entsprechend behandelt. Stattdessen wird ersatzweise von „Schmerzsyndromen“ gesprochen. Denn immer noch messen viele Ärzte dem Einfluss der Wirbelsäule auf die Entwicklung von Kopfschmerzen wenig Bedeutung zu. Sie weisen auf die geringe Aussagekraft der Bild gebenden Verfahren wie Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule hin, die auch bei einer Vielzahl von Erwachsenen ohne Beschwerden degenerative Veränderungen zeigen. Dem wird jedoch oft ein zu hoher Stellenwert beigemessen. Stattdessen fehlt häufig eine klare diagnostische Aussage, die mit Hilfe einer funktionsorientierten manualmedizinischen Untersuchungstechnik hätte gestellt werden können. Bei der Triggerpunktbehandlung drückt der Arzt mit der Hand auf schmerzauslösende Punkte im Muskel, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Im Fokus Schmerz durch Triggerpunkte Das gilt auch für myofasziale Schmerzsyndrome (myofasziale Schmerzsyndrome betreffen Muskeln und deren bindegewebige Hüllen einschließlich der Sehnen). Sie sind ebenfalls eine Ursache für Kopfschmerzen, die häufig nicht diagnostiziert werden. Durch falsche Körperhaltung, aber auch durch Umgebungseinflüsse wie feuchte Kälte („Schwitzen nach dem Tennismatch und danach noch draußen im Freien beim einem leichten Windzug sitzen ...“) können in der Muskulatur so genannte „Triggerpunkte“ – etwa im Schulter-Halsbereich – aktiviert werden. Triggerpunkte sind umschriebene, druckschmerzhafte Verhärtungen in Skelettmuskeln, die bestimmte Schmerz-Übertragungsmuster auslösen. Sie projizieren dann an teilweise entfernten Körperstellen „Übertragungsschmerzen“, zum Beispiel im Kopf. Manuelle Therapie bei Kopfschmerzen Zur Therapie der haltungsbedingten Kopfschmerzen sollte man nicht zu Tabletten greifen, sondern die betroffenen Muskeln gezielt durch Manuelle Therapie behandeln lassen. Zahlreiche Manualtherapeuten und Osteopathen verstehen es, die Wirbelsäule in die Behandlung der Kopfschmerzproblematik mit einzubeziehen. Am Anfang der Behandlung steht dabei eine funktionsorientierte manualmedizinische Diagnostik. So bekommt der Arzt Aufschluss über die funktionelle Störung der Wirbelsäule, insbesondere der Halswirbelsäule und des Überganges zur Brustwirbelsäule. Dabei erfasst er sowohl Bewegungseinschränkungen als auch Hypermobilitäten. Anschließend werden die durch die Störung aufgetretenen Muskelverspannungen mit geeigneten Weichteiltechniken behandelt. Dazu gehören zum Beispiel Griffe zur Lösung von Blockierungen und die manuelle Beeinflussung der Muskelspannung durch Kompression. Hierbei wird mit der Hand auf schmerzauslösende Punkte im Muskel gedrückt, um sie zu entspannen und den Schmerz zu nehmen (Bild 2). Entstehen die Beschwerden durch hypermobile Wirbelsäulensegmente, wendet der Arzt auch Therapien an, die die Wirbelsäule stabilisieren. So kann er beispielsweise die Muskulatur in den betroffenen Wirbelsäulenabschnitten mittels „Gegenhaltertechniken“ trainieren, bei denen der Patient einen Gegendruck ausübt. Bei der Behandlung mit manueller Therapie reicht oftmals schon eine Sitzung aus, um dem Patienten den Schmerz zu nehmen. Um einen dauerhaften Erfolg zu erzielen, muss natürlich zusätzlich die Ursache der Schmerzen, nämlich die falsche Sitzhaltung, korrigiert werden. Dr. Norbert Dehoust Dr. Karl-Sell-Ärzteseminar Neutrauchburg (MWE) e.V. der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin Riedstraße 5 88316 Isny orthinform 1/2007 29