Bloß keine Sonderbehandlung! Stephanie Speckhahn ist 23 und seit August 2007 nach ihrer erfolgreichen Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation beim Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) nun eine wichtige Unterstützung im Sekretariat. „Die Ausbildung gefiel mir sehr gut, weil sie ziemlich breit gefächert war“, sagt sie. Bis vor kurzem hat sie tatkräftig in allen Abteilungen der Geschäftsstelle kräftig mitgemischt. Seit Beendigung ihrer Ausbildung sitzt sie nun im Sekretariat. Es macht ihr Spaß, Anfragen entgegen zu nehmen und Menschen bei den verschiedensten Anliegen weiterhelfen zu können. „Zumindest wenn die Person am anderen Ende freundlich ist,“ fügt sie hinzu. Sie ist Ansprechpartnerin für viele Dinge in der Geschäftsstelle des Berufsverbandes der Fachärz- 6 1/2007 orthinform te für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), ob in Buchhaltung, Versand oder das Abwickeln von Anfragen. Kein Wunder, denn Stephanie ist jetzt schon seit September 2005 dabei, sie kennt sich aus. 30 % Schwerbehinderung Alles ganz normal. Oder? Stephanie fährt jeden Tag mit dem Zug eineinhalb Stunden von ihrer Wohnung in der Stadt Brandenburg zu ihrem Arbeitsplatz unweit vom Berliner Bahnhof Zoo und nachmittags zurück. Das sind insgesamt stolze 160 Kilometer. Doch "es war damals sehr schwer, einen Ausbildungsplatz zu finden“, sagt sie. „Vor allem wegen meiner Rückenprobleme.“ Genau deshalb hat Stephanie eine Schwerbehinderung von 30 Prozent – das hatte sie selbst vorher nicht gtedacht.“ Das liegt an ihrer Wirbelsäule, genauer gesagt an Spina Bifida, frei übersetzt „gespaltene Wirbelsäule“. Darunter versteht man eine Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, Seit zweieinhalb Jahren ein Paar: Stephanie und Dennis. die auf einer Verschlussstörung des Neuralrohrs (Nervenkanal) beruhen. Diese Fehlbildung tritt in der Regel in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche auf. „Meine Mutter hat von nichts gewusst, erst als ich geboren war, hat sie sich informieren können.“, erzählt Stephanie. Das war nicht leicht, auch wenn Stephanie unter einer vergleichbar leichten Form der Spina bifida leidet. Die schwereren Formen können bis hin zur Querschnittslähmung mit Störungen der Blasen- und Darmfunktion führen. Bei Stephanie sind es „nur“ Rückenschmerzen. Zum Krankheitsbild Spina Bifida kommt bei Stephanie außerdem noch eine Skoliose, also eine Seitenverbiegung der Wirbelsäule in Verbindung mit einer Verdrehung der Wirbelkörper. Rückengerechter Arbeitsplatz Beim BVOU sieht man es als wichtige Aufgabe, Menschen mit orthopädischen Erkrankungen zu integrieren. Denn es kann doch nicht sein, dass jemand, nur weil er nicht 100-prozentig der Norm entspricht, keine Chance auf einen Ausbildungsplatz hat. Stephanies Vorgesetzte und Kollegen haben Verständnis und helfen weiter. Zum Beispiel, wenn es um rückengerechte Möbel oder andere spezielle Ausstattungen geht. Es ist zweifellos etwas Besonderes, an seinem Arbeitsplatz eine orthopädische Beratung und Ausstattung vom Fachmann zu bekommen. Auch wenn das beim BVOU irgendwie in der Natur der Sache liegt ... Wieder mehr Sport machen „Seit dem Ende meiner Grundschulzeit habe ich eine Sportbefreiung, davor habe ich immer versucht, beim Sportunterricht mitzumachen. Aber längeres Stehen, Laufen oder Hüpfen bedeutet Rückenschmerzen, spätestens nach einer Stunde. Und die gehen dann nicht so schnell wieder weg.“ Stephanie möchte jetzt wieder mehr Sport machen, Rückenschwimmen zum Beispiel hat ihr der Orthopäde empfohlen. Und sie geht gerne zum Bowlen ... „Aber bei meinem täglichen Pensum ist es gar nicht so einfach, regelmäßig Sport zu machen“, fügt sie hinzu. In Bewegung Auch für andere Hobbys bleibt nicht viel Zeit. „Meine 4 Vögel brauchen schließlich auch ganz schön viel Aufmerksamkeit,“ sagt sie und lacht. Das Wellensittich-Pärchen und die beiden Alexandersittiche sind nicht nur schön bunt, sondern auch ganz schön verschmust. Ansonsten liest sie viel, am liebsten spannende Krimis. „Letztens war ich so in meinen Krimi vertieft, dass ich um ein Haar in der Bahn sitzen geblieben wäre auf dem Weg zur Arbeit“, bekennt sie. Typisch Stephanie: Wenn sie etwas tut, tut sie es richtig. Mit Ernsthaftigkeit und Ruhe. Der Blick ihrer braunen Augen ist sanft, aber entschlossen. Ihre Kollegen nennen das „absolut verlässlich“. Ein ganz normales Leben Stephanie ist es wichtig, keine Sonderbehandlung zu bekommen. Sie ist schließlich eine ganz normale junge Frau, und Rückenprobleme haben doch ziemlich viele Leute ... Das sieht auch Stephanies Freund Dennis so, mit dem sie seit über einem Jahr zusammenlebt. „ Ich möchte zwar nicht, dass Stephi sich überanstrengt und zu schwer hebt oder trägt, aber ansonsten genießt sie zu Hause keine Sonderbehandlung“, sagt er grinsend. Dafür bekommt er erst mal einen Rippenstoß von seiner Freundin, aber auch ein bekräftigendes Nicken. „Mir geht es doch ziemlich gut. Und so möchte ich auch behandelt werden“, sagt Stephanie. Demnächst möchten Stephanie und Dennis mal wieder verreisen. Vielleicht auf die Malediven. „Da war ich noch nie, und auf den Fotos in den Prospekten sieht es einfach traumhaft aus“, schwärmt sie. Warum nicht? Auf den Malediven wird den beiden sicher genügend Zeit bleiben, um regelmäßig was für den Rücken zu tun ... Wellensittich Archimedes fühlt sich in Stephanies Nähe am wohlsten. orthinform 1/2007 7
In Bewegung 8 1/2007 orthinform In Bewegung 5. Auflage orthinform 1/2007 9