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Filmanalyse DER UNTERGANG - Bernhard Springer

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Gerahmtes Erzählen<br />

Am Anfang und Ende des Films <strong>DER</strong> <strong>UNTERGANG</strong> rahmen Interviewausschnitte der<br />

alten Traudl Junge das Geschehen, die dem Dokumentarfilm IM TOTEN WINKEL.<br />

HITLERS SEKRETÄTRIN entnommen sind. Damit bedient sich der Film mit der Form des<br />

Gerahmten Erzählens einer besonderen Organisationsform des Erzählens:<br />

(Filmanfang 00:00:15) Schwarzfilm<br />

TRAUDL JUNGE<br />

Ich hab’ das Gefühl, dass ich diesem Kind,<br />

diesem kindischen jungen Ding bös’ sein<br />

muss oder dass ich ihm nicht verzeihen kann,<br />

dass es die, die Schrecken ... dieses Monster<br />

nicht rechtzeitig erkannt hat. Dass es nicht<br />

durchschaut hat, in was es da hineingeraten<br />

ist. Und vor allem, dass ich so unüberlegt „ja“<br />

gesagt habe. Ich war ja, ich war ja keine<br />

begeisterte Nationalsozialistin. Ich hätte ja, als<br />

ich dann nach Berlin kam, sagen können, nein<br />

ich will da nicht mitmachen und ich will auch<br />

nicht ins Führerhauptquartier geschickt<br />

werden. Ich hab’s aber nicht gemacht. Aber<br />

da war die Neugier zu groß. Und irgendwie,<br />

hab’ ich das auch nicht so, ich hab ja nicht gedacht,<br />

dass mich das Schicksal so vorantreibt<br />

an eine Stelle, die ich überhaupt nicht<br />

angestrebt habe. Und trotzdem, es fällt mir<br />

schwer, mir das zu verzeihen.<br />

(Filmende 02:20:49) Filmausschnitt*<br />

TRAUDL JUNGE<br />

Natürlich habe ich dieses, diese Schrecknisse<br />

durch den Nürnberger Prozess, diese 6 Millionen<br />

Juden und, und anders-gläubige oder<br />

anders-rassischen Menschen, die da umgekommen<br />

sind, als eine ganz erschütternde und<br />

fürchterliche Tatsache empfunden.Aber ich<br />

habe noch nicht den Zusammenhang hergestellt<br />

mit meiner eigenen Vergangenheit. Ich<br />

habe mich noch damit zufrieden gegeben,<br />

dass ich persönlich keine Schuld hatte und<br />

auch davon nichts gewusst hab’, von diesem<br />

Ausmaß hab’ ich nichts gewusst.Aber eines<br />

Tages bin ich an der Gedenktafel vorbeigegangen,<br />

die für die Sophie Scholl an der Franz-<br />

Joseph-Straße befestigt war und da habe ich<br />

gesehen, dass sie mein Jahrgang war und dass<br />

sie in dem Jahr, als ich zu Hitler kam, hingerichtet<br />

worden ist. Und in dem Moment hab’<br />

ich eigentlich gespürt, dass das keine Entschuldigung<br />

ist, dass man jung ist, sondern dass man<br />

auch hätte vielleicht Dinge erfahren können.<br />

*Im toten Winkel<br />

Bei der besonderen Form des Gerahmten Erzählens wird die eigentliche Erzählung<br />

(Binnenerzählung) durch einen Rahmen (Rahmenerzählung) eingefasst oder unterbrochen,<br />

der sich in Ort und Zeit oder Figur von der Binnenerzählung unterscheidet.<br />

Dabei können verschiedene Grundformen und Funktionen des gerahmten Erzählens<br />

unterschieden werden:<br />

Formen der Rahmung<br />

Offener Rahmen: Anfangsrahmen oder Endrahmen: Es besteht nur ein<br />

Rahmen am Anfang oder am Ende (z.B.: Schindlers Liste,<br />

bei dem zum Schluss des Films die von Schindler geretteten<br />

Überlebenden und ihre Nachkommen auftreten)<br />

Geschlossene Rahmung: Die Erzählung wird sowohl am Anfang wie am Ende gerahmt<br />

Verschachtelung: Die Rahmenerzählung unterbricht immer wieder die<br />

Binnenerzählung<br />

Funktionen der Rahmung:<br />

Erzählanlass: Der Rahmen gibt den Anlass für die Binnenerzählung<br />

(z.B.: Boccaccios Decamerone)<br />

Legitimation der Erzählung:Oft wird mit dem Erzählanlass versucht, die Glaubhaftigkeit<br />

zu betonen (z.B.: Arthur Penns Film Little Big Man)<br />

erzählerische Verknüpfung: Rahmen- und Binnenerzählung bedingen sich gegenseitig,<br />

wobei der Rahmen oft mit einer eigenständigen Handlung<br />

verbunden ist (z.B.: Erzählungen aus den 1001 Nächten)<br />

Lenkung: Der Rahmen steht in interpretierendem Verhältnis zum<br />

Erzählten, indem er die Themen oder Ereignisse verstärkt,<br />

negiert oder in anderer Weise kommentiert. Er dient damit<br />

der Vermittlung von Normen und Werten Seite 35 // Teil 3

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