Konzern bleibt auf Wertsteigerungskurs - Kolbenschmidt Pierburg AG
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Das Profil 3/2003 Das Porträt<br />
Seite 9<br />
Das zur Rheinmetall DeTec <strong>AG</strong><br />
gehörende deutsch-schweizerischeGemeinschaftsunternehmen<br />
Nitrochemie<br />
<strong>AG</strong> mit seinen beiden operativen<br />
Gesellschaften Nitrochemie<br />
Aschau GmbH (Aschau/Deutschland)<br />
und Nitrochemie Wimmis <strong>AG</strong> (Wimmis/Schweiz)<br />
ist in der Wehrtechnik<br />
bekannt als ein wichtiger europäischer<br />
Anbieter von Treibladungen, Ladungssystemen<br />
und Munitionskomponenten.<br />
Darüber hinaus bietet die Nitrochemie<br />
<strong>AG</strong> als kompetenter Partner<br />
auch chemische Zwischenprodukte<br />
und Dienstleistungen für die Chemieund<br />
Pharmaindustrie an. Die „Profil“-<br />
Zeittafel dokumentiert die wichtigsten<br />
Ereignisse in der nunmehr 50-jährigen<br />
Firmengeschichte.<br />
1938 In Aschau am Inn errichtet die<br />
Dynamit Nobel <strong>AG</strong> ein Werk zur Herstellung<br />
von Nitrocellulose.<br />
1945 Das Werk in Aschau wird von<br />
den Amerikanern beschlagnahmt, die<br />
Produktion eingestellt.<br />
1953 Die Wasag-Chemie <strong>AG</strong> in Essen<br />
gründet die WNC Nitrochemie GmbH<br />
und nimmt die frühere Nitrocellulose-<br />
Fabrik wieder in Betrieb. Zunächst<br />
wird nur Nitrocellulose („Schießwol-<br />
le“) für Lacke, Celluloid und Dynamit<br />
gefertigt.<br />
1959 Die Serienproduktion einbasiger<br />
Treibladungspulver wird <strong>auf</strong>genommen.<br />
1964 Das Aschauer Unternehmen<br />
beginnt mit der Serienproduktion von<br />
mehrbasigen Treibladungspulvern<br />
und mit der Abfüllung von Sprengstoffen<br />
in Granaten und Sprengladungen.<br />
1968 Die WNC Nitrochemie startet<br />
mit der Herstellung chemischer Zwi-<br />
50 Jahre Nitrochemie Aschau GmbH: weltweit gefragtes Know-how<br />
Position in Europa stetig ausgebaut<br />
rs Aschau. Seit nunmehr fünf Jahrzehnten<br />
ist die Nitrochemie Aschau<br />
GmbH mit einem innovativen Produktsortiment<br />
in den Sparten Wehrtechnik<br />
und – seit 1968 – Chemische Zwischenprodukte<br />
erfolgreich <strong>auf</strong> internationalen<br />
Märkten präsent. Nach der<br />
Mehrheitsbeteiligung durch die Rheinmetall<br />
<strong>AG</strong> Anfang der neunziger Jahre<br />
folgte 1998 als Antwort <strong>auf</strong> weltweit<br />
veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen<br />
der strategische Zusammenschluss<br />
mit der SM Schweizerische<br />
Munitionsunternehmung <strong>AG</strong> zur<br />
heutigen Nitrochemie-Gruppe mit einer<br />
Produktionsspezialisierung an<br />
den beiden Standorten in Oberbayern<br />
und im Berner Oberland (Schweiz). Als<br />
Spezialist für mehrbasige Treibladungen,<br />
Ladungssysteme, Munitionskomponenten<br />
sowie einem breiten Angebot<br />
chemischer Erzeugnisse für die zivile<br />
Industrie ist es dem Unternehmen<br />
am Standort in Oberbayern gelungen,<br />
profitable Kundenbeziehungen <strong>auf</strong>und<br />
für eine erfolgreiche Zukunft weiter<br />
auszubauen.<br />
Die Basis für den geschäftlichen Erfolg<br />
der Nitrochemie in Aschau wurde<br />
1953 gelegt. Damals gründete die Wasag-Chemie<br />
<strong>AG</strong> aus Essen die WNC<br />
Nitrochemie GmbH. Wurde anfänglich<br />
ausschließlich Nitrocellulose – besser<br />
bekannt unter dem Namen „Schieß-<br />
wolle“ – für Lacke, Celluloid und Dynamit<br />
gefertigt, konnte das Produktsortiment<br />
in den dar<strong>auf</strong> folgenden Jahren<br />
rasch und stetig ausgeweitet werden.<br />
Heute umfaßt die Produktpalette aus<br />
Aschau unter anderem Ladungssysteme<br />
für die Artillerie, Hochleistungstreibladungspulver<br />
für Anwendungen in Mittel-<br />
und Großkaliber oder verbrennbare<br />
Komponenten wie Hülsen. Im Bereich<br />
der chemischen Zwischenprodukte für<br />
die zivile Industrie bilden die Silane (Siliconhärter)<br />
die stärkste Produktgruppe,<br />
die als Zusatz in Dichtstoffen <strong>auf</strong> Siliconbasis,<br />
wie sie beispielsweise für<br />
Fenster, Türen oder im Sanitärbereich<br />
verwendet werden. Weitere Produkte<br />
sind unter anderem Säurechloride und<br />
Oxidationsprodukte.<br />
Die hochmodernen Erzeugnisse aus<br />
süddeutscher Fertigung – hier vor allem<br />
aus dem wehrtechnischen Bereich<br />
– waren auch für Rheinmetall<br />
von großem Interesse. „Mit deren Ein-<br />
Partner mit Kompetenz<br />
stieg im Jahre 1992 wurde die Nitrochemie<br />
Teil eines Wehrtechnik-Verbundes,<br />
in dem die Stärken voll eingebracht<br />
werden konnten“, erläutert Bodo<br />
Garbe, einer der drei Geschäftsführer<br />
der Nitrochemie <strong>AG</strong> und als solcher<br />
verantwortlich für Marketing und Vertrieb,<br />
den Einstieg des Ratinger Unternehmens.<br />
Eine neue Zeitrechnung begann für<br />
den bayerischen Standort im Jahr<br />
1998 durch das Joint-venture mit der<br />
Werner Köhn<br />
Bodo Garbe<br />
SM Schweizerische Munitionsunternehmung<br />
<strong>AG</strong> zur heutigen Nitrochemie-Gruppe.<br />
An der Managementgesellschaft<br />
hält die Rheinmetall DeTec<br />
<strong>AG</strong> 51 Prozent, an den operativen Gesellschaften<br />
55 Prozent; die restlichen<br />
Anteile befinden sich im Besitz der<br />
ehemaligen Schweizer Rüstungsbetriebe<br />
des Bundes, der heutigen<br />
RU<strong>AG</strong>-Holding.<br />
„Das war und ist eine Vernunftehe<br />
par excellence“, beschreibt Werner<br />
Köhn, stellvertretender Geschäftsführer<br />
der Nitrochemie <strong>AG</strong> und zuständig<br />
für die Ressorts Finanzen und Personal,<br />
den gesellschaftsrechtlichen Hintergrund:<br />
„Die Fusion hat Spezialisten<br />
aus beiden Ländern zusammengeführt<br />
und unsere gemeinsame Position<br />
auch im Markt gestärkt. Sie hat –<br />
dasmuß man ganz klar betonen – vor<br />
allem Synergien in der Entwicklung<br />
und Produktion und damit bessere<br />
Marktchancen gebracht.“<br />
Ein Zugewinn wurde vor zwei Jahren<br />
beispielsweise mit dem <strong>auf</strong> über zehn<br />
Jahre angelegten Partnerschaftsvertrag<br />
mit Royal Ordonance Ltd. (ROD),<br />
dem bedeutendsten englischen Munitionshersteller,<br />
erreicht („Das Profil“<br />
4/2001). Seit Frühjahr 2003 werden<br />
jährlich mehr als 300 Tonnen mehrbasiges<br />
Treibladungspulver und 200 000<br />
verbrennbare Munitionsformteile an<br />
die im südenglischen Filton firmierende<br />
Tochter von BAE-Systems (British<br />
Aerospace) geliefert. Im Gegenzug<br />
stellte ROD die eigene Pulverproduktion<br />
ein.<br />
Garbe weist in diesem Zusammenhang<br />
<strong>auf</strong> einen weiteren Ausbau der<br />
Kooperation mit den Briten hin: „Unsere<br />
Erwartungen an diese Form der<br />
langfristigen Kooperation haben sich<br />
bisher mehr als erfüllt. Nach der<br />
Schließung der ROD-Produktionsstätte<br />
im niederländischen Muiden im ersten<br />
Quartal 2004 wird die Nitrochemie<br />
die Chance haben, die Briten auch<br />
mit einbasigen Pulvern zu versorgen.<br />
Dies würde unsere Position als der europäische<br />
Anbieter von Treibladungspulver<br />
nachhaltig stärken.“ Diese<br />
– strategisch angelegte – Zusammenarbeit<br />
bringt dem Unternehmen<br />
mehr als nur ein Plus beim Umsatz.<br />
„Das muß ganz klar gesagt werden“,<br />
so Garbe, „die Kooperation mit den<br />
Briten sichert einen Großteil der bestehenden<br />
Arbeitsplätze.“<br />
Für den 49-jährigen Marketingfachmann<br />
ist die Zusammenarbeit mit den<br />
Briten ein wegweisendes Modell für die<br />
Zukunft. Garbe: „Wir sehen uns in<br />
Aschau und Wimmis mit demselben<br />
Problem konfrontiert: Konnten wir bis<br />
Ende der neunziger Jahre rund 80 Prozent<br />
unserer Umsätze <strong>auf</strong> den jeweili-<br />
Das aus zylindrischen Modulen bestehende MTLS-System gehört mit zu den erfolgreichsten Produkten der Aschauer<br />
Munitionsspezialisten. Verbrennbare Hülsenteile sind Bestandteil der Treibladung moderner Hochleistungsmunition.<br />
gen Heimmärkten Deutschland und<br />
Schweiz erzielen und nur 20 Prozent exportieren,<br />
wird sich dieses Verhältnis in<br />
den kommenden Jahren exakt umkehren!<br />
Hier machen sich die stetig sinkenden<br />
Verteidigungsbudgets deutlich bemerkbar.<br />
Wollen wir auch künftig eine<br />
führende Position <strong>auf</strong> den uns zugänglichen<br />
Märkten einnehmen, können wir<br />
das nur mit verstärkten Anstrengungen<br />
im Exportgeschäft realisieren.“<br />
Die vermehrte Konzentration <strong>auf</strong><br />
ausländische Märkte scheint sich bereits<br />
zu bestätigen, erläutert Finanzchef<br />
Köhn: „Mit unseren hochmodernen<br />
Produkten – beispielsweise dem<br />
modularen Treibladungssystem (MT-<br />
LS) oder den voll verbrennbaren Formteilen<br />
– haben wir uns als kompetenter<br />
und zuverlässiger Lieferant wehrtechnischer<br />
und chemischer Produkte<br />
international einen guten Ruf erworben.<br />
Das zahlt sich aus: In den kommenden<br />
Monaten erwarten wir für un-<br />
schenprodukte für den zivilen Industriesektor.<br />
1975 Im Unternehmen wird eine<br />
Pilotanlage für verbrennbare Munitionsformteile<br />
(„Hülsen“) entwickelt; von<br />
1980 an beginnt die Serienfertigung.<br />
1991 Bei der WNC Nitrochemie beginnt<br />
die Pilotlos-Fertigung des Diglykol-Röhrenpulvers,<br />
das in der<br />
Mehrzweckmunition für die 120-mm-<br />
Glattrohrkanone (Kampfpanzer „Leopard<br />
2“) zum Einsatz kommt.<br />
1992 Die Rheinmetall Industrie<br />
GmbH erwirbt eine 70-prozentige Beteiligung<br />
an der WNC Nitrochemie GmbH.<br />
1996 Die Serienfertigung des Modularen<br />
Treibladungssystems (MTLS) startet.<br />
sere Wehrtechniksparte neue Aufträge<br />
aus Griechenland, Frankreich und dem<br />
asiatischen Raum.“<br />
Im Bereich der chemischen und pharmazeutischen<br />
Komponentenfertigung<br />
läßt sich indes nicht soweit im Voraus<br />
planen. „Die Chemie ist ein sehr<br />
schnelllebiges Geschäft – entsprechend<br />
kurzfristig werden die Bestellungen<br />
getätigt und ausgeführt. Vom Auftragseingang<br />
bis zur Auslieferung an<br />
den Kunden vergehen höchstens sechs<br />
bis acht Wochen“, so Garbe. Aber auch<br />
hier stehen die Weichen <strong>auf</strong> Zuwachs:<br />
„Mit konsequenten Erneuerungsinvestitionen<br />
in unsere chemischen Anlagen<br />
von rund dreizehn Millionen € in<br />
den letzten fünf Jahren haben wir in<br />
Aschau die nötigen Voraussetzungen<br />
geschaffen, zusätzliches Wachstum zu<br />
realisieren“, ergänzt Garbe.<br />
Im Jahr 2002 konnte die Nitrochemie-<br />
Gruppe einen Umsatz von rund 93 Millionen<br />
€ erreichen. „Unser Ziel ist es,<br />
in den nächsten Jahren die Grenze von<br />
100 Millionen € zu überschreiten.“ Mit<br />
diesen Worten zeigt Werner Köhn die<br />
1998 Die zur Rheinmetall Industrie<br />
<strong>AG</strong> gehörende WNC Nitrochemie<br />
GmbH (Aschau) und der in Wimmis<br />
(Schweiz) tätige Geschäftsbereich<br />
„Pulver & Ladungen“ der SM Schweizerische<br />
Munitionsunternehmung <strong>AG</strong><br />
werden zur Nitrochemie <strong>AG</strong> mit Sitz in<br />
Wimmis zusammengefaßt. Der<br />
Aschauer Standort firmiert seither als<br />
Nitrochemie Aschau GmbH.<br />
2001 Die Firma geht eine strategische<br />
Partnerschaft mit Royal Ordnance<br />
Defence Ltd. in Filton (Großbritannien)<br />
ein und übernimmt die gesamte<br />
Belieferung des bedeutendsten<br />
britischen Munitionsherstellers<br />
mit mehrbasigem Pulver und verbrennbaren<br />
Formteilen. akn<br />
In modernen Siliconen enthaltene Silane der Nitrochemie Aschau GmbH bieten<br />
nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten: Ob Chemie-, Elektro- oder Freizeitindustrie<br />
– Kunststoffe finden sich in fast jedem Lebensbereich, auch im Sport.<br />
Ohne Silane nicht denkbar: Elastosilprofile<br />
dichten und dämpfen auch unter<br />
extremen Umwelt-Bedingungen.<br />
Richtung der Unternehmensentwicklung<br />
in den nächsten Jahren <strong>auf</strong>.<br />
Der Finanz- und Personalfachmann<br />
fügt hinzu: „Natürlich erfüllt es uns mit<br />
einem gewissen Stolz, dass wir hier am<br />
Standort Aschau nun schon seit 50 Jahren<br />
so erfolgreich tätig sind. Mit unserem<br />
Werk sind wir der zweitgrößte Arbeitgeber<br />
in der Region und bieten der<br />
Bevölkerung seit Generationen attraktive<br />
Arbeitsplätze direkt vor der Haustür.<br />
Unser Ziel ist es, die bestehenden rund<br />
500 Arbeitsplätze auch in den nächsten<br />
Jahren zu erhalten und die Ausbildungsstellen<br />
von zur Zeit knapp 20 weiter zu<br />
erhöhen. Da ist es von Bedeutung, dass<br />
unser Verhältnis zum Betriebsrat <strong>auf</strong><br />
sachlicher und fachlicher Ebene von gegenseitigem<br />
Vertrauen und einem regen<br />
Informationsaustausch geprägt ist.“<br />
Mit einem offiziellen Festakt, begleitet<br />
von zünftiger bayerischer Blasmusik,<br />
wird das 50-jährige Bestehen der<br />
Nitrochemie Aschau GmbH am 20.<br />
September dieses Jahres gebührend<br />
gefeiert. Für den Nachmittag ist ein<br />
großes Familienfest angesagt.<br />
Silane aus dem Hause Nitrochemie<br />
Aschau GmbH können in der Praxis Bestandteil<br />
chemischer Dichtungen sein.<br />
Fotos (3): mit freundlicher Genehmigung der Wacker-Chemie GmbH (München)