23.06.2015 Aufrufe

DIE WIRTSCHAFT

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12 BRANCHEN<br />

Gefrorener<br />

Eis ist nicht gleich Eis. Bei „GelatoMio“ inC<br />

produziere keine Süßigkeiten, sondern gesu<br />

Stilechter Werbeträger: Den fabrikneuen Piaggio-Ape nutzen Rosie und Toni Manusé auch, um die Einkäufe bei<br />

den Bio-Bauern der Region zu erledigen. .<br />

Fotos: Maike Harhues<br />

Der gute Ruf dieser zart schmelzenden<br />

Handwerkskunst schallt bis in<br />

den Vatikan –als Komposition aus<br />

Ziegenmilch, Boskoop-Äpfeln,<br />

Mandeln und Zimt eroberte das<br />

Bioeis „manufaktum im Münsterland“<br />

schon den Gaumen<br />

des Papstes. Offenbar ein Genuss<br />

für Franziskus: Denn<br />

über seinen Konvent ließ das<br />

Kirchenoberhaupt den westfälischen<br />

Eismeistern telefonisch<br />

ausrichten, dass ihm die Kostprobe<br />

aus Coesfeld gemundet<br />

hat. Trotzdem soll dieser gefrorene<br />

Gourmet-Gipfelsturm aus<br />

Schafsjoghurt mit leichter<br />

Minzenote ein schnödes<br />

Lebensmittel sein?<br />

So recht<br />

nimmt das<br />

Rosie Manusé<br />

keiner ab.<br />

Zumindest<br />

keiner, der ihr Ergebnis<br />

vonKönnen und<br />

italienischer Kreativität<br />

gekostet hat.<br />

Doch der lebenslustigen<br />

Sizilianerin ist es<br />

eine Herzensangelegenheit:<br />

„Ich produziere<br />

keine Süßigkeiten,<br />

sondern gesunde Nahr<br />

mit Rohrzucker, die gut tun.“<br />

ihrem Eis finden sich nur rein<br />

Bio-Zutaten aus der Region, k<br />

liches Aroma, kein Milchpu<br />

Pflanzenfette, keine Gesch<br />

stärker. „Es ist wie beim Ka<br />

Der kommt bei uns auch aus e<br />

toffeln und nicht aus Pfanni<br />

den Tisch“, verdeutlicht die<br />

Und wenn die Konditorin un<br />

terin nur an blaues Schlump<br />

verzieht sie gargequält das G<br />

No-Go an ihren nostalgischen<br />

in Coesfeld, Rosendahl, Bille<br />

Münster und dem Eis-Fahrra<br />

Bio-Markt am Domplatz in M<br />

demnächst mit einem Franch<br />

nehmer sogar in Stuttgart. „W<br />

mit Anfragen für weitere De<br />

von Cafés und Restaurants<br />

bombardiert –aber es muss<br />

Konzept passen. Sprich: We<br />

cker mit 30 Filialen unser Eis<br />

will, aber nicht ein Bio-Brot i<br />

hat, dann passt das nicht zu<br />

Toni Manusé klar. Eigentlich<br />

Ehemann Rechtsanwalt: „Ab<br />

Eissaison, da bin ich nur ein<br />

Woche in meiner Kanzlei in<br />

schmunzelt der 42-Jährige.<br />

Der Sizilianer selbst stammt a<br />

ten Eisdynastie, sein heute<br />

Vater, ebenfalls mit Vorname<br />

Handwerkskunst im Eislabor: Auch wenn die Rezepte, nach denen Rosie Mansusé ihr Eis herstellt, italienisch sind: Die Zutaten stammen aus der Region.<br />

Branche fehltder Nachwuchs<br />

Im Münsterland sind nur noch 81 Gelaterien Mitglied der Handwerkskammer<br />

Die Zahlen geben zu denken:<br />

Nur noch 81 Gelaterien<br />

sind Mitglied der<br />

Handwerkskammer Münster<br />

für 78 Städte und Gemeinden<br />

des Münsterlandes, 2013 waren<br />

es noch 83 und 2003 sogar noch 114.<br />

Trotzdem bietet eigentlich jede Stadt<br />

mehr als eine Eisdiele und manchmal<br />

schon eine Gemeinde mit bloß 15 000<br />

Einwohnern sogar zwei. Die Fassade<br />

könnte aber täuschen: „Nicht an jedem<br />

Eiscafé mit schönem italienischem Ladenlogo<br />

und Eismaschine in der Küche<br />

wird das Eis auch nach italienischer<br />

Machart handwerklich hergestellt“, stellt<br />

Dr. Annalisa Carnio klar. Die Pressesprecherin<br />

von Uniteis (Union italienischer<br />

Speiseeishersteller in Deutschland) gibt<br />

zu bedenken: „Viele Betreiber sind Filialisten,<br />

kaufen also vonHandwerksbetrieben<br />

zu.“<br />

Die kostengünstigere und schnelle Alternative:<br />

„Basismix+Ihre Geschmackspaste+Eismaschine<br />

=Ihr Eis in nur acht Minuten,<br />

große Volumenzunahme, deklarationsfrei<br />

für Ihre 200 Sorten“ lautet das<br />

Angebot der Privatmolkei Naarmann aus<br />

Neuenkirchen bei Rheine an Großkunden.<br />

Viele Betriebe stellten das Speiseeis in<br />

dieser Art her, das sei dem Verband bekannt,<br />

dessen Mitglieder sich hingegen<br />

für eine Qualitätsoffensive starkmachten.<br />

Denn werbei Uniteis sei, fügeseinem<br />

Fruchteis selbstverpflichtend mindestens<br />

20 Prozent frisches Obst hinzu, dem<br />

Milcheis 70 Prozent Milch. Von den von<br />

Uniteis geschätzten 9000 Eisdielen<br />

Deutschlands sind allerdings nur 3300<br />

Mitglied im Qualitätsverbund.<br />

Nicht ausschließlich Italiener: „Als Berufsverband<br />

müssen wir uns anderen Nationalitäten<br />

öffnen“, weiß Carnio. Denn<br />

die Branche plagten Nachwuchssorgen:<br />

Die in Deutschland aufgewachsenen<br />

Bambini der Gelatieri hätten oft einen<br />

akademischen Abschluss .Diese Generation<br />

habe längst nicht immer Lust, den elterlichen<br />

Betrieb zu übernehmen.<br />

Deshalb lautet die Devise: Mit einem exquisiten<br />

Produkt bei den Kunden punkten.<br />

Beispiel: „Unser Eis des Jahres 2015,<br />

Erdbeeremit Balsamico, vereint ein Symbol<br />

Italiens mit einer deutschen Frucht –<br />

und lenkt die Aufmerksamkeit auf die<br />

Qualität italienischen Speiseeises“,<br />

glaubt Carnio. Gourmetanspruch im Zeichen<br />

der Schnecke: „Die Philosophie der<br />

Coesfelder Eismanufaktur, keine Süßigkeit<br />

herzustellen, passt gut in unser Konzept“,<br />

betont Manfred Wöstmann. Zusammen<br />

mit Gleichgesinnten hat der Vorsitzende<br />

des Conviviums Münster, das<br />

Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft.<br />

„Die Slow-Food-Unterstützung ist<br />

aber eine unternehmerische Selbstverpflichtung,<br />

wir kontrollieren nicht regelmäßig,<br />

ob noch alles so schön läuft wie<br />

bei der Erstpräsentation“, schiebt der Havixbecker<br />

hinterher.<br />

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den<br />

Beruf auch für die Jugend außerhalb der<br />

italienischen Gelatieri-Familie attraktiv<br />

zu machen, ist der seit 2008 in Deutschland<br />

anerkannte Ausbildungsberuf des<br />

Speiseeisherstellers. Zehn Lehrlingewurden<br />

seitdem im Münsterland ausgebildet.<br />

Gebüffelt wird inden Wintermonaten,<br />

um die Schüler in der Saison nicht<br />

von den Betrieben fernzuhalten. ma<br />

OFFEN GESAGT<br />

Kein Einheitsschleck<br />

Eine Kugel schlecken beim Shopping, einen<br />

Becher vertilgen beim Bummeln, eine kühle<br />

Erfrischung beim Familienausflug –Eis beschert<br />

schnellen Spaß. Genuss mit zumindest einer<br />

Garantie: In der Waffel landet der allgemein<br />

erwartete Einheitsgeschmack.<br />

Die Frage nach Herkunft und Qualität der Rohstoffe<br />

kommt dabei meist gar nicht erst auf.<br />

Wer sie (sich) dennoch stellt, der merkt rasch,<br />

dass eine italienisch anmutende Fassade und<br />

traditionelle Handwerkskunst aus der Stiefel-<br />

Halbinsel längst nicht immer zusammentreffen.<br />

Schade, denn der Markt für Schmelz mit Anspruch<br />

ist da, wie die steile Nachfragekurve belegt,<br />

die die Coesfelder Manufaktur erlebt.<br />

Doch die Zahl der Betriebe, die diese Nische<br />

nutzt, bleibt vorerst winzig. Sie verpassen eine<br />

Chance: Ihr Profil zu schärfen, indem sie sich<br />

von dem Eiscafé abzusetzen, das sich beim Flanieren<br />

durch Innenstädte allenthalben findet.<br />

Der höhere Preis pro „Bällchen“ dürfte viele<br />

Kunden nicht abschrecken. Denn die Bereitschaft,<br />

weniger oft oder weniger viel zu naschen,<br />

dafür aber den Gaumen nachhaltig zu<br />

kitzeln und echte Zutaten zu erschmecken,<br />

setzt sich ebenso immer mehr durch wie die<br />

Erkenntnis, dass wertvolle Lebensmittel<br />

schlichtweg ihren Preis haben.<br />

Maike Harhues

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!