SchwerpunktDer <strong>Tod</strong>: ein Lehrerdes Lebens„Tatsächlich ist der <strong>Tod</strong>, den man oft sehr fürch -tet, für mich eines der am meisten erwartetenEreignisse, ein Ereignis, das meinem LebenSinn verleiht. Man kann den <strong>Tod</strong> betrachten alsdas Ende des Lebens oder die Schwelle derEwigkeit; in jedem dieser Aspekte finde ichTrost.“ So schreibt mit Blick auf das Endeseines Lebens Pedro Arrupe, der ehemaligeGeneralobere der Jesuiten (1965 – 1983), imSchlusswort des Buches „Mein Weg <strong>und</strong> meinGlaube“.Unwillkürlich werde ich durch diese Aussagean den Bericht des Pilgers erinnert, in demIgnatius von Loyola vom „Übermaß der Tröstungen“spricht, die er beim Gedanken an den<strong>Tod</strong> verspürte.Der Gedanke an den <strong>Tod</strong> soll ein „tröstlicher“Gedanke sein? Das klingt außergewöhnlich,zumindest ungewöhnlich. Und tatsächlich, derGedanke an den <strong>Tod</strong> ist nicht alltäglich <strong>und</strong>auch nicht gewöhnlich. Die meisten Menschendenken an ihn nur, wenn sie dazu gezwungenwerden. Die Erinnerung an den <strong>Tod</strong>ist bedrohlich, lebensbedrohlich. „Was ist so sicherals der <strong>Tod</strong>? Aber nichts ist ungewisser alsdie St<strong>und</strong>e des <strong>Tod</strong>es“ (Petrus von Blois).Nicht zuletzt deshalb erleben wir den <strong>Tod</strong> alslebensfeindlich. Doch weil wir ihm nicht entkommenkönnen, müssen wir mit ihm lebenlernen, <strong>und</strong> das ein Leben lang. Schließlichkennen wir seine „St<strong>und</strong>e“ nicht.Doch solange wir den <strong>Tod</strong> nur als Feind betrachten,sind wir ihm schon unterlegen. Erstim Verzicht auf unser Feindbild können wirentdecken, wer er für uns sein könnte: einLehrer des Lebens.Der <strong>Tod</strong> soll ein Lehrer des Lebens sein? Ja,denn wir können Entscheidendes durch ihnlernen.Er kann uns lehren, wahrhaftig zu leben, endlichzu leben, heute, jetzt. Wenn wir bis zuletztleben, wird selbst das Sterben zum Lebens -vollzug. Durch den <strong>Tod</strong> erhält das Leben imwahrsten Sinn des Wortes seine „Endgültigkeit“.Die St<strong>und</strong>e des <strong>Tod</strong>es ist damit nicht nurdas ungewisse Ende, das wir ein Leben langfürchten, sondern dieser Moment bekommteine für das ganze Leben bestimmende, ja entscheidendeBedeutung.Deshalb leitet Ignatius in der „Wahlzeit“ seinerGeistlichen Übungen den Exerzitanten zu folgenderÜberlegung an: „Ich erwäge, als wäreich in der <strong>Tod</strong>esst<strong>und</strong>e, die Form <strong>und</strong> das Maß,die ich hinsichtlich der jetzigen Wahl wünschteeingehalten zu haben; <strong>und</strong> danach richte ichmich <strong>und</strong> treffe im ganzen meine Entscheidung“.Es ist die Einladung, aus der Perspek -tive des Endes mit dem Blick auf das Ganzemein „Leben zu ordnen“. Zweih<strong>und</strong>ert Jahrespäter formulierte es der protestantische TheologeChristian Fürchtegott Gellert so: „Lebe,wie du, wenn du stirbst, wünschen wirst gelebtzu haben.“Ein weiteres kann uns der <strong>Tod</strong> lehren: DieVollendung des Lebens ist immer Gnade. Nirgendwozeigt sich das deutlicher als dort, wowir Menschen an unser Ende kommen, an dieGrenze endlichen Lebens stoßen <strong>und</strong> diese zurSchwelle erhofften Lebens in Fülle wird. Dieletzte Lebensaufgabe, die der <strong>Tod</strong> uns stellt, ist:Gott die Bruchstückhaftigkeit unseres irdischenLebens vollenden zu lassen <strong>und</strong> sich vonihm beschenken zu lassen mit dem, was „amGanzen“ noch fehlt.„Ewigkeit, Unsterblichkeit, beseligte Schau,vollkommenes Glück … Alles ist neu, nichts ist18 Jesuiten Schwerpunkt: <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Auferstehung</strong>
ekannt“, so fährt Arrupe in seinem Schlusswortfort. Und er fragt: „Ist der <strong>Tod</strong> ein Sprungins Leere? Nein, gewiss nicht. Er bedeutet, sichdem Herrn in die Arme zu werfen, er bedeutetdie Einladung zu hören, die man nicht verdienthat, die aber in Wahrheit ergangen ist: ‚Wohlan,du guter <strong>und</strong> getreuer Knecht, … geh ein indie Freude deines Herrn‘ (Mt 25,21). Es bedeutet,ans Ziel der Hoffnung <strong>und</strong> des Glaubenszu kommen, um in der ewigen <strong>und</strong> grenzenlosenLiebe zu leben (vgl. 1 Kor 13,8). DieseHoffnung verleiht dem Leben seinen letztenSinn. Von solcher Hoffnung beseelt konnte einFranz von Assisi im Sonnengesang den <strong>Tod</strong> seinenBruder nennen <strong>und</strong> durch ihn Gott loben:‚Lob sei Dir, mein Herr, durch unseren Bruder,den leiblichen <strong>Tod</strong> …‘“Es hat bei den Salzburger Festspielen Aufmerksamkeiterweckt, als die Rolle des <strong>Tod</strong>esim „ Jedermann“ mit einer Schauspielerin besetztwurde. Eine „Tödin“ stellt uns in be -sonders deutlicher Weise vor Augen, dass Sterben„Vollendung der Geburt“ ist. „Natus, denatus,renatus“ (geboren, verstorben, wiedergeboren),so werden auch die Lebensdaten derVerstorbenen auf alten Grabtafeln geordnet.Die tragende Achse dieser Lebensordnung istdas „natus“, geboren.Paulus erinnert uns im Römerbrief: Wenn wirdurch die Taufe Christus „gleich gewordensind in seinem <strong>Tod</strong>, dann werden wir auch inseiner <strong>Auferstehung</strong> mit ihm vereinigt sein“(vgl. Röm 6,3 – 5).In dieser Hoffnung, selbst wenn wir das kreatürlicheBangen um unser Dasein nie ganz loslassenwerden können, kann der Gedanke anden <strong>Tod</strong> auch für uns zu einem Gedanken reifen,in welchem wir mehr <strong>und</strong> mehr Trost finden.■Klaus Schweiggl SJ© KNA-BildDer <strong>Tod</strong>, der im Buch des Lebens liest. Bühnenbild zu Verdis Oper „Ein Maskenball“ für die Bregenzer FestspieleMärz 2008/1 Jesuiten 19