SchwerpunktSterben <strong>und</strong><strong>Auferstehung</strong>im AlltagEs gibt Zeiten im Leben, die ich so nicht will,weil sie meinen Erfahrungshorizont sprengen.Sie machen mich hilflos, manchmal ohnmächtig.Nur das nicht!Ich kannte mich bisher als Handelnde; ichwusste Rat, hatte Ideen, Lösungsvorschläge:Jetzt noch die letzten Reserven mobilisieren,damit es auch diesmal nach meinen Vorstellungenweiter geht? Da macht sich eine bittereErkenntnis breit: Es ist nichts mehr da, derTank ist leer. Ich stehe mit leeren Händen da.Wie sieht das aus: Am frühen Morgen bei derGebetszeit schon am Boden liegen, alleingelassen,ohne Kraft. Ich will nicht mehr, eigentlichist der Tag bereits gelaufen, bevor er begonnenhat.Und dann eine innere Stimme: Steh auf ! Ichstehe tatsächlich auf – was bleibt mir anderesübrig – <strong>und</strong> durchlaufe den Tag.Am Abend ein kurzer Gedanke zurück: eshat irgendwie gereicht. Langsam dämmert es:wenn alle weg sind, bin ich doch nicht allein.Das Kreuz scheint auf. Er schaut mich an: „Ichbin da, leide mit dir, ich verlasse dich nicht.“Jetzt begreife ich, dafür ist Jesus gestorben –für mich. Es stimmt.Die Erstarrung beginnt sich zu lösen. MeinHerr <strong>und</strong> mein Gott, wo warst du so lange?Warum musste das sein? Ich habe noch Angst,fühle mich innerlich w<strong>und</strong>.Ich gebe es zu: Es gibt W<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> ich trauemich, die W<strong>und</strong>en anzuschauen, die mir zugefügtwurden <strong>und</strong> die ich anderen zugefügt habe.Das Zutrauen zum Herrn ist gewachsen.„Dir, Herr, kann ich meine W<strong>und</strong>en vorsichtigzeigen“ – ich spüre die heilsame Wirkung –„du hast mich einfach gern.“ Jetzt fällt das Vertrauennicht mehr schwer. Hier möchte ichbleiben, eine, zwei Hütten bauen.Aber das ist nicht Dein Plan. Du schickst michweiter <strong>und</strong> zwar zu den Menschen. „Geh, zeigedich.“ – „Muss das sein? Sie werden michverlachen, mit Fingern auf mich zeigen, dannbin ich unten durch.“ „Stopp, genau hinsehen!Habe ich noch was zu verlieren, wenn ichmich zeige?“Ich denke an Lazarus, wie er aus dem Grabkommt. Er muss von den Binden befreit werden.Welche Fesseln sind es bei mir?Meine Idealvorstellungen, meine Festlegungen.Sie aufzugeben fällt schwer. Losgeb<strong>und</strong>enzu werden, mich aus Starre neu bewegen zukönnen, Schritte zu gehen: es erfordert zwarMut, lässt andererseits ein neues Gefühl derFreiheit erahnen. Nun kommen mir Schriftstellenwie: „Was kann mich scheiden von derLiebe Christi?“ (Röm 8,35) „denn wenn ichschwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12,10)Ob die Worte tragfest sind – ob sie mich tragen?Mich mit meinem Temperament, mitmeiner Ungeduld, mit meinem Fühlen, meinerPhantasie, meinen Grenzen, wie eben Gottmich „eingefärbt“ hat.Oft will ich mich so nicht, hadere mit Gott,verhandle mit ihm, schmeiße ihm alles vor dieFüße. Dann wiederum will ich heftig glauben… <strong>und</strong> finde mich ganz schnell in derVerzagtheit wieder. So bewegt es sich in Wellenhin <strong>und</strong> her. Der Gedanke ist nicht weit,6 Jesuiten Schwerpunkt: <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> <strong>Auferstehung</strong>
© KNA-BildDas geschieht, wenn es in der Beziehung zwischenzwei Menschen eisig geworden ist, <strong>und</strong>es innerlich nur noch zu einem stummenSchrei reicht: „Herr rette uns, wir gehen zuGr<strong>und</strong>e!“ Und eine kleine Geste wird möglich,die aufbricht <strong>und</strong> Herzenswärme fließenlässt.Dies geschieht, wenn ich mich traue eineunangenehme Situation anzusprechen, oderwenn in der Gebetszeit eine Bibelstelle sichmit meinem Leben verbindet.Das kann auch dann sein, als ich mich, wie vorigeWoche, mit lähmender Müdigkeit durchden Vormittag quälte, <strong>und</strong> beschloss, mich„rauszutun“, mich einfach eine St<strong>und</strong>e hinzulegen,<strong>und</strong> neu anzufangen. Hinterher standich mit frischem Schwung auf.Ein Fest der <strong>Auferstehung</strong> mitten im Tag.Manchmal sagen wir vor einer schwierigenSituation: Ich will lieber sterben, als hindurchzu gehen. Die Angst überwinden kostet Mut<strong>und</strong> Kraft. Wir wissen im Vorhinein nicht, obes sich lohnt, ob es dahinter neu weitergeht,ob uns ein Fest der <strong>Auferstehung</strong> geschenktwird. Doch wenn wir Bereitschaft zum Aufbruchsignalisieren, dürfen wir darauf vertrauen,dass wir nicht alleine gehen müssen.Angst überwinden im Zeichen des Kreuzesich halte das nicht aus. – Ich brauche es auchnicht, denn Jesus hält das mit mir aus, hält michaus, das muss genügen, das genügt auch.Und dann „… feiern wir mitten im Tag einFest der <strong>Auferstehung</strong>.“Alltagsgeschichten, einmal angeregt, gibt esdavon viele. Oft halten wir sie nicht für sowichtig, um registriert oder sogar notiert zuwerden. In ihnen üben wir täglich <strong>Tod</strong> <strong>und</strong><strong>Auferstehung</strong>.Sie sind unsere Vorbereitung, wenn der Herruns am Ende unseres Lebens zu sich ruft <strong>und</strong>wir ihm entgegen gehen dürfen. ■Ursula BeckerMärz 2008/1 Jesuiten 7