DIE SPUR FÃœHRT NACH HANN.MÃœNDEN - Mauritz & Grewe
DIE SPUR FÃœHRT NACH HANN.MÃœNDEN - Mauritz & Grewe
DIE SPUR FÃœHRT NACH HANN.MÃœNDEN - Mauritz & Grewe
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HENNING: Ich hab ganz viel im Bereich Musikpädagogik<br />
gemacht, viel als Coach gearbeitet, Workshops<br />
gegeben, habe in Thailand ein Musik-Benefizprojekt<br />
mitgestaltet und viel im Studio gemacht. Dann hat<br />
es eigentlich gar nicht mehr so lang gedauert, bis<br />
wir drei wieder zusammen gespielt haben. Und mit<br />
Charles haben sich nun echt die Puzzleteile gefunden,<br />
wir sind wie vier Brüder. Da gibt es natürlich mal<br />
Haue, aber eben auch sehr, sehr schöne Zeiten. Letztens<br />
hat mir jemand gesagt, ich sähe auf der Bühne<br />
jetzt so unheimlich souverän aus. Und ich fühle mich<br />
auch wirklich viel lockerer als früher! Mehr wie ein<br />
guter Tanzpartner.<br />
Dennis, du scheinst aber auch verändert. Zumindest ruhiger<br />
geworden. DENNIS: Das wurde mir auch so zugeteilt!<br />
Ich habe sogar Schimpfverbot gekriegt. Aber<br />
dass ich live ruhiger bin liegt natürlich auch daran,<br />
dass wir mit Charles einen sehr präsenten Frontmann<br />
haben, der einfach auch viel Show macht. Das<br />
Geile ist halt, dass du dich dann mehr auf das Spielen<br />
konzentrieren kannst und ich denke, mit allem<br />
was man da hinten zu viel macht, macht man auch<br />
wieder viel kaputt. Also unsere Auszieh-Aktion, die<br />
wir auch schon hatten, kam dann nicht ganz so gut<br />
an...<br />
Charles, deine Texte sind teilweise ziemlich politisch.<br />
Bist du tatsächlich auch sehr politisch engagiert?<br />
CHARLES: Ja, ich bin Politik-Junkie, schon seit meiner<br />
Jugend. Ich hab mich schon immer sehr für Politik<br />
interessiert und seitdem ich in Deutschland lebe,<br />
interessiere ich mich auch sehr für deutsche bzw.<br />
europäische Politik und beobachte natürlich nach wie<br />
vor, was in den USA passiert. Vor allem habe ich als<br />
Ami, der nicht mehr in Amerika wohnt, einen ganz<br />
anderen Blick auf die Situation in den USA. Und da<br />
gibt es einige Sachen, die ich nicht in Ordnung finde,<br />
und daher sehe ich es als meine Pflicht, darüber was<br />
zu sagen. Das ist auch mal eine Abwechslung zu den<br />
Texten, die man sonst so schreibt, in denen es immer<br />
nur um Liebeskummer und Blabla geht, das braucht<br />
kein Mensch.<br />
Ihr habt euch entschlossen, euer Glück selbst in die Hand<br />
zu nehmen, und habt ein eigenes Label gegründet. Was würdet<br />
ihr Nachwuchsbands raten, die vom großen Plattendeal<br />
träumen? DENNIS: Vergessen, den Traum.<br />
HENNING: Man kann jungen Bands nur mitgeben,<br />
dass sie ihre Selbstverantwortung nicht abgeben<br />
können. Es wird keiner kommen, der ihnen sagt „ich<br />
nehme euch jetzt ans Händchen und mach‘ euch reich<br />
und berühmt“, darum geht’s auch gar nicht. Sondern<br />
es geht darum, zu gucken, was hab ich für realistische<br />
Chancen und welche Mittel kann ich dafür einsetzen.<br />
Und wenn sie versuchen, so und so viele Leute auf<br />
ein Konzert zu bekommen und da dann auch noch so<br />
und so viele Platten verkaufen, dann rechnet sich das<br />
eben. So können sie wesentlich effektiver und auch<br />
realistischer eine Karriere aufbauen, anstatt zuhause<br />
zu sitzen und zu sagen wir sind die Besten und uns<br />
erkennt bloß keiner.<br />
CHARLES: Den besten Rat, den man jungen Bands<br />
heutzutage geben kann, ist, lernt so viel wie möglich<br />
über das Business! Das ist sehr, sehr wichtig. Es gibt<br />
immer wieder Bands, die über’s Ohr gehauen werden,<br />
„Wer bitte sind denn iO?“ „Die Guano Apes-Jungs mit neuem Sänger.“ So oder<br />
so ähnlich stellt man unweigerlich diese Band vor. Die lokalen Ausnahmerocker<br />
allerdings sind auf dem besten Wege, bald keiner Erklärungen mehr zu bedürfen.<br />
Am 1. August wird das ironisch betitelte Erstlingswerk „For the Masses“ auf<br />
selbige los gelassen. Ein guter Grund zu fragen, was denn nun alles in Ordnung<br />
ist, und was nicht...<br />
weil sie nicht bescheid gewusst haben, was auf sie zu<br />
kommt.<br />
„Alle Plattenbosse müssen<br />
sterben!“<br />
DENNIS: Bands sollten erst mal anfangen, geile<br />
Songs zu schreiben und sich darüber ihre Identität<br />
verschaffen. Und nicht, sich eine aus dem Mainstream<br />
raus zu fischen und sagen, ok, das ist unser Outfit,<br />
weil das ja da und da Mode ist und Erfolg hat. Wenn<br />
du einen Hit geschrieben hast, kommt alles andere<br />
von selbst. Und dann wirst du über’s Ohr gehauen…<br />
STEFAN: Aber selbst dann bleibt immer noch genug<br />
übrig…<br />
DENNIS: So viele Tipps, wie wir jetzt gegeben haben,<br />
kann sich kein Mucker merken.<br />
HENNING: Vor allem könnten wir die selbst mal<br />
ganz gut brauchen… [Gelächter]<br />
Wie müsste sich die Musikindustrie denn ändern? Wie<br />
sähe euer Lösungsansatz aus? CHARLES: Alle Plattenbosse<br />
müssen sterben! [Gelächter] Eines der größten<br />
Probleme ist, glaube ich, dass an den entscheidenden<br />
Positionen bei Plattenfirmen heutzutage keine Leute<br />
mehr sitzen, die irgendwas mit Musik zu tun haben.<br />
Das sind heute nur noch Geschäftsleute, die von<br />
Musik eigentlich gar keine Ahnung haben. Das war<br />
früher anders. Früher wurden auch noch Risiken eingegangen<br />
und es hat sich immer wieder gezeigt, dass<br />
Bands, die irgendwie anders waren, auch den meisten<br />
Erfolg hatten. Bestes Beispiel aus Deutschland waren<br />
ja Guano Apes.<br />
DENNIS: Was ich aber auch wichtig finde, ist, dass<br />
der Fan bzw. Kunde Musik wieder wertschätzen lernt.<br />
Es wird gigabyteweise Musik hin und her geschustert,<br />
was ich auch überhaupt nicht gut heißen kann. Ich<br />
kaufe auch immer noch CD‘s.<br />
STEFAN: Ich höre schon seit drei Jahren keine Musik<br />
mehr…<br />
HENNING: Das würde erklären, warum du nur so<br />
eingestaubte Ideen hast… [Gelächter]<br />
STEFAN: Aber es gibt generell keine Wertschätzung<br />
mehr heutzutage. Heute kauft man ein Sofa für 200<br />
Euro; ist es in zwei Monaten kaputt, kauft man sich<br />
das nächste. Es wird einfach billiger Ramsch gekauft<br />
und wenn er nicht mehr gefällt, wird er wieder weg<br />
geworfen. Das ist mit der Musik heute genauso.<br />
Charles, du wohnst ja in Stuttgart. Wie oft seid ihr denn<br />
alle mal zusammen? CHARLES: Also am Anfang war<br />
ich schon so zwei, drei Mal im Monat hier. Gerade als<br />
wir die Platte aufgenommen haben sehr oft. Aber für<br />
das Songwriting wäre es natürlich schwierig, ständig<br />
zu viert in einem Raum zu sitzen bei dieser Entfernung.<br />
Aber da haben wir eine sehr gute, praktische<br />
Lösung gefunden: Wir sind eine richtige Internet-<br />
Band. Wenn die Jungs Ideen, haben nehmen sie die<br />
hier auf und schicken sie mir dann per E-Mail, ich<br />
hör sie mir an, schreibe Texte und kann sie in meinem<br />
kleinen Studio aufnehmen. Dann bequatschen wir<br />
alles und wenn wir wieder zusammen kommen, verfeinern<br />
wir das.<br />
Also proben müsst ihr gar nicht so häufig? HENNING:<br />
Wir spielen so viele Konzerte, dass Proben überflüssig<br />
sind.<br />
DENNIS: Wir proben manchmal ohne Charles. Aber<br />
er ist dafür auch Profi! Ich habe noch nie erlebt, dass<br />
er seinen Text vergessen hätte. Charles hat ja auch<br />
etwa 200 Songs im Repertoire. Auf unsere 15 kommt<br />
es dann auch nicht mehr an.<br />
CHARLES. Ja. Aber diese 15 machen mir noch<br />
Spaß!<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Das ganze Interview kann ab dem 18. Juli auf<br />
www.goettingen.eins.de gelesen werden.<br />
// INTERVIEW: MICHAELA BARTL / FOTO: NINA STILLER<br />
Die Rezension zum<br />
Album „For the<br />
Masses“ findet ihr<br />
auf Seite 61.<br />
07/2008 STADTMAGAZIN37 59<br />
iO LIVE<br />
Am 11. Oktober in<br />
der Musa Göttingen<br />
www.io-rocks.com