Der Wolf ist wieder da - Bund Naturschutz in Bayern eV
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E<strong>in</strong> Vorgänger hatte es vor Jahren nicht geschafft:<br />
»Verkehrsunfall mit Hund bei Starnberg« hieß es im<br />
Mai 2006. Selbst als e<strong>in</strong>e Genprobe bestätigte, <strong>da</strong>ss es<br />
sich um e<strong>in</strong>en aus der Nähe von Nizza zugewanderten<br />
<strong>Wolf</strong> handelte, wurde <strong>da</strong>s Verkehrsopfer von den Politikern<br />
e<strong>in</strong> halbes Jahr lang geheim gehalten. Just zur<br />
selben Zeit befand sich e<strong>in</strong> weiterer E<strong>in</strong>wanderer aus<br />
Norditalien im Land – der Bär Bruno. In diesem medialen<br />
Ausnahmezustand wollte die Regierung ihren<br />
Bürgern nicht noch e<strong>in</strong> weiteres »Raubtier« zumuten.<br />
<strong>Der</strong> überfahrene <strong>Wolf</strong> war übrigens wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
schon drei Monate <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong>, niemand hatte es mitbekommen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Wolf</strong> <strong>ist</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Land gekommen, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>ige<br />
Nutztierhalter und Politiker vor Ort hartnäckig behaupten,<br />
es sei ke<strong>in</strong> Platz für bestimmte wilde Lebewesen:<br />
zu viele Landnutzer, zu viele Schafe, zu viele Tour<strong>ist</strong>en.<br />
Sie sagen <strong>da</strong>s auch beim Luchs, beim Biber,<br />
beim Fischotter. <strong>Der</strong> <strong>Wolf</strong> kam <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Land, dessen Bewohner<br />
von Tierfilmen bege<strong>ist</strong>ert s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> ihrem<br />
Urlaub weltweit gerne die letzten Flecken Wildnis entdecken.<br />
Doch dieses zuviel an »Wildnis«, sei ihnen<br />
nicht zuzumuten, me<strong>in</strong>en die Politiker. Dabei s<strong>in</strong>d<br />
Wölfe eigentlich gar ke<strong>in</strong>e Botschafter der Wildnis. Sie<br />
können aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit fast überall<br />
leben – <strong>in</strong> der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft<br />
ebenso wie <strong>in</strong> der Wildnis. Anders hätten sie<br />
<strong>da</strong>s Zusammenleben mit dem »Megaraubtier« Mensch<br />
nicht seit Zehntausenden von Jahren überstanden.<br />
E<strong>in</strong> echter Europäer<br />
In Europa gibt es heute bis zu 20 000 Wölfe, die me<strong>ist</strong>en<br />
<strong>da</strong>von <strong>in</strong> Russland und Osteuropa, aber auch <strong>in</strong> Skand<strong>in</strong>avien,<br />
<strong>in</strong> der Schweiz, Italien, Österreich, Frankreich<br />
und Spanien. In Deutschland leben <strong>in</strong> Sachsen<br />
und Brandenburg mittlerweile sechs Rudel und zwei<br />
<strong>Wolf</strong>spaare mit <strong>in</strong>sgesamt bis zu 50 Tieren; ihre Vorfahren<br />
s<strong>in</strong>d seit 1996 aus Polen e<strong>in</strong>gewandert. Bereits <strong>in</strong><br />
acht <strong>Bund</strong>esländern wurden <strong>in</strong>zwischen Wölfe nachgewiesen,<br />
außer bei den genannten Rudeln me<strong>ist</strong> E<strong>in</strong>zeltiere.<br />
Dass zuerst e<strong>in</strong>zelne Tiere auftauchen, <strong>ist</strong> typisch.<br />
Im Alter von etwa zwei Jahren werden Wölfe aus ihrem<br />
Rudel, also ihrer Großfamilie, gedrängt. E<strong>in</strong> <strong>Wolf</strong>srudel<br />
besteht aus dem Elternpaar und den Nachkommen der<br />
letzten zwei Jahre und nicht, wie fälschlicherweise oft<br />
angenommen, aus e<strong>in</strong>zelnen Tieren, die sich als Jagdmeute<br />
zusammentun. Wölfe bekommen jährlich <strong>in</strong> der<br />
Regel zwei bis sieben Junge, so <strong>da</strong>ss e<strong>in</strong> Rudel aus fünf<br />
bis über zehn Wölfen besteht.<br />
Auf Wanderschaft<br />
Um e<strong>in</strong> eigenes Revier zu f<strong>in</strong>den und e<strong>in</strong> Rudel zu<br />
gründen, wandern Jungwölfe extrem weit, der bayerische<br />
<strong>Wolf</strong> etwa aus den italienischen Sü<strong>da</strong>lpen über<br />
<strong>da</strong>s schweizerische Graubünden und Tirol nach <strong>Bayern</strong><br />
– genetische Nachweise bestätigten se<strong>in</strong>e »Reiseroute«.<br />
Im Oktober 2010 wurde <strong>in</strong> Tirol e<strong>in</strong> <strong>Wolf</strong> nachgewiesen,<br />
der vermutlich aus dem Baltikum e<strong>in</strong>gewandert<br />
<strong>ist</strong>, <strong>da</strong>s s<strong>in</strong>d über tausend Kilometer. Ob er <strong>da</strong>bei<br />
auch durch <strong>Bayern</strong> kam, <strong>ist</strong> unbekannt. Doch e<strong>in</strong>es <strong>ist</strong><br />
sicher: Künftig werden immer <strong>wieder</strong> und vielleicht<br />
immer öfter Wölfe zu uns kommen (s. Seite 18).<br />
Das wird oftmals still und heimlich geschehen. <strong>Der</strong><br />
bayerische <strong>Wolf</strong> etwa wurde bisher erst e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />
mal sicher gesehen. Und die e<strong>in</strong>zigen Fotos stammen<br />
aus e<strong>in</strong>er Fotofalle, <strong>in</strong> die er am 15. November an e<strong>in</strong>er<br />
Rehwildfütterung bei Thiersee knapp h<strong>in</strong>ter der österreichischen<br />
Grenze lief. Nur mithilfe von Genanalysen<br />
an Kotproben und Speichelspuren konnte der <strong>Wolf</strong><br />
auch <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> e<strong>in</strong>deutig nachgewiesen und auch als<br />
Männchen (Rüde) identifiziert werden. Oft erkennt<br />
man erst durch Verkehrsunfälle, <strong>da</strong>ss e<strong>in</strong> <strong>Wolf</strong> <strong>da</strong> war –<br />
neben dem illegalen Abschuss e<strong>in</strong>e der häufigsten Todesursachen<br />
für Wölfe <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Mythen und Märchen<br />
Wölfe s<strong>in</strong>d wie Hunde vor allem Fleischfresser. Sie s<strong>in</strong>d<br />
auf ke<strong>in</strong>e bestimmten Tierarten spezialisiert, sondern<br />
jagen, was <strong>in</strong> ihrem Revier lebt. Und <strong>da</strong> kommen wir<br />
zum Problem: E<strong>in</strong> <strong>Wolf</strong> unterscheidet nicht zwischen<br />
Wild- und Nutztier, er sucht sich die am e<strong>in</strong>fachsten zu<br />
jagende Nahrung. Das s<strong>in</strong>d überwiegend junge, alte<br />
oder schwache Wildtiere, aber eben auch die problemlos<br />
zu erlegenden Schafe. Diese haben so gut wie ke<strong>in</strong>en<br />
Flucht<strong>in</strong>st<strong>in</strong>kt mehr und stehen im oberbayerischen<br />
Gebirge unbewacht auf den Almen. Und der<br />
<strong>Wolf</strong> weiß leider nicht, <strong>da</strong>ss sie im Gegensatz zu den<br />
Wildtieren jemandem gehören (s. Seite 20).<br />
Angedichtet wurde dem »Mangfall-<strong>Wolf</strong>« bereits<br />
alles mögliche: Es kursierten Horrorgeschichten, wo-<br />
nach er sogar R<strong>in</strong>der gerissen oder »zu<br />
Tode erschreckt« habe. Beweise? Fehlanzeige.<br />
Ebenfalls wurde behauptet,<br />
<strong>da</strong>ss K<strong>in</strong>der gefährdet seien. E<strong>in</strong>es<br />
aber fressen Wölfe ganz sicher nicht:<br />
Menschen, egal welchen Alters. <strong>Der</strong><br />
Mensch gehört nicht <strong>in</strong>s Beuteschema<br />
des <strong>Wolf</strong>s (s. Seite 18). Vielmehr meidet<br />
der <strong>Wolf</strong> den Kontakt zu Menschen –<br />
auch <strong>da</strong>nn, wenn er sich auf der Suche nach leicht erreichbarer<br />
Nahrung menschlichen Siedlungen nähert.<br />
Dies geschieht vor allem nachts, wenn ke<strong>in</strong>e Menschen<br />
unterwegs s<strong>in</strong>d. Diese Scheu vor dem Menschen <strong>ist</strong><br />
auch der jahrhundertelangen <strong>in</strong>tensiven Bejagung geschuldet.<br />
Trotzdem wird immer <strong>wieder</strong> die Angst vor<br />
dem <strong>Wolf</strong> geschürt. Sogar e<strong>in</strong>en Namen gibt es für<br />
diese Polemik: <strong>da</strong>s »Rotkäppchen-Syndrom«, abgeleitet<br />
vom gleichnamigen Märchen, <strong>in</strong> dem der <strong>Wolf</strong> nicht<br />
nur die Großmutter, sondern die Enkel<strong>in</strong> gleich mit<br />
frisst. Aber <strong>da</strong>s <strong>ist</strong> eben nur e<strong>in</strong> Märchen.<br />
Spielball der Interessen?<br />
Die vom <strong>Wolf</strong> tatsächlich oder verme<strong>in</strong>tlich Betroffenen<br />
s<strong>in</strong>d Landwirte, Jäger und vor allem Schäfer. Wichtige<br />
Interessensgruppen also und im Idealfall Partner<br />
des <strong>Naturschutz</strong>es. Aber dürfen ihre Interessen auch<br />
über <strong>da</strong>s Vorkommen oder die Rückkehr von Tierarten<br />
bestimmen? Sollen e<strong>in</strong>zelne Interessengruppen für e<strong>in</strong><br />
ganzes Land mit 12,5 Millionen Bürgern festlegen kön-<br />
[1-11] Natur + Umwelt BN-Magaz<strong>in</strong> 13<br />
Es heißt:<br />
Hungrige Wölfe greifen auch<br />
Menschen an.<br />
Falsch! <strong>Der</strong> Mensch gehört nicht<br />
<strong>in</strong>s Beuteschema des <strong>Wolf</strong>s. Die<br />
Tiere meiden den direkten Kontakt<br />
mit Menschen (s. Seite 18).