Der Wolf ist wieder da - Bund Naturschutz in Bayern eV
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Foto: Eilers<br />
TV-Star wirbt für Abbau von Vorurteilen<br />
Ke<strong>in</strong>e Angst<br />
vorm bösen <strong>Wolf</strong><br />
Ranga Yogeshwar, Deutschlands wohl bekanntester<br />
Moderator wissenschaflicher TV-Sendungen,<br />
verb<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e ganz persönliche Geschichte mit<br />
den Wölfen – er br<strong>in</strong>gt sie sogar zum Heulen.<br />
Me<strong>in</strong>e erste Begegnung mit Wölfen <strong>in</strong> freier Wildbahn<br />
hatte ich vor über zwanzig Jahren <strong>in</strong>mitten<br />
der Laub- und Nadelwälder im Vorgebirge des Himalaya.<br />
Ich verbrachte <strong>da</strong>mals nach me<strong>in</strong>em Studium fast<br />
e<strong>in</strong> ganzes Jahr <strong>in</strong> dieser wunderbaren Grenzregion zu<br />
Tibet, fernab von der lauten Zivilisation und den geschäftigen<br />
Großstädten. Von me<strong>in</strong>em<br />
»Häuschen« aus überblickte<br />
ich <strong>da</strong>s spektakuläre Panorama der<br />
Berge Trisul, Nan<strong>da</strong> Devi, Panchachuli;<br />
e<strong>in</strong>e kaum bekannte Region<br />
westlich von Nepal, die vom Glück<br />
profitiert, <strong>da</strong>ss die höchsten Berge<br />
hier knapp unter 8000 Meter liegen.<br />
Andernfalls wäre diese Gegend, wie<br />
die anderen um den Mount Everest<br />
oder den hohen Annapurna, zum<br />
Trampelpfad westlicher Tour<strong>ist</strong>en<br />
und gut zahlender Bergsteiger verkommen.<br />
Die Welt hier war für mich genau<br />
richtig, besiedelt von bescheidenen<br />
bunten Bauernhöfen, deren Bewohner<br />
auf den angelegten Terrassen<br />
Reis und Getreide anbauten. An diesem Ort konnte<br />
ich loslassen und während zahlreicher Wanderungen<br />
und Trekk<strong>in</strong>gtouren <strong>da</strong>s Umfeld erkunden.<br />
E<strong>in</strong> Gefühl von Demut<br />
Die hochgelegenen Wälder waren von e<strong>in</strong>er bestechenden<br />
Schönheit. Naturwälder ohne geradl<strong>in</strong>ige Aufforstflächen,<br />
die nur selten von Menschen durchquert wurden.<br />
Im Frühjahr erblühten hier unzählige Rhododendren,<br />
deren rote Blüten sich mit steigender Höhe <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
zartes Rosa und e<strong>in</strong> helles Blau verwandelten. Die Erfahrung,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e so wenig berührte Natur e<strong>in</strong>zutreten,<br />
erzeugt <strong>da</strong>s Gefühl von Demut.<br />
Auch die Tierwelt bestach durch e<strong>in</strong>e fast künstlich<br />
wirkende Vielfalt. Manchmal bekam ich es sogar mit<br />
der Angst zu tun, wenn sich zum Beispiel große Clans<br />
kreischender Languren lauthals über jeden E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>g<br />
beschwerten und e<strong>in</strong>em <strong>da</strong>bei ihr respektables Gebiss<br />
zeigten. Man hatte mich vor Bären gewarnt, doch<br />
zum Glück blieb mir e<strong>in</strong>e direkte Bekanntschaft erspart.<br />
22 Natur + Umwelt BN-Magaz<strong>in</strong> [1-11]<br />
Fernbeziehung zum <strong>Wolf</strong>srudel<br />
E<strong>in</strong>es Nachmittags begegnete ich <strong>da</strong>nn während e<strong>in</strong>er<br />
me<strong>in</strong>er langen Wanderungen e<strong>in</strong>em Rudel Wölfe. Doch<br />
im Gegensatz zum Märchenmonster waren diese Vierbe<strong>in</strong>er<br />
ausgesprochen scheu. Sie nahmen zwar Notiz<br />
von mir, und mit dem entsprechenden Abstand akzeptierten<br />
sie sogar me<strong>in</strong>e Anwesenheit. Bis zur Abenddämmerung<br />
blieb ich bei ihnen und konnte genau beobachten,<br />
wie <strong>da</strong>s Rudel spielte, sich ständig gegenseitig<br />
bestätigte und <strong>in</strong> festen Ritualen die Rangordnung<br />
der Gruppe zelebrierte. In den folgenden Wochen kehrte<br />
ich häufig zurück und lernte mit der Zeit, e<strong>in</strong>zelne<br />
Tiere zu unterscheiden. Den Leitwolf nannte ich zum<br />
Beispiel »Akela«, nach dem <strong>Wolf</strong> im Dschungelbuch<br />
von Rudyard Kipl<strong>in</strong>g. Auf H<strong>in</strong>di bedeutet Akela auch<br />
»der E<strong>in</strong>same« …<br />
Trotz mehrmaligen Begegnungen gelang es mir jedoch<br />
nicht, mich den Wölfen auf mehr als etwa dreißig<br />
Meter zu nähern. Wenn ich es probierte und die kritische<br />
D<strong>ist</strong>anz unterschritt, flüchteten sie sofort bis<br />
unser Abstand <strong>wieder</strong> »stimmte«. Ich war geduldet,<br />
doch es blieb e<strong>in</strong>e Fernbeziehung.<br />
E<strong>in</strong> Heulkonzert füllt <strong>da</strong>s Tal<br />
In den Abendstunden hörte ich öfters <strong>da</strong>s »Konzert«<br />
der Wölfe. Stets begann e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Tier zu heulen,<br />
woraufh<strong>in</strong> immer mehr Wölfe <strong>in</strong> <strong>da</strong>s Heulkonzert e<strong>in</strong>stimmten.<br />
Die Melodie wurde <strong>da</strong>bei stets aufgeregter,<br />
bis sie <strong>da</strong>nn plötzlich verstummte. Es gibt e<strong>in</strong>e Reihe<br />
möglicher Erklärungen für dieses Phänomen, aber so<br />
genau weiß niemand, was <strong>da</strong>s Heulen der Wölfe bedeutet.<br />
Für mich war der »<strong>Wolf</strong>sgesang« der Ausdruck<br />
e<strong>in</strong>es »Wir-Gefühls«. Es gelang mir sogar mehrfach,<br />
selbst die Wölfe zum Heulen anzuregen. Das Gefühl,<br />
auf diese Weise e<strong>in</strong> ganzes Tal mit dem Gesang der Vierbe<strong>in</strong>er<br />
zu füllen, war erhaben.<br />
Es sollte über zwanzig Jahre <strong>da</strong>uern, bis ich im Rahmen<br />
von Dreharbeiten zur »Show der Naturwunder«<br />
erneut den Gesang der Wölfe anstimmen konnte: In<br />
Gödöllö, etwa dreißig Kilometer außerhalb von Bu<strong>da</strong>pest,<br />
unterhält der ungarische Tiertra<strong>in</strong>er Zoltán Horkai<br />
e<strong>in</strong> größeres Areal mit diversen Wildtieren, <strong>da</strong>runter<br />
auch Wölfen. E<strong>in</strong>ige <strong>da</strong>von hat er tra<strong>in</strong>iert und setzt<br />
sie sogar <strong>in</strong> Spielfilmen e<strong>in</strong>. Andere Exemplare leben,<br />
<strong>da</strong>nk der Unterstützung der World Society for the Protection<br />
of Animals und der Ethnologen der Loránd-<br />
Eötvös-Universität, ohne Filmrollen auf dem großen<br />
Grundstück. Als »Alphawolf« hatte Zoltan <strong>da</strong>s Rudel geprägt<br />
und gab mir somit die Chance zum direkten Kontakt.<br />
Wiedersehen nach Jahrzehnten<br />
Als ich <strong>da</strong>s Areal betrat, reagierten die Tiere zunächst<br />
scheu, doch <strong>da</strong>nk Zoltan akzeptierte mich <strong>da</strong>s Rudel.<br />
Die Begrüßung war heftig, direkt und geradezu euphorisch.<br />
Ich wurde geschleckt und <strong>in</strong>tensiv beschnüffelt<br />
und vergaß fast, <strong>da</strong>ss es sich um Raubtiere handelt.<br />
Wölfe s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Hunde. Sie haben sich ihre Natürlichkeit<br />
bewahrt mit ihren Regeln, Gesetzen und Ritualen.<br />
Nach über zwanzig Jahren stimmte ich <strong>da</strong>s Rudel zum