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Was ist nun daran mitreißend-vorbildlich, sprich: antik, im<br />
übertragenen Sinne? Es ist eben die Lebendigkeit, die darin<br />
steckt und herausspringt. Diese ungebärdige, schamlose<br />
Lebendigkeit, die sich nicht erst umguckt, ob sie sein darf, ob<br />
sie zu etwas passt, ob sie in der Tradition steht, ob sie im<br />
Sinne einer Abbildlichkeit funktioniert etc., sondern die sich<br />
ungefragt Platz verschafft und einen Entwurf in dieser ungehemmten<br />
Vitalität macht. Wenn wir so etwas in der Kunst finden<br />
und daran erkennen, wie Bindungszerstörung die Wege<br />
für neue Bindungen vorbildlich freimacht, dann wird man die<br />
Gleichung von ›klassisch‹ und ›modern‹ nicht widersinnig finden.<br />
Die Moderne kündigt alle Verbindlichkeiten auf. Sie hält sich<br />
nicht mehr an die großen, alten Hierarchien. Sie hält sich nicht<br />
mehr an die Harmonie als Norm. Sie glaubt an keine geschlossenen<br />
Ganzheiten mehr, sondern sie macht stückhafte Versuche<br />
des neuen Organisierens von Wirklichkeit, sie lebt aus der<br />
Zerstreuung und nur noch manchmal aus der Konzentration.<br />
Sie arbeitet mit der Verfremdung, mit Gegensätzen. Sie arbeitet<br />
nicht mehr mit dem Optimismus, dass man einer Meinung<br />
sein müsse, sondern sie lebt aus der Pluralität, aus der gleichberechtigten<br />
Differenz von Möglichkeiten. Alles das ist Moderne,<br />
aber entscheidend ist: ›Klassisch‹ wird diese Moderne<br />
dann, wenn wir möglichst viel von solchen Gesichtspunkten<br />
an einer Stelle exemplarisch versammelt finden. Und zwar so,<br />
dass dieses Exempel folgeträchtig wird, also Diskussionen auslöst,<br />
Anhaltspunkte bietet für neue Traditionen. Das wäre bei<br />
›Les Demoiselles d’Avignon‹ der Fall. Hier kann ich ganz paradox<br />
sagen: Das ist klassisch, obwohl es an jeder Stelle, im<br />
historischen Sinne, gegen die Klassik schreit. Aber in dieser<br />
Fülle, in diesem Mut, in diesem Lustschock der befreiend<br />
neuen Möglichkeit ist das Exempel zugleich ungeheuerlich<br />
und – doch lohnend lehrbar. Dass und wie einem die Augen<br />
aufgehen können, das muss gelehrt und gelernt werden.<br />
Herr Rebel, Sie haben uns in unserer Unsicherheit nicht nur<br />
durch Ihre Antworten aufgefangen, sondern mehr noch durch<br />
Ihr leidenschaftliches ›Mitleid‹ an den Gegenständen des<br />
neuen Lehrplans. Auf diesem Wege können wir uns dort eher<br />
aufgehoben fühlen und mit den Neuheiten anfreunden, weil<br />
wir sehen, wie Sie vor einem ganz anderen fachlichen<br />
Hintergrund mit diesen Gegenständen umgehen. Dafür möchten<br />
wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Indem Sie<br />
uns an Ihren Gedanken, an Ihren Assoziationen teilhaben ließen,<br />
gaben Sie ein hervorragendes Beispiel, wie wir selbst mit<br />
dem Lehrplan umgehen könnten.<br />
<strong>BDK</strong> <strong>INFO</strong> <strong>14</strong>/2010<br />
I M F O K U S : K U N S T – O B E R S T U F E I M G Y M N A S I U M<br />
43<br />
Das Gespräch am 25. Juni 2009 in der LMU in München<br />
führten Barbara Gewalt (Albert-Schweitzer-Gymnasium,<br />
Erlangen), Ulf Geer (Paul-Pfinzing-Gymnasium, Hersbruck)<br />
Dagmar Schneider-Bianconi und Werner Bloß (beide<br />
Gymnasium Eckental).<br />
Textbearbeitung: Ernst Rebel und Werner Bloß<br />
Neu in <strong>Bayern</strong>!<br />
1 Lehrplan für das Gymnasium in<br />
<strong>Bayern</strong>, ISBN-Nr. 3-93708200-X,<br />
München, Juli 2003, Fachprofil des<br />
Faches Kunst der Jahrgangsstufen 11<br />
und 12, Seite 1<br />
2 a. a. O. Seite 2<br />
3 a. a. O. Seite 1<br />
4 a. a. O. Seite 3<br />
5 a. a. O. Seite 1<br />
6 a. a. O. Seite 3<br />
7 Roger M. Buergel, Kurator der<br />
documenta 12, 2007. Der Slogan der<br />
documenta 12 wurde zur Illustration<br />
ins Spiel gebracht von Dr. Ernst<br />
Wagner (ISB) u. a. auf den bayernweiten<br />
Fachschaftsleiterfortbildungen<br />
im Jahr 2009.<br />
Suche KunstpädagogInnen, die mich mit Rat und Tat<br />
unterstützen bei Fragen zu GK 13, Klasse 11 und<br />
Klausuren.<br />
Auch Beratung zu geeignetem Bildmaterial ist<br />
willkommen!<br />
Ich gründe dazu auch gerne einen E-Mail-Stammtisch.<br />
Susanne Lubahn<br />
Riebel-Brand-Str.1<br />
87629 Füssen<br />
Tel. 08362/ 883 6<strong>14</strong>0<br />
SanneLubahn1@web.de