Unterrichtung - DORIS - Bundesamt für Strahlenschutz
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se Versuchsergebnisse <strong>für</strong> die Abschätzung des Strahlenrisikos<br />
beim Menschen verwenden zu können, sind zwei<br />
Annahmen notwendig:<br />
1. Bei locker ionisierenden Strahlen und relativ kleinen<br />
Dosen und Dosisleistungen besteht zwischen Dosis<br />
und Zahl der induzierten Mutationen eine lineare<br />
Dosiswirkungsbeziehung ohne Schwellenwert. Diese<br />
Form der Dosiswirkungsbeziehung ist bereits bei den<br />
stochastischen Strahlenwirkungen besprochen worden.<br />
2. Die Mutationshäufigkeit pro Locus in Keimzellen des<br />
Menschen und der Maus ist nach identischen Bestrahlungsbedingungen<br />
und Strahlendosen etwa gleich<br />
groß.<br />
Auf Grund der vorhandenen Erkenntnisse über den Wirkungsmechanismus<br />
ionisierender Strahlung und der Entstehung<br />
der Mutationen in Keimzellen, die zu vererbbaren<br />
Defekten führen, geht man heute davon aus, dass eine<br />
Dosiswirkungsbeziehung ohne Schwellendosis existiert<br />
und damit auch bei niedrigen Dosen und niedriger Dosisleistung<br />
mit entsprechend geringer Wahrscheinlichkeit<br />
Mutationen auftreten können. Es ist gezeigt worden, dass<br />
bei einer chronischen Bestrahlung über 300 Tage mit<br />
Gammastrahlen und einer Dosisleistung von 0,01 Gy pro<br />
Tag, ebenso wie nach einer fraktionierten Bestrahlung<br />
von 0,1 Gy pro Tag über 60 Tage, Mutationen bei Mäusen<br />
induziert werden können.<br />
Induktion bösartiger Neubildungen<br />
Während <strong>für</strong> die Abschätzung des genetischen Strahlenrisikos<br />
keine ausreichenden Erfahrungen beim Menschen<br />
vorliegen, kann man <strong>für</strong> die Abschätzung des Risikos <strong>für</strong><br />
bösartige Neubildungen, d.h. Leukämien und solide Tumoren,<br />
auf eine Vielzahl von Daten aus epidemiologischen<br />
Untersuchungen beim Menschen zurückgreifen.<br />
In Betracht kommen hier<strong>für</strong> vor allem<br />
Untersuchungen an<br />
– Überlebenden nach den Atombombenabwürfen<br />
in Hiroshima und Nagasaki,<br />
– Patienten mit medizinischen Strahlenexpositionen,<br />
– Personen nach beruflichen Strahlenexpositionen<br />
(u.a. Bergarbeiter),<br />
– Personen mir hohen Radonexpositionen in<br />
Wohnungen,<br />
– Personen mit signifikanten Strahlenbelastungen<br />
durch die Tschernobyl-Katastrophe.<br />
Da sich eine strahlenbedingte Krebserkrankung nicht von<br />
einer „spontanen“ unterscheidet, können diese im Einzelfall<br />
nicht allein auf Grund ihrer Erscheinungsform oder<br />
ihres klinischen Verlaufes als strahlenbedingte Erkrankung<br />
erkannt werden. Nur epidemiologisch-statistische<br />
Untersuchungen können dazu beitragen, quantitative Daten<br />
<strong>für</strong> die Risikoabschätzung beim Menschen zu erhalten.<br />
Strahlenexponierte Personengruppen müssen dabei<br />
vergleichbaren (etwa hinsichtlich Alter und Geschlecht)<br />
nicht-exponierten Personengruppen gegenübergestellt<br />
werden. Dann kann erkannt werden, ob und in welchem<br />
Ausmaß die Raten an malignen Erkrankungen nach Be-<br />
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strahlung in der exponierten Gruppe erhöht sind. Es kann<br />
lediglich die Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, mit der<br />
eine individuelle Krebserkrankung durch die vorausgegangene<br />
Bestrahlung verursacht ist.<br />
Erschwert werden diese Untersuchungen dadurch, dass<br />
die Erkrankungen mit einer erheblichen Latenzzeit (5-10<br />
Jahre bei Leukämien und Lymphomen bis zu mehreren<br />
Jahrzehnten bei soliden Tumoren) auftreten können und<br />
damit analytisch, z.B. hinsichtlich der Anamnese, schwerer<br />
zugänglich sind. Da Leukämien mit einer relativ kurzen<br />
Latenzzeit nach einer Bestrahlung und mit einem besonders<br />
hohen relativen Risiko beobachtet werden, liegen<br />
<strong>für</strong> diese Erkrankungen verhältnismäßig viele Daten vor.<br />
Es wurde beobachtet, dass vor allem myeloische Leukämien<br />
(akute und chronische Erscheinungsformen), aber<br />
auch akute lymphatische Leukämien, nach Bestrahlung<br />
vermehrt auftreten. Dagegen sind chronisch-lymphatische<br />
Leukämien nicht erhöht beobachtet worden.<br />
Neben der Frage, ob die Erkrankungsrate in einer exponierten<br />
Bevölkerungsgruppe höher liegt als in einer nicht<br />
exponierten, ist es besonders wichtig festzustellen, wie<br />
das Risiko von der Dosis abhängt, d.h. ob es eine Dosis-<br />
Wirkungs-Beziehung gibt. Bei Untersuchungen an den<br />
Überlebenden in Hiroshima und Nagasaki, der <strong>für</strong> die Risikoabschätzung<br />
wichtigsten Bevölkerungsgruppe, zeigen<br />
sich signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehungen sowohl<br />
<strong>für</strong> Leukämien als auch <strong>für</strong> solide Tumoren ab etwa<br />
50 mSv. Für Kinder, die vorgeburtlich durch Röntgenstrahlen<br />
exponiert wurden, traten bei Expositionen über<br />
10 mSv signifikant gehäuft kindliche Leukämien und in<br />
geringerem Maße auch solide Tumoren auf. Vergleichbare<br />
Beobachtungen konnten bei Kindern, die in Hiroshima<br />
und Nagasaki vorgeburtlich exponiert wurden, aber nicht<br />
gemacht werden. Die Abschätzungen zum Krebsrisiko<br />
von Kindern nach vorgeburtlicher Strahlenexposition<br />
müssen daher als unsicher bewertet werden. Nach unserem<br />
heutigen Verständnis über die Strahlenwirkungen auf<br />
Moleküle und Zellen ist davon auszugehen, dass auch geringe<br />
Strahlendosen bösartige Neubildungen hervorrufen<br />
können. Die Zahl der Fälle wird jedoch dann so klein,<br />
dass andere Faktoren wie Lebensgewohnheiten, genetische<br />
Prädispositionen usw., die ebenfalls das Risiko <strong>für</strong><br />
bösartige Neubildungen beeinflussen, mit ihrer Variabilität<br />
das strahlenbedingte Risiko überlagern, so dass Letzteres<br />
sich in der Allgemeinbevölkerung aus den Schwankungen<br />
der „spontanen“ Rate nicht mehr heraushebt.<br />
Neben dem Knochenmark (Induktion von Leukämie) und<br />
dem Brustgewebe zählen auch die Lunge und die Epithelien<br />
der Bronchien zu den strahlenempfindlichen Geweben<br />
hinsichtlich der Induktion von Tumoren. Eine erhöhte<br />
Rate an Lungentumoren ist bei Bergarbeitern beobachtet<br />
worden, die in Bergwerken mit hohem<br />
Radongehalt in der Luft tätig gewesen sind. Durch den radioaktiven<br />
Zerfall dieses mit der Atemluft eingeatmeten<br />
Edelgases und vor allem seiner ebenfalls eingeatmeten,<br />
an Schwebstoffen angelagerten radioaktiven Zerfallsprodukte<br />
kommt es zu einer lokalen Strahlenexposition der<br />
Bronchial- und Lungenepithelien. Hierbei wird die Exposition<br />
in überwiegendem Maße durch Alphastrahlung