Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
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Nachkriegsdeutschland aber war se<strong>in</strong> halblegaler Status bis zur offiziellen Legalisierung <strong>am</strong> 1.4.1956 nicht dazu<br />
geeignet, mit geheimdienstpolitischen Nazimethoden öffentliches Aufsehen zu erregen, zumal auch e<strong>in</strong>e ganze Menge<br />
Kriegsverbrecher im BND-Vorläufer mitarbeiteten.<br />
An<strong>der</strong>erseits war Gehlens Organisation zur fraglichen Zeit, <strong>am</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953, noch fachdienstlich dem <strong>am</strong>erikanischen<br />
Geheimdienst unterstellt, dem mehr daran lag, e<strong>in</strong> funktionierendes Spionagenetz für den Krieg zu unterhalten. Gehlen<br />
k<strong>am</strong> nicht zuletzt auch aus dem von Amerika resultierenden weltweiten Führungsanspruch, bewusst e<strong>in</strong>e zweitrangige<br />
Leitungsrolle zu. Er sollte sich vorerst mit e<strong>in</strong>er Art zweitrangiger, helfen<strong>der</strong> Kontrollfunktion über die<br />
Agentenzentralen zufrieden geben, wofür ebenfalls die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> stationierten, so genannten Kriegsfunker herhalten<br />
mussten.<br />
Aus weiter oben genannten politischen Gründen, stand deshalb Kaisers Spionagem<strong>in</strong>isterium mit se<strong>in</strong>em<br />
geheimnisvollen „Forschungsbeirat“ jahrelang bei den eigentlichen politisch brisanten Spionageaufträgen offiziell im<br />
Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Gehlen verzichtete deshalb natürlich nicht automatisch auf politisch Diversion, hielt sich aber sehr wohl zurück. Nur<br />
se<strong>in</strong>e erfahrensten, zuverlässigsten Agenten, war es erlaubt auf diesem Feld zu arbeiten. O<strong>der</strong> wie sich Friecke mit<br />
se<strong>in</strong>en nur zur Hälfte zugänglichen Informationen im Zus<strong>am</strong>menhang mit dem <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953 ausdrückte: „Die V-<br />
Leute <strong>der</strong> Organisation waren aus Sicherheitsgründen dazu angehalten, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />
Situation passiv zu verhalten, was sie auch taten“. 79<br />
Zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> überwiegen<strong>der</strong> Teil müsste man zu Frickes BND genehmen Informationen h<strong>in</strong>zufügen, denn Gehlens<br />
Hauptagent Raupach durfte tatsächlich, wie vor dem Bezirksgericht Cottbus, im Verfahren gegen e<strong>in</strong>e Gruppe von<br />
Gehlen-Agenten bestätigt worden ist, lediglich nach e<strong>in</strong>er gründlichen Überprüfung, bzw. erst nachdem er jahrelang<br />
Kurierarbeiten verrichtete, Spionageaufträge von politischer Bedeutung, wie sie eben die Vorarbeiten für den <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong><br />
1953 darstellten, übernehmen.<br />
Gehlens Diversions-Agenten sollten sich, eben möglichst nicht aus den selben weiter oben genannten Gründen<br />
kompromittieren. E<strong>in</strong>e vorausgehende Bewährungszeit war angesagt, wie ostdeutsche Gerichte im Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />
den <strong>Provokation</strong>en unzweideutig im Fall Raupach feststellten. Erst: „nach Überprüfung <strong>der</strong> Zuverlässigkeit<br />
durch se<strong>in</strong>e Auftraggeber erhielt er selbst Spionageaufträge und war an <strong>der</strong> Vorbereitung und<br />
Durchführung <strong>der</strong> faschistischen <strong>Provokation</strong>en <strong>am</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953 beteiligt“. 80<br />
Im Fall des BND-Agenten Vitalis Dalchau, „von 1936 bis 1942... Mitglied des faschistischen<br />
„Jungvolks“ und <strong>der</strong> Hitlerjugend“ war es ganz genauso, auch er mußte vorerst politisch nicht brisantes<br />
Material weiterleiten, bevor er politische Diversionsaufträge übernehmen durfte. Das stand auch mit <strong>der</strong> üblichen<br />
Unterteilung <strong>der</strong> westdeutschen Agenten <strong>in</strong> „erprobt“, „zuverlässig“ und „unzuverlässig“ nicht <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch. 81<br />
Seit Herbst 1952 im Dienste Gehlens, lieferte Dalchau se<strong>in</strong>em Führungsoffizier wie vere<strong>in</strong>bart, <strong>am</strong> Anfang nur<br />
wirtschaftsrelevante Informationen. Erst später dann auch Auskünfte über etwa 10 bis 12 leitende Mitarbeiter se<strong>in</strong>es<br />
Betriebes (Elektro-Apparate-Werk J. W. Stal<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Treptow). „Am <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953 beteiligte sich<br />
Dalchau an dem Putschversuch; er trat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Abteilung für die sofortige<br />
Arbeitsnie<strong>der</strong>legung e<strong>in</strong> und nahm auch an dem provokatorischen Marsch zum Haus <strong>der</strong><br />
M<strong>in</strong>isterien teil. Das Missl<strong>in</strong>gen des Putsches bedauerte er häftig“. 82<br />
Wie den Akten des Obersten Gerichts <strong>in</strong> Sachen Werner Haase entnomen werden konnte, war es letztendlich tatsächlich<br />
so, dass es den übergeordneten Stellen <strong>der</strong> Gehlen-Organisation <strong>in</strong> Ausnahmefällen durchaus möglich war, beson<strong>der</strong>s<br />
bedeuts<strong>am</strong>e „Untervertretungen“, „Filialen“ und Agenten direkt anzuleiten“.<br />
Am <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953 wurde offensichtlich reichlich auf solche Ausnahmefälle zurückgegriffen. Ernst Wollweber räumte<br />
nachträglich jedenfalls e<strong>in</strong>: “Wir haben h<strong>in</strong>reichend Beweise, dass dieser Putsch organisiert wurde“. Für den<br />
Umsturz habe man laut des d<strong>am</strong>aligen höchsten Chef im Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS) „die Agenturen <strong>der</strong><br />
verschiedensten verbrecherischen Agenturen mobilisiert. Das gilt für alle, für die Agenturen <strong>der</strong> Gehlen<br />
Organisation... die Ostbüros und an<strong>der</strong>er“. 83<br />
Spätere Prozesse werden Wollwebers Aussagen bestätigen. Vor dem I. Strafsenat des K<strong>am</strong>mergerichts von Groß-Berl<strong>in</strong><br />
79<br />
Karl Friedrich Fricke/ Roger Engelmann, Der „Tag X“ und die Staatssicherheit, Edition Themen 2003, S.77<br />
80<br />
Neues Deutschland, Nr.259 vom 4.11.1953<br />
81<br />
Wilhelm von Schr<strong>am</strong>m, Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg. –Organisationen, Methoden, Erfolge, Mit e<strong>in</strong>em<br />
Nachwort von Leo Hepp, Generalleutnant a. D., 4. erweiterte Auflage, Ulste<strong>in</strong> Verlag Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong> 1986, S.<br />
394<br />
82<br />
Neue Justiz, Heft 22 vom 20.11.1954 (Beilage, S.7)<br />
83 Neues Deutschland, Nr.87 vom 13.4. 1954