Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
Provokation in der DDR am 17. Juni 1953. - GRENZTRUPPEN DER ...
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und nach Westdeutschland senden, wo sich die Zentrale <strong>der</strong> Spionageorganisation“ befand. 90<br />
Dieser Arbeitsbereich westdeutscher Kriegsfunker wurde auch <strong>in</strong> den Untersuchungsprotokollen des Gehlen-Agenten<br />
Walter Schnei<strong>der</strong> aktenkundig. Schnei<strong>der</strong>, von 1938 bis 1945 HJ-Mitglied, 91 brachte es bis zum Oberreferent im<br />
M<strong>in</strong>isterium für Aufbau/ Hauptverwaltung Bau<strong>in</strong>dustrie. Er hatte laut Gerichtsurteil vom 21.12.1953 vor dem Obersten<br />
Gericht wörtlich: „<strong>in</strong> Abständen von drei Wochen Treffs mit den Agenten <strong>der</strong><br />
Spionageorganisation Gehlen durchgeführt und zwar <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t etwa zwölf Treffs. Se<strong>in</strong>e<br />
Berichte waren so umfassend, dass die Spionageorganisation daraus e<strong>in</strong> vollständiges Bild<br />
über das M<strong>in</strong>isterium für Aufbau und die Bau-Unionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik erhielt. Er nahm<br />
ferner Schreibübungen mit Geheimt<strong>in</strong>te vor, um eventuell se<strong>in</strong>e Berichte schriftlich<br />
übersenden zu können. Im übrigen lieferte er aus drei Städten <strong>der</strong> Deutschen Demokratichen<br />
Republik, und zwar aus Wernigerode, Halle und Leipzig, Berichte über den Verlauf <strong>der</strong><br />
<strong>Provokation</strong>en des <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> (1953) nach West-Berl<strong>in</strong>. Ebenso übermittelte er e<strong>in</strong>e Reihe von<br />
Stimmungsberichten aus <strong>der</strong> Bevölkerung. Se<strong>in</strong>e Berichte waren für den Geheimdienst<br />
beson<strong>der</strong>s wertvoll“. 92<br />
Es ist also nicht nötig auf den bei Gehlen seit 1952 arbeitenden ehemaligen SS-Unterscharführer Hans-Joachim Koch, 93<br />
näher e<strong>in</strong>zugehen, obwohl auch er „als Leiter e<strong>in</strong>es sogenannten Funkkopfes“ im Raum von Berl<strong>in</strong><br />
Spionage<strong>in</strong>formationen an Banden sowie Agentengruppen, sprich Geheimdiensthilfsorganisationen (GHO)<br />
weiterleiten sollte, „die von <strong>der</strong> Gehlen-Organisation <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> e<strong>in</strong>gesetzt werden sollten...<br />
Dann k<strong>am</strong> <strong>der</strong> Tag des faschistischen Putschversuches im <strong>Juni</strong> <strong>1953.</strong> Bezeichnen<strong>der</strong>weise<br />
hatte <strong>der</strong> Agentenfunker Koch bereits vorher für diesen Tag den Auftrag bekommen, e<strong>in</strong>e<br />
„Probefunkverb<strong>in</strong>dung“ mit se<strong>in</strong>er Funkleitstelle herzustellen. Die Gehlen-Organisation<br />
wusste also, was <strong>am</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> geschehen sollte. Und ihr Agentenfunker Koch alias Schubert<br />
bewies, dass er selbstständig zu arbeiten verstand. Fünfmal nahm er <strong>in</strong> diesen Tagen<br />
Verb<strong>in</strong>dung auf und berichtete über Truppenbewegungen <strong>der</strong> Sowjetarmee, wie er es gelernt<br />
hatte“. 94 Koch erhielt dafür, „für die Herstellung <strong>der</strong> Funkverb<strong>in</strong>dung <strong>am</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953“ e<strong>in</strong>e<br />
beson<strong>der</strong>e Belohnung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>maligen Zuwendung. 95<br />
E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Gehlen Mitarbeiter mit dem N<strong>am</strong>en Bruno Siegfried Kranz bestätigte ebenfalls im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> vor dem<br />
obersten Gericht, e<strong>in</strong> Spionageleiter habe ihm persönlich erklärt, „dass <strong>der</strong> „Tag X“, <strong>der</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong>, <strong>der</strong><br />
„Polterabend“ war und dass im März die „Hochzeit“ folgen sollte, dass diese aber „besser“<br />
vorbereitet se<strong>in</strong> müsse als <strong>der</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong>“. 96<br />
Demnach war Gehlens Spionageorganisation tatsächlich wie Wollweber bestätigte, sehr wohl an den Geschehnissen <strong>am</strong><br />
<strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953 aktiv <strong>in</strong>volviert, was noch immer streng geheim gehalten wird, wie e<strong>in</strong> bewusst mit halben Wahrheiten<br />
vollgestopftes Rundschreiben Gehlens zur „Politischen Ges<strong>am</strong>tlage <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>“ vom 20. <strong>Juni</strong> 1953 beweist.<br />
Inhaltlich wurden wie schon im zuvor sichergestellten „Generellen Auftrag für ALLE“, gezielt für den<br />
Nichte<strong>in</strong>geweihten wirre Aussagen gemacht.<br />
Näher betrachtet aber war dies zur d<strong>am</strong>aligen Zeit tatsächlich Gehlens politisch offizieller Standpunkt. An<strong>der</strong>erseits<br />
zeigt sich d<strong>am</strong>it eigentlich nur wie<strong>der</strong>holt die Bereitschaft, im gegebenen Fall auch eigene Mitarbeiter zu<br />
Dess<strong>in</strong>formieren. Nur so war <strong>der</strong> Gehlen-H<strong>in</strong>weis, sämtliche Handlungen <strong>am</strong> <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> wären <strong>in</strong> Wirklichkeit „von<br />
östlicher Seite <strong>in</strong>szenierte Aktionen“ gewesen, zu verstehen. 97<br />
In e<strong>in</strong>em weiteren Schreiben „an den Leiter <strong>der</strong> Filiale 120/ A zu Erfahrungen und<br />
Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen des <strong>17.</strong> <strong>Juni</strong> 1953“ sagten sie es dann auch erstmals selbst:<br />
Zum<strong>in</strong>dest „III-mäßige Spitzenquellen“, sprich Mitarbeiter aus ihrer Hauptabteilung III „Abwehr und<br />
Gegenspionage“ standen unter beson<strong>der</strong>em Schutz:<br />
90<br />
Neues Deutschland, Nr. 274 vom 22.11.1953<br />
91<br />
Neue Justiz, Nr.1, 5.1.1954<br />
92<br />
Hg. Oberstes Gericht, Entscheidungen des Obersten Gerichts <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, 3. Band, VEB Deutscher Zentralverlag Berl<strong>in</strong> 1954, S.52<br />
93<br />
Neues Deutschland, Nr.134 vom 11.6.1955<br />
94<br />
Neues Deutschland, Nr.135 vom 12.6.1955<br />
95<br />
Neue Justiz, Nr.13 vom 5.7.1955, S.398<br />
96<br />
Neues Deutschland, Nr.299 vom 22.12.1953<br />
97<br />
Karl Wilhelm Fricke/ Roger Engelmann, Der „Tag X“ und die Staatssicherheit, edition Temmen 2003, S.269