2 Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-DurSynthese der GattungenThomas LeibnitzJohannes Brahms(1833–1897)Konzert für Klavier und OrchesterNr. 2 B-Dur op. 831. Allegro non troppo2. Allegro appassionato3. Andante4. Allegretto graziosoLebensdaten des KomponistenGeboren am 7. Mai 1833 in Hamburg; gestorbenam 3. April 1897 in Wien.EntstehungKnapp 20 Jahre nach der Uraufführung seinesersten Klavierkonzerts (d-Moll op. 15) begannBrahms im Sommer 1878 in Pörtschach am WörtherSee / Kärnten ein weiteres (und gleichzeitigletztes) Werk dieser Gattung; nach der Rückkehrvon seiner zweiten Italienreise folgten im Sommer1881 Vollendung und Niederschrift der Partiturim Wiener Vorort Pressbaum.Widmung„Seinem teuren Freunde und Lehrer EduardMarxsen gewidmet“: Eduard Marxsen (1806–1887) wirkte jahrzehntelang als Pianist, Komponistund Lehrer in Hamburg, wo JohannesBrahms sein Schüler war; er hinterließ an die70 Werke, darunter ein Orchesterwerk mit demTitel „Beethovens Schatten“.UraufführungAm 9. November 1881 in Budapest (Königlich-Ungarische Hofkapelle unter Leitung von AlexanderErkel; Solist: Johannes Brahms).
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur3Brahms: Der Name löst Achtung und Respektaus vor strenger, „gediegener“ kompositorischerKunst. „Klassizität“ wurde Brahms oft zugesprochen,wiewohl er dem Zeitalter der Romantikentstammte und das Element des Romantischenin seinem Schaffen nie verleugnete. Aberkeiner der Romantiker war so intensiv wieBrahms bestrebt, dem Vorbild des Klassischen– personifiziert in Beethoven – gerecht zu werdenund es als Messlatte an das eigene Komponierenanzulegen. Bei aller Strenge und Klassizitäthatte Brahms übrigens trockenen Humor;als eine ihn anschwärmende Dame der Gesellschaftfragte, wie er es fertig bringe, so tiefempfundene Adagios zu schreiben, antworteteer lakonisch: „Weil meine Verleger es so bestellen...“Hinter dem Witz der Antwort verbirgtsich aber auch Abwehr: Über so ernste, persönlicheDinge wie das Geheimnis des Schaffensist im Konversationston nicht zu sprechen.„Symphonie mit obligatem Klavier“Brahms schrieb „nur“ vier Symphonien – jedochauch die These, es seien acht, hat einiges für sich.Neben dem Block der Symphonien steht, gleichein drucksvoll, die Gesamtheit der vier Instrumentalkonzerte:die beiden Klavierkonzerte, dasViolinkonzert und das Doppelkonzert für Violineund Violoncello. Brahms’ Instrumentalkonzertesind in Gestus und struktureller Konzeption derGattung der Symphonie sehr nahe; bestand bisMozart das Wesen des Konzerts darin, dassSoloinstrument und Orchester als „Gegenspieler“auftraten, einander abwechselten und kontrastierten,so zeigt sich bereits bei Beethovendie Tendenz, das konzertierende Instrument inden symphonischen Fluss zu integrieren. Brahmssteigerte diese Einbettung des Soloinstrumentsin das Gewebe des Symphonischen zu einemExtrem, und Eduard Hanslicks Bezeichnung des2. Klavierkonzerts als einer „Symphonie mit obligatemKlavier“ ist nicht bloß ein journalistischesSchlagwort, sondern trifft trotz seinerÜberspitzung etwas Richtiges und Wesentliches.Dabei ging zweifellos die Durchsichtigkeit derInstrumentation, wie sie etwa Mozarts Klavierkonzerteauszeichnet, ein wenig verloren. DerVorwurf des „Dickflüssigen“, „Unelastischen“,auch der „schwerblütigen Gedankentiefe“ wurdeBrahms gelegentlich gemacht, und es bleibtdem Urteil der Hörers überlassen, ob dies bloßVerdikte aus dem Munde Übelwollender oderdoch – freilich negativ zugespitzte – Einsichtenin Brahms’ Kompositionstechnik sind. Nicht zuvergessen wäre allerdings bei derartigen Beurteilungen,dass auch Brahms im Fluss einerhistorischen Entwicklung stand, die zu „Schwere“im Sinne höherer kompositorischer Komplexitättendierte; man denke an die symphonischeBefrachtung der Klavierkonzerte Max Regersoder Ferruccio Busonis, gegen die sich Brahms’2. Klavierkonzert geradezu transparent ausnimmt.Als hätte der Komponist einen Ausgleichfür die Dominanz des Symphonischen schaffenwollen, fi nden sich im langsamen 3. Satz kammermusikalischeElemente, indem hier ein zweitesSoloinstrument, das Violoncello, eine führendeRolle spielt. Zunächst gehen Klavier und Violoncelloihre Wege völlig getrennt; erst in der Reprisetreten sie in eine unmittelbare Beziehungzueinander und erinnern daran, dass Brahmsals Komponist von Kammermusik auf gleicherHöhe stand wie als Symphoniker.