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Volkacher Bote" 97 (2012) - Deutsche Akademie für Kinder

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Beiträge 37noch nicht gestorben, sondern habe vielmehr eine Tote sogar auferweckt. Mit einemKuß. Muß ein schönes Erwachen sein: so lang im Verborgenen kauern, und dann ist das10erste, was man sieht, Gott. Mich. Ich! Ich! Ich bin der Erwecker von den Toten. 9FDie Prinzessin muss zugestehen, dass der Prinz sie in ihre jetzige Existenz geholt hat,und dieser Umstand lässt sie – zumindest auf den ersten Blick – hilflos und schwachwirken. Dass sie während ihres hundertjährigen Schlafes aber selbst in der Ewigkeitwar, bevor sie vom Prinzen plötzlich „in die Zeitlichkeit“ „geschmissen“ wurde,10F11 liefertihr dann jedoch ein starkes Argument gegen dessen Allmachtsphantasien:Sein ist ja nicht einfach vorhanden sein, da gehört schon etwas mehr dazu. Ich bin alsPrinzessin eingeweckt und von einem Prinzen aufgeweckt worden. Glauben Sie wirklich,das ist dasselbe, wenn man sagt: Gott ist da, wie: Der Prinz ist da. Ein Prinz kannja abgesetzt werden von seiner Mutter, der Königin, weil er eine böse Frau gevögelt hat,aber wer soll Gott absetzen? Tja, vielleicht sogar ich, weil ich ja, zumindest eine Zeitlang, ebenfalls ewig war? Dornröschen als diejenige, welche Gott besiegt hat! Na, das12wird ein Geraschel geben in den Blättern und dazu einen leckeren Blattsalat.11FDer Prinz hält Dornröschen zwar nochmals entgegen: „Ich sehe schon, wenn ich esIhnen nicht erkläre, werden Sie Ihr Sein nie begreifen […]!“ Aber vielleicht geht es derPrinzessin auch gar nicht darum, es zu begreifen.Ein abgerundetes, ausgearbeitetes ‚dramatisches Bild’ entsteht nicht, die unfertigen„Textflächen“12F13 bewegen sich zwischen Ernsthaftigkeit und komisch-satirischem Spielund bringen dies auch durch eine zwischen hohem Stil und Alltagsjargon changierendeSprache zum Ausdruck. Vielleicht will das Dramolett Dornröschen nicht mehr sein alseine moderne Travestie des tradierten Märchenstoffes?Nachtschwärmer von Thomas OberenderFür das im Jahr 2000 an den Bühnen der Stadt Bielefeld uraufgeführte Stück Nachtschwärmer13F14mischte der 1966 in Jena geborene Autor und Dramaturg Thomas Oberendertradierte Märchenmotive mit dem Lebensgefühl heutiger Jugendlicher. Das vonden Brüdern Grimm aufgezeichnete Märchen Die zertanzten Schuhe (KHM 133) dienteihm „als Grundlage für die metaphernreiche, bildkräftige Darstellung eines pubertären15Loslösungsprozesses dreier junger Mädchen von ihrem verständnisunfähigen Vater“.14FDie Schwestern Isobel, Kyra und Lauretta König umgibt ein Geheimnis. Jeden Morgenliegen sie mit blutigen Füßen im Bett und ihre Schuhe sind zertanzt, obwohl ihr Vater10 Jelinek (Anm. 9), S. 31.11 Jelinek (Anm. 9), S. 34.12 Ebd.13 Hannapel, Dorothee: Und wenn sie nicht gestorben sind. Ekfriede Jelineks „Prinzessinnendramen.In: Staatstheater Darmstadt Prinzessinnendramen von Elfriede Jelinek, 2003, o. S.14 Oberender, Thomas: Nachtschwärmer. Nach Motiven der Gebrüder Grimm. In: Spielplatz 12.Frankfurt a.M.: Verlag der Autoren 1999, S. 259–308.15 Jury <strong>Deutsche</strong>r Jugendtheaterpreis 2000.

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