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Volkacher Bote" 97 (2012) - Deutsche Akademie für Kinder

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Beiträge 39der Erkenntnis, dass auch die Oberwelt eine verlockende Perspektive für sie bereithaltenmag. Die Mädchen tanzen wieder, und Lauretta erkennt den Barmann als ihrenPrinzen. In der Regieanweisung heißt es: „Er erzählt ihr das Märchen [von den zertanztenSchuhen]. Sie tanzen. Dann wird es Mitternacht.“15F16 Die Szenen changieren zwischenScheinwelt und Realität, zwischen Königsschloss und Diskothek, zwischen demHier und Jetzt und der Märchenwelt, in der der Barmann sogar die Zeit anzuhaltenvermag. Er sei „schon sehr besonders“,16F17 berichtet Lauretta den Schwestern dann nachder durchtanzten Nacht, als sie in der Schlussszene wieder in ihrem Mädchenzimmerzusammen sind.Mit dem kann ich mir ganz viel vorstellen. Über alles reden. Nächte lang im Mondscheinlaufen, mit dem Fahrrade die Berge hochfahren und die Grillen zirpen hören,18sich im Gras rollen und in einen See springen, wenn da einer ist.17FDas Wunder, das dem Märchen wesenseigen ist und dort zu einem glücklichen Endeführt, geschieht mit diesem Schluss des Stücks durch die Ankunft der Mädchen in derrealen Welt. Für Lauretta besteht das Wunder in dem Glück, in dem Barmann einenMenschen gefunden zu haben, mit dem sie eine Lebensperspektive aufbauen kann. IhrAbstieg in die Unterwelt erscheint von diesem Ausgang her als wertvolle Zwischenstationauf ihrem Weg, erwachsen zu werden. Die dargestellten Handlungsschritte lassenan das Motiv der Initiationsreise denken, mit der dreiteiligen Struktur: Ausbruch ausder häuslichen, hier: väterlichen Umsorgnis, Erfahrungen in der (Unter-)Welt undRückkehr mit dem Eintritt in eine neue Lebensphase. Der Entwicklungsprozess verläuftjedoch nicht idealtypisch. Das Stück zeigt keine in sich geschlossene Märchenwelt,in der dieses literarische Modell verwirklicht wäre. Der Märchenwelt des Stücks,in die die Mädchen sich zeitweise begeben, steht eine sehr gegenwärtige Wirklichkeitentgegen, die insbesondere durch die Sensationswelt der Medien plakativ sichtbar gemachtwird. Wenn die Mädchen ihrer Märchenwelt ‚entwachsen‛ sollen, muss diese‚zugeschüttet’ werden, eine Aufgabe, die vom Vater übernommen wird. Sie bewirktkeine Katastrophe im Sinne einer klassischen Dramaturgie, ist im Gegenteil die Verhinderungder als Katastrophe bewerteten Befürchtung, dass die Mädchen sich denPrinzen der Unterwelt verbinden und dort bei ihnen bleiben. Wenn Lauretta am Endeder Szene ihre Schwestern zum Weggehen auffordert, ist das im Prozess der Loslösungvom Vater ein letzter Schritt in die Freiheit und Eigenständigkeit Erwachsener, zu dersie in ihren nächtlichen Ausflügen aufgebrochen sind. Ob es sich bei diesen aber wirklichum das Hinabsteigen in eine märchenhafte (Unter-)Welt handelte oder sich dieTreffen mit den Prinzen nur in der Phantasie der Mädchen abspielten, ist – dem Stückzufolge – für das Ergebnis unerheblich.16 Oberender (Anm. 14), S. 307.17 Ebd.18 Oberender (Anm. 14), S. 308.

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