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Spieler, Regeln, Hintergründe Milliardär mit Flügeln Der Bootsbauer ...

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TOP SPORT TOP SPORT<br />

Abpfi ff!<br />

Sie lieben Fußball? Dann blättern Sie ganz schnell weiter.<br />

Denn das hier ist die gnadenlose Abrechnung eines langjährigen<br />

Fußballhassers <strong>mit</strong> der in unser aller Leben tretenden WM 2006.<br />

096 TOP<br />

Foto: TOP Magazin Niederrhein<br />

1974 19 974<br />

74 under<br />

war für mich das Jahr, in dem der Fußball<br />

rollen lernte. Bereits vor dem obligatorischen<br />

Neujahrsspaziergang nahm mein<br />

Vater mich damals feierlich beiseite,<br />

blickte mir fest in die Augen und sagte<br />

schließlich unter deutlicher Betonung<br />

jeder einzelnen Silbe: „Es ist soweit:<br />

Dieses Jahr ist FUSS-BALL-WELT-<br />

MEIS-TER-SCHAFT. Hier! BEI UNS!“<br />

Ich erinnere mich noch genau, wie sehr<br />

mich seine Worte beeindruckten und<br />

wie enthusiastisch ich seiner im Verlauf<br />

unseres weiteren Gespräches unter Männern<br />

geäußerten Hoff nung beipfl ichtete,<br />

Deutschland möge<br />

an „das Wunder<br />

von Bern anknüpfen<br />

und wieder<br />

den Pott holen“.<br />

Zwar wusste ich<br />

nicht ganz genau,<br />

was da<strong>mit</strong> gemeint war, glich diesen<br />

Mangel an Fachwissen jedoch durch<br />

die überbordende Phantasie eines begeisterten<br />

Fünfj ährigen mehr als zur<br />

Genüge aus.<br />

So nahm eine kurze und tragische Leidenschaft<br />

ihren Anfang, die in einem<br />

verregneten Sommer voller im Fernsehen<br />

gezeigter Rangeleien auf schlammigen<br />

Rasenfl ächen endete, brüllend<br />

kommentiert von nach Bier riechenden<br />

männlichen Verwandten fast aller Altersstufen.<br />

Fußball, und schon gar eine<br />

Weltmeisterschaft in dieser Disziplin,<br />

entpuppte sich entgegen meiner am<br />

Neujahrstag entwickelten Phantasien als<br />

etwas, auf das ich gut verzichten konnte.<br />

Zumal auch meine eigene, ob des Regens<br />

im Sommer '74 glücklicherweise nicht<br />

oft geforderte Gewandtheit im Umgang<br />

<strong>mit</strong> dem luftgefüllten Leder sich als<br />

wenig ausbaufähig erwies. Enttäuscht<br />

verschenkte ich alle sorgsam zusammengetragenen<br />

Sammelbildchen und mein<br />

WM-Fähnchen an Cousin Jan, der <strong>mit</strong><br />

seinen vier Jahren – wie ich schmerzlich<br />

feststellen musste – noch nicht meinen<br />

Horizont hatte und die in meinen Augen<br />

nunmehr völlig wertlosen Devotionalien<br />

<strong>mit</strong> Begeisterung annahm. Dass „wir“<br />

tatsächlich Weltmeister wurden, an<br />

das d Wunder von on Bern Bern anknüpften<br />

ank und d<br />

den d Pott t holten, , nahm ich nur noch noc <strong>mit</strong><br />

einem leichten, chten, meiner kindlichen kin kindliche Natur<br />

eigentlich gar ar nicht tgemä gemäßen Desinteresse<br />

De<br />

wahr, was mich hinmein in meiner Kindergar-<br />

alle Fluchtpläne ad absurdum u – ereilte<br />

mich h die Erkenn Erkenntnis, dass a selbst ein Ort<br />

ganz ohne Fußb Fußball niemals em etwas anderes<br />

sein kann, nn, als<br />

der rad radikalste Verweis auf<br />

die trotzdem rotzdem triumphierende tr<br />

Existenz<br />

tengruppe kurzzeitig zum Außenseiter<br />

machte. Meiner Entschlossenheit tat das<br />

dieser hirnlosen Sportart.<br />

jedoch keinen Abbruch, nie wieder – so Seitdem füge ich mich meinem Schicksal.<br />

schwor ich mir – würde ich in etwas so Ich nehme es hin, dass alle Tankstellen<br />

sinnloses wie das stumpfe Begaff en von schon jetzt wie internationale Hooligan-<br />

22 auf eine Mattscheibe projizierten Bedarfsgeschäfte aussehen. Ich weiß, dass<br />

Turnhosenträgern beim aggressiven Re- ich es nicht ändern kann, wenn mindesgentanz<br />

<strong>mit</strong> Ball Zeit investieren. Schon tens 50% der männlichen Bevölkerung<br />

vier Jahre später, als ich erleben musste, unseres eigentlich so schönen Landes<br />

wie ganz Deutschland die Mächte des beschließen, den ganzen Sommer das<br />

Schicksals auf Knien anfl ehte, bitte die Trikot der Nationalmannschaft anzulas-<br />

erneut im Endspiel stehenden Niedersen, es <strong>mit</strong> Bier zu beschlabbern und es<br />

länder gegen Argentinien VERLIEREN insgesamt nur dreimal zu waschen. Ich<br />

zu lassen, obwohl diese doch nachweis- bin mir der Tatsache bewusst, dass der<br />

„Dieses Jahr ist<br />

FUSS-BALL-WELT-MEIS-TER-SCHAFT.<br />

Hier! BEI UNS!“<br />

lich unsere Nachbarn, die Erfi nder von<br />

Pommes Spezial, Frikandeln und Vla<br />

waren, wurde dieser Schwur endgültig<br />

zu einem ehernen Bestandteil meines sich<br />

festigenden Selbstverständisses.<br />

Jedermann vermag sich also vorzustellen,<br />

wie mir zumute war, als es seiner Unsäglichkeit<br />

Kaiser Franz vor einigen Jahren<br />

gelang, Deutschland zum Austragungsort<br />

der Fußballweltmeisterschaft 2006<br />

zu machen. Während in den Straßen<br />

gellender Jubel auffl ammte, Bildzeitung<br />

und RTL den nationalen Freudentaumel<br />

verkündeten und erwachsene Männer<br />

auf off ener Straße in Tränen ausbrachen,<br />

begann ich Prospekte über langjährige<br />

Weltreisen auf Refi nanzierungsbasis<br />

und Informationsschriften der Einwanderungsbehörden<br />

verschiedener<br />

exotischer Länder zu sammeln. Ich<br />

nahm mir ganz fest vor, auf keinen Fall<br />

dabei zu sein, wenn meine arme Heimat<br />

noch einmal der Austragungsort dieses<br />

fürchterlichsten Turniers auf Erden sein<br />

musste. Bei sorgfältigen Recherchen und<br />

ausgedehnten Erkundungsreisen wurde<br />

mir jedoch die schreckliche Wahrheit<br />

bewusst, dass es auf diesem Planeten keinen<br />

Winkel mehr gibt, der nicht von der<br />

allesumspannenden Macht des Fußballs<br />

infi ziert ist. Schließlich – und das führte<br />

McSoccer, der McGoal oder auch der<br />

McFoul genauso wenig aufzuhalten sind<br />

wie der WM-Bezug in jeder Fernsehwerbung<br />

vom Anti-Fußpilz<strong>mit</strong>tel bis hin zur<br />

Frühstücksmargarine. Die in fröhliche<br />

Massenkarambolagen mündenden Autokorsos,<br />

die öff entliche Versammlung<br />

vor Großleinwänden, Trikottauschorgien<br />

und Fachsimpeleien über das Reglement<br />

beim Elfmeterschießen – ob ich es will<br />

oder nicht, das alles wird höchstwahrscheinlich<br />

stattfi nden. Nicht einmal auf<br />

Regen mag ich hoff en. Denn der würde<br />

auch uns Ballverächtern den letzten Rest<br />

Sommer versauen, den König Fußball<br />

uns übrig lässt.<br />

TOP 097

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