Geistesblitze statt Schnapsideen - WIM-Magazin
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BERICHTE | ANALYSEN<br />
CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY<br />
Wirtschaft braucht<br />
sozialen Weitblick<br />
Das verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen rückt in den Blick einer kritischen<br />
Öffentlichkeit. Gefordert werden mehr gesellschaftliches Engagement und mehr Einsatz<br />
der Wirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung. Von Thomas Tjiang<br />
Führungskräfte aus der Wirtschaft ziehen<br />
ihren Nadelstreifenanzug aus, um in einer<br />
sozialen Einrichtung mitzuarbeiten.<br />
Rollentausch oder Seitenwechsel heißt diese<br />
Form der Corporate Social Responsibility<br />
(CSR), die von einer zunehmenden Zahl von<br />
Unternehmen praktiziert wird. Mittlerweile<br />
hat Theologe und Unternehmensberater<br />
„Aktuell gibt es viel zu tun, um die<br />
Glaubwürdigkeit der Wirtschaft<br />
wieder zu stärken. Gesellschaftliche<br />
Verantwortung von Unternehmen ist<br />
dabei ein Schlüsselwort.“<br />
PROF. DR. HANS HEINRICH DRIFTMANN, PRÄSIDENT DES<br />
DEUTSCHEN INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMERTAGES (DIHK)<br />
Thomas Zeilinger, der vor zehn Jahren das<br />
Institut persönlichkeit und ethik (p+e) in<br />
Neuendettelsau mitbegründete, allein in Bayern<br />
rund 200 Seitenwechsel für Führungskräfte<br />
aus der Wirtschaft organisiert.<br />
Beim Rollentausch arbeiten Führungskräfte<br />
in sozialen Einrichtungen mit Obdachlosen,<br />
Asylbewerbern oder straffällig gewordenen<br />
Jugendlichen. In dieser weitgehend unbekannten<br />
Lebenswelt sei es notwendig, „gut<br />
zuzuhören und das eigene Tempo dem der<br />
Klienten anzupassen“. Ein Gegensatz zum<br />
meist hektischen Betriebsalltag. Erfahrungsgemäß<br />
nutzen nach Worten Zeilingers eher<br />
größere Unternehmen dieses Angebot, mit<br />
dem klar formulierten Anspruch, den Managern<br />
„Bodenhaftung zu verordnen, um den<br />
betrieblichen Tunnelblick“ zu verhindern.<br />
Nach Beobachtung von Christine Rosemann,<br />
Chefi n der gleichnamigen Erlanger<br />
Personalberatung, wird der Druck auf Unternehmen,<br />
sich „ethischer“ zu verhalten, auch<br />
immer stärker von außen formuliert: „Die<br />
Menschen fi nden es gut, wenn Unternehmen<br />
verantwortlich handeln.“ Sie zitiert dabei<br />
10 08 | 10<br />
eine GfK-Studie, derzufolge es die Befragten<br />
schätzen, wenn sich Betriebe fair gegenüber<br />
Mitarbeitern, künftigen Generationen und<br />
Zulieferern verhalten oder sich für soziale<br />
Projekte engagieren.<br />
Dem stellt sich die Nürnberger Datev eG<br />
seit Jahren: Personalvorstand Jörg Rabe von<br />
Pappenheim beschreibt CSR als eine „zielge-<br />
richtete Integration von Ökonomie, Ökologie<br />
und Sozialem unter dem Dach des Geschäftszwecks.<br />
Der Weg führt über Wertschöpfung<br />
und die kreative Verbindung der<br />
drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.“ Hierbei<br />
komme der Datev ihre Rechtsform als<br />
Genossenschaft zugute, denn <strong>statt</strong> engem<br />
Shareholder Value stehe das Ziel im Mittelpunkt,<br />
Werte für Anteilseigner, Kunden und<br />
Mitarbeiter zu schaffen.<br />
Vorteile für beide Seiten<br />
In den 90er Jahren gab die Datev ihren ersten<br />
Umweltbericht heraus. Und im Jahr 2000<br />
startete zunächst mit Führungskräften das<br />
Projekt „Volunteering in gemeinnützigen<br />
Organisationen“. Der Nutzen ist dabei von<br />
doppelter Natur: Die Mitarbeiter gewinnen<br />
an neuen Erfahrungen und entwickeln sich<br />
weiter, die Sozialeinrichtungen bekommen<br />
Unterstützung von Unternehmensseite. „Wir<br />
erhalten von den Beteiligten positives Feedback,<br />
was uns in der Absicht bestätigt, das<br />
Projekt fortzuführen“, bilanziert Rabe von<br />
Pappenheim. Mittlerweile können sich alle<br />
Mitarbeiter über das interne Ehrenamtsportal<br />
aktiv an verschiedenen Projekten beteiligen.<br />
Bei der Sparkasse Nürnberg, die mit ihrer<br />
Zukunftsstiftung im vergangenen Jahr 2,7<br />
Mio. Euro an Hunderte von Projekten aus<br />
Kultur, Sport und Sozialem ausschüttete,<br />
heißt das Projekt Seitenwechsel intern „Türen<br />
öffnen“. Im diesem Rahmen können<br />
Nachwuchsmanager freiwillig z.B. bei Arbeiterwohlfahrt,<br />
Heilsarmee, Lebenshilfe, Werk<strong>statt</strong><br />
für Behinderte sowie Drogen- und Jugendhilfe<br />
mitarbeiten. Vorstandschef Dr.<br />
Matthias Everding ist vom Nutzen überzeugt:<br />
„Die Teilnehmer entwickeln Verständnis für<br />
Menschen in besonderen Lebenssituationen.<br />
Gerade für den täglichen Kundenkontakt ist<br />
dies eine wertvolle Erfahrung.“<br />
Wolfgang Räbel, Risikocontroller bei der<br />
Sparkasse Nürnberg, war beispielsweise eine<br />
Woche bei der Nürnberger Drogenhilfe Mudra<br />
und hat gelernt, „zwischenmenschliche<br />
Beziehungen besser zu verstehen, Blockaden<br />
zu lösen und Teamfähigkeit zu entwickeln.<br />
Insgesamt konnte ich dadurch meine Kommunikationsfähigkeit<br />
und mein Handeln in<br />
ungewöhnlichen Situationen stärken“. Für<br />
Silke Frank vom Vorstandsstab, die eine Woche<br />
entwicklungsverzögerte bzw. geistig behinderte<br />
Kinder bei der Lebenshilfe mitbetreute,<br />
war das Erlebnis beeindruckend: „Der<br />
Alltag sieht natürlich gänzlich anders aus, als<br />
der eines Bankers und es war eine Erfahrung<br />
fürs Leben. Man sieht anschließend das ein<br />
oder andere eigene Problem aus einem etwas<br />
anderen Blickwinkel.“<br />
Am Nürnberger Standort der HypoVereinsbank<br />
läuft seit 2008 das Employee Volunteering<br />
Programm „Ehrensache!“. In diesem<br />
Bereich sind mittlerweile über 120 Mitarbeiter<br />
ehrenamtlich in unterschiedlichsten Projekten<br />
bei der Lebenshilfe Nürnberg aktiv<br />
und erhalten für dieses Ehrenamt generell bis<br />
zu zwei Tage Sonderurlaub im Jahr. Zusätzlicher<br />
Effekt: Drei Menschen mit Behinderung<br />
wurden in ein Arbeitsverhältnis übernommen.<br />
Dafür gab es den Behindertenpreis<br />
Nürnberg 2009. Dem „Nürnberger Modell“<br />
Foto: pressmaster/Fotolia.com