Geistesblitze statt Schnapsideen - WIM-Magazin
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Die frühen Handelsreisenden waren mit<br />
der Situation konfrontiert, dass ihnen<br />
die Bürgerinnen und Bürger vielfach<br />
skeptisch gegenüberstanden. Oft begegnete<br />
ihnen auf ihren Reisen das Vorurteil, in betrügerischer<br />
Absicht unterwegs zu sein. Und<br />
früher wie heute macht man ungern Geschäfte<br />
mit jemandem, dem man nicht vertraut.<br />
Insofern standen die Kaufl eute vor der<br />
Aufgabe, Vertrauen in der Gesellschaft aufzubauen.<br />
Um diese und andere Herausforderungen<br />
anzugehen, erarbeiteten die Kaufl eute gemeinsam<br />
Voraussetzungen für gute Geschäfte.<br />
Im Laufe der Zeit entstanden etwa Beweis-<br />
und Gerichtsverfahren, das Kaufmannsrecht<br />
von „Treu und Glauben“ oder eben das Leitbild<br />
des ehrbaren Kaufmanns.<br />
Mit diesem Leitbild wurden hinreichend<br />
verbindliche Prinzipien für die Kaufmannschaft<br />
geschaffen. Die Prinzipien prägten das<br />
Handeln der Kaufl eute und ermöglichten Erwartungssicherheit.<br />
Man konnte sich auf das<br />
Wort des Kaufmanns verlassen und davon<br />
ausgehen, nicht über den Tisch gezogen zu<br />
werden.<br />
Vertrauen schaffen<br />
Das Leitbild etablierte sich zu einer allgemeingültigen<br />
Norm bezüglich guter und verantwortungsvoller<br />
Geschäfte. Es lieferte sowohl<br />
den Kaufl euten Orientierung, was sie<br />
(nicht) zu tun hatten, als auch den Bürgerinnen<br />
und Bürgern im Hinblick darauf, was sie<br />
von den Kaufl euten erwarten konnten. Das<br />
Handeln der Kaufl eute im Sinne des ehrbaren<br />
Kaufmanns schaffte in der Gesellschaft<br />
Vertrauen und bereitete so den Weg für die<br />
Erfolgsgeschichte der Kaufl eute.<br />
Betrachtet man die Einstellung der heutigen<br />
Bürgerinnen und Bürger zu Unternehmen<br />
und auch ganz allgemein zum marktwirtschaftlichen<br />
System, so wird deutlich,<br />
dass wir wieder Wege fi nden müssen, um die<br />
Voraussetzungen erfolgreicher Wertschöpfung<br />
zu schaffen. Diverse Umfragen zeigen,<br />
dass das Vertrauen in Unternehmen und<br />
Marktwirtschaft in den letzten Jahren kontinuierlich<br />
zurückgegangen ist. Unternehmen<br />
haben mehr und mehr das Vorurteil gegen<br />
sich, Gewinne auf unmoralische Art und<br />
Weise zu erzielen.<br />
Die frühen Kaufl eute haben vorgemacht,<br />
wie man Vertrauen in der Bevölkerung schaffen<br />
kann. Zweifelsfrei sind die Bedingungen<br />
des Wirtschaftens heute nicht mehr vergleichbar<br />
mit denen von vor einigen hundert<br />
Jahren. Und doch hat die Grundidee des ehrbaren<br />
Kaufmanns nicht an Aktualität verloren.<br />
Diese Grundidee sei am Beispiel des<br />
Odysseus verdeutlicht.<br />
Eines seiner Abenteuer führte Odysseus zu<br />
den Sirenen, deren lieblicher Gesang den Zuhörer<br />
in den Tod trieb. Odysseus sehnte sich<br />
danach, den Gesang der Sirenen zu hören,<br />
Experte für Wirtschaftsethik: Prof. Dr. Nick<br />
Lin-Hi bei seinem Vortrag während des IHK-<br />
Jahresempfangs.<br />
wollte dafür allerdings nicht mit dem Leben<br />
bezahlen. Um diesem Dilemma zu entgehen,<br />
ersann er eine List. Er ließ sich von seiner<br />
Mannschaft an den Mast seines Schiffes binden,<br />
sodass er nicht von den Sirenen in den<br />
Tod getrieben werden konnte. Damit konnte<br />
Odysseus dem Gesang der Sirenen lauschen,<br />
ohne sterben zu müssen.<br />
Die Geschichte von Odysseus verdeutlicht<br />
die Idee der Selbstbindung. Sie zeigt, dass es<br />
für Akteure vorteilhaft sein kann, sich freiwillig<br />
bestimmte Selbstbindungen aufzuerlegen.<br />
Eben diese Idee liegt dem Leitbild des ehrbaren<br />
Kaufmanns zugrunde. Der ehrbare Kaufmann<br />
band sich selbst an bestimmte Grundsätze,<br />
um nachhaltigen Erfolg zu fördern.<br />
Und genau hieraus leitet sich die Verantwortung<br />
des heutigen Unternehmers ab: Unternehmerisches<br />
Handeln ist so auszurichten,<br />
dass die Bedingungen des zukünftigen Erfolgs<br />
nicht gefährdet werden.<br />
Basis für die Zusammenarbeit<br />
Unternehmen sind zur Gewinnerzielung darauf<br />
angewiesen, dass zahlreiche Akteure –<br />
etwa Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer oder<br />
Investoren – mit ihnen kooperieren. Akteure<br />
werden dies aber nur dann tun, wenn ihnen<br />
hierfür eine Gegenleistung versprochen wird<br />
und wenn sie darauf vertrauen können, dass<br />
sie diese Gegenleistung auch erhalten. Vertrauen<br />
ist daher eine zentrale Voraussetzung<br />
für Kooperationen und damit ein Vermögenswert.<br />
Vertrauen fällt allerdings nicht vom Himmel,<br />
sondern verlangt Investitionen. Letztendlich<br />
lässt sich dies auf den Imperativ zuspitzen:<br />
Versprechen sind zu halten! Vertrauen<br />
wird dadurch aufgebaut, dass Worte und<br />
Taten zueinander passen.<br />
Nun ist es relativ einfach zu behaupten,<br />
man sei vertrauenswürdig. Ungleich schwieriger<br />
ist es, dies unter den Bedingungen des<br />
wirtschaftlichen Alltags umzusetzen. Unter<br />
Wettbewerbsbedingungen, unter Kosten-<br />
und Zeitdruck existieren vielfach Anreize zur<br />
Foto: Fuchs<br />
BERICHTE | ANALYSEN<br />
kurzfristigen Gewinnerzielung zu Lasten<br />
Dritter. Etwa wenn Leistungen verkauft werden,<br />
die sich an Provisionen orientieren und<br />
nicht an den Bedürfnissen des Kunden. Wenn<br />
Abonnements entgegen der Versicherung bei<br />
Vertragsabschluss nicht automatisch enden,<br />
sondern weitergeführt werden. Oder wenn<br />
an Sicherheitsstandards gespart wird, infolgedessen<br />
es zu Unfällen kommt.<br />
Ehrlichkeit als Vermögenswert<br />
Unternehmer haben die Verantwortung, problematische<br />
Formen der kurzfristigen Gewinnerzielung<br />
zu vermeiden. Es ist zu betonen,<br />
dass es hierbei nicht um Verzicht geht,<br />
sondern um eine Investition. Es ist eine Investition<br />
in Vermögenswerte wie Vertrauen,<br />
Integrität oder Reputation und damit eine<br />
Investition in die Bedingungen zukünftigen<br />
Erfolgs. Bereits der ehrliche Kaufmann wusste,<br />
dass diese Vermögenswerte für ein erfolgreiches<br />
Geschäft unabdingbar sind. ■<br />
Prof. Dr. Nick Lin-Hi ist Inhaber der<br />
Junior-Professur für Corporate Social<br />
Responsibility an der Universität Mannheim<br />
(http://lin-hi.bwl.uni-mannheim.de).<br />
www.ihk-nuernberg.de/ehrbarer_kaufmann<br />
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